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Die Angst vor den Hardcore-Fans

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Die Angst vor den Hardcore-Fans

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    Proteste einiger Bayern-Fans gegen seine Person berühren Torwart Manuel Neuer nach außen hin nicht. dpa
    Proteste einiger Bayern-Fans gegen seine Person berühren Torwart Manuel Neuer nach außen hin nicht. dpa

    Wird Manuel Neuer jemals einen Fangesang des FC Bayern München anstimmen oder nach einem Sieg das Wappen seines neuen Klubs küssen? Wahrscheinlich nicht. Sollte der neue Torwart es dennoch wagen, wird es in der Südkurve brodeln. Denn die "Ultras" haben genaue Verhaltensregeln aufgestellt. Es ist demnach genau festgelegt, was Neuer tun darf und was nicht, um von den Hardcore-Fans im Tor des FC Bayern zumindest zähneknirschend akzeptiert zu werden. Das wurde während eines geheimen Treffens vereinbart. Der Verhaltenskatalog ist mittlerweile an die Öffentlichkeit geraten. Neuer hat den Forderungen demnach prinzipiell zugestimmt.

    Was da in München geschieht, kann man kurios oder erschreckend finden. Es wirkt jedenfalls bizarr, wenn ein moderner Musterprofi - selbstbewusst, geschult, intelligent - sich archaischen Stammes-Ritualen fügt, die aus einer weit zurückliegenden Fußball-Epoche stammen. Allerdings war - und ist - Neuer ein Herzens-Schalker, der selbst mit dortigen "Ultra"-Gruppen sympathisierte. Der Nationaltorwart äußert sich nicht dazu, aber es liegt nahe, dass er Fan-Loyalität ernst nimmt.

    "Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot"

    Schaut man auf die gesamte Liga, überwiegt der Schrecken. Während Neuer in München aushandelte, wie und wo er sich freuen darf, verkündete Bundesliga-Absteiger Eintracht Frankfurt einen "Verhaltens-Kodex" für seine Fans, und der 1. FC Köln entzog Teilen seiner Anhänger Privilegien, die er vorher gewährt hatte. Die "Wilde Horde" aus Köln, die Frankfurter "Ultras" und - trotz des Arrangements mit Neuer - auch die Münchner "Schickeria" müssen sich auf Gegenwind von Polizei und Klubs einstellen.

    "Jetzt ist nicht die Zeit für feinfühlige Gespräche, die sie ohnehin nicht wollen", sagt Heribert Bruchhagen, Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt und Vorstand in der Deutschen Fußball-Liga (DFL). "Die wirtschaftlichen Schäden sind so erheblich, dass ich nun an die Interessen von Eintracht Frankfurt denken muss."

    Heribert Bruchhagen, ein überlegter und abwägender Manager des Fußballs, hat bei den Tätern eine "gewisse Lust am Untergang" festgestellt und nun einen harten Kurs eingeschlagen. Frankfurt war in der Vorsaison Spitzenreiter bei Strafzahlungen und darf am kommenden Montag in der Zweitligapartie gegen den FC St. Pauli nur 19.000 Zuschauer ins Stadion lassen. Der Hamburger Klub hat eine ähnliche Strafe schon am ersten Spieltag erdulden müssen. In beiden Fällen liegt der Einnahmeverlust in der Gegend von 500.000 Euro.

    Die Grenze zwischen Unfug und Gewalt

    Das Vorgehen gegen "Ultras" ist keineswegs einfach. Der naheliegende Weg, nämlich Stadionverbote, scheitert oft: "Das ist so mühsam", sagt Bruchhagen, "die Beweislage ist schwierig, Zeugen wollen nichts sagen, und dann höre ich immer die gleichen Ausreden: 'Die haben unsere Fahne zuerst geklaut'. Ich kann das nicht mehr hören." Helmut Spahn, der Sicherheitsbeauftragte des DFB, fordert seit längerem "unmissverständliche Grenzen" für jene Hardcore-Fans, die die Grenze zwischen buntem Unfug und Gewalt überschreiten. Das sind meist nur eine Handvoll pro Gruppierung und um die 100 pro Verein - diese können aber, wenn es hart auf hart kommt, auf die Solidarisierung vieler anderer rechnen, die selbst nicht prügeln oder zündeln würden. Solche Konfliktfälle sind zum Beispiel das Eindringen von Polizei oder Ordnungsdiensten in Fan-Blocks.

    Andererseits wollen es sich die Vereine mit ihren intensivsten Fans nicht verderben. Denn "Ultras" sorgen mit Gesängen und "Choreos" - optischen Effekten aus vielen Einzelelementen - für Stimmung in Stadien, die ohne sie ziemlich ruhig und reichlich blass aussehen würden. Eine Arena voller Business-Logen, der Traum jedes Schatzmeisters und Sicherheitschefs, würde sich selbst ad absurdum führen, weil der Reiz weg wäre, überhaupt hinzugehen. Das ist der Grund, warum "Ultra"-Gruppen vielerorts Sonderrechte genießen - bevorzugte Kartenvergabe, eigene Infostände, Stadionräume für ihre Utensilien. Genau solche Privilegien hat die Kölner "Wilde Horde" nun verloren.

    Der harte Weg ist aber nicht der einzige. "Nur Repressionen sind der falsche Weg, das konnte man bei Jugendkulturen immer wieder sehen", sagt Heribert Bruchhagen. "Und wir müssen verhindern, dass sich die 97 Prozent friedlichen Fans mit den übrigen 3 Prozent solidarisieren." (dapd)

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