Der Deutsche Fußball-Bund muss mitten in seiner Führungskrise auch noch eine Entgleisung seines Präsidenten Fritz Keller verteidigen.
Der 64 Jahre alte Freiburger hat bei einer Präsidiumssitzung nach Berichten von "bild.de" und "spiegel.de" seinen Vizepräsidenten Rainer Koch mit Nazi-Richter Roland Freisler verglichen. Der Deutsche Fußball-Bund äußerte sich nicht zu Einzelheiten, bestätigte aber eine Entschuldigung Kellers. Auch Koch äußerte sich nicht.
"Manchmal fallen in Kontroversen Worte, die nicht fallen sollen und nicht fallen dürfen. Dafür habe ich mich in aller Form persönlich im Gespräch wie auch schriftlich bei Rainer Koch entschuldigt", wurde Keller zitiert. "Er hat die Größe, die Entschuldigung anzunehmen, wofür ich ihm dankbar bin. Insbesondere auch im Hinblick auf die Opfer des Nationalsozialismus war der Vergleich gänzlich unangebracht. Ich bedauere dies sehr und werde meine Worte künftig weiser wählen."
Nach Angaben der "Bild" (Dienstag) ist ein Rücktritt für Keller keine Option. "Einen Rücktritt schließe ich aus. Ich habe einen Fehler gemacht, aber ich werde die Aufräumarbeiten, für die ich zum DFB geholt und mit 100 Prozent der Stimmen auf dem Bundestag gewählt wurde, zu Ende führen", zitierte die Zeitung den 64-Jährigen.
Der 1945 gestorbene Freisler war als Teilnehmer an der Wannseekonferenz einer der Verantwortlichen für die Organisation des Holocaust und später Präsident des berüchtigten Volksgerichtshofes, wo er etwa 2600 Todesurteile verhängte. Darunter auch gegen die Widerstandsgruppe "Weiße Rose".
Der langjährige DFB-Vize und zeitweilige Interims-Verbandschef Koch ist Strafrichter am Oberlandesgericht München. Der Vorfall soll sich bei der Präsidiumssitzung am vergangenen Freitag zugetragen haben. Nach "Spiegel"-Angaben hat DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius danach eine Anzeige bei der Ethikkommission des Verbandes erstattet. Der DFB wollte sich dazu nicht äußern.
Die Verbandsspitze gilt schon länger als zerstritten. Seit Monaten stehen sich die Lager um Keller auf der einen Seite und Curtius auf der anderen nahezu unversöhnlich gegenüber. Dies führte an der Basis zu großem Unmut, den zahlreiche Vertreter der Landes- und Regionalverbände vor der Sitzung in einem Protestbrief artikuliert haben.
Nach Informationen des "Kicker", der schon vor Tagen aus dem Schreiben zitierte, heißt es darin unter anderem, dass "die Handlungsfähigkeit in der Führungsspitze des DFB nicht mehr gegeben" sei und der Zustand des DFB als "desolat" ansieht. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" soll es in der Frankfurter Verbandszentrale sogar Überlegungen geben, bereits im Spätsommer dieses Jahres einen Bundestag mit Neuwahlen einzuberufen. Wahlen stehen eigentlich erst 2022 an.
Keller ist seit September 2019 Chef des größten Einzel- Sportfachverbandes und hat im März erklärt, auch für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Der frühere Präsident des Bundesligisten SC Freiburg versprach nach seinem Amtsantritt unter anderem, den immer noch nicht restlos aufgearbeitete Skandal um die Heim-WM 2006 aufzuklären.
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