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Der Fall Armstrong(s): Jan Ullrich: Das beschäftigt mich nicht

Der Fall Armstrong(s)

Jan Ullrich: Das beschäftigt mich nicht

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    Lance Armstrong (li) und Jan Ullrich prägten über Jahre hinweg das Bild der Tour de France.
    Lance Armstrong (li) und Jan Ullrich prägten über Jahre hinweg das Bild der Tour de France. Foto: Gero Breloer dpa

    Lance Armstrong hat nach jahrelangem Kampf gegen Dopingbeschuldigungen aufgegeben und sich in die Rolle des zu Unrecht Verfolgten verabschiedet. Der 40 Jahre alte Tour-de-France-Seriensieger aus den USA will sich gegen die Vorwürfe nicht mehr zu Wehr setzen, ihm droht die Aberkennung seiner sieben Tour-Siege zwischen 1999 bis 2005.

    "Es kommt ein Punkt im Leben jedes Menschen, an dem er sagen muss 'Es reicht.' Für mich ist dieser Punkt jetzt gekommen", erklärte der einstige Rad-Superstar in einem ausführlichen schriftlichen Statement auf seiner Homepage und schrieb von einer "Hexenjagd" durch den Chef der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA, Travis Tygart.

    Radsportverband deckte Lance Amrstrong

    Ein Dopinggeständnis legte Armstrong aber nicht ab. Ganz im Gegenteil: "Ich weiß, wer siebenmal die Tour gewonnen hat, meine Teamkollegen und alle, gegen die ich gefahren bin, wissen, wer die Tour siebenmal gewonnen hat", betonte der Texaner. "Es gab keine Abkürzungen, es gab keine speziellen Behandlungen. Dieselben Strecken, dieselben Regeln.".

    Mit dem Fall der einstigen Galionsfigur kommt der gesamte Profiradsport ins Wanken. Im Visier der Anti-Doping-Agentur sind neben Armstrong und Co. schon längst auch der Radweltverband UCI, der dem Texaner seit Jahren den Rücken gestärkt hatte und über jeden Zweifel erhaben schien. In den USADA-Anklagepunkten gegen Armstrong finden sich auch klare Verweise auf die

    Die Union Cycliste Internationale (UCI) geriet unter ihrem damaligen Präsidenten Hein Verbruggen unter Verdacht, eine positive Doping-Analyse Armstrongs aus der Tour de Suisse 2001 nicht veröffentlicht zu haben. Danach erfolgten mysteriöse Spenden von Armstrong an die UCI in Gesamthöhe von 125 000 Dollar. Den Grund für die noble Gabe konnte die UCI bis heute nicht schlüssig erklären. Darüber hinaus blieb der Dachverband untätig, als Armstrong 2005 in nachträglichen Analysen EPO-Gebrauch bei seinem ersten Toursieg 1999 nachgewiesen worden war. "Die UCI hat positive Analysen niemals zurückgehalten", sagte McQuaid in London.

    Sollte Armstrong tatsächlich seine Tour-Titel verlieren, könnten zwei Deutsche davon profitieren: Bei seinen Erfolgen 2000, 2001 und 2003 hatte der Texaner den ebenfalls im öffentlichen Ansehen tief gefallenen deutschen Radstar Jan Ullrich jeweils auf Platz zwei verwiesen, 2004 hatte sich Andreas Klöden hinter Armstrong auf den Champs-Elysées in Paris feiern lassen dürfen. Ob die beiden nun nachträglich zum Sieger in diesen Jahren aufsteigen können, ist unklar. In einem ähnlichen Fall wurde bei Bjarne Rijs eine Verjährungsfrist geltend gemacht. Der Däne dürfte das Gelbe Trikot behalten - allerdings erst auf Intervention der UCI.

    Jan Ullrich hat mit Profikarriere abgeschlossen

    Ullrich macht sich jedenfalls keine besonderen Gedanken über eine mögliche Aberkennung der Tour-Erfolge Armstrongs. "Das beschäftigt mich nicht mehr groß", sagte er am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. "Ich weiß, wie damals die Reihenfolge am Zielstrich war", betonte Ullrich: "Ich habe mit meiner Profikarriere abgeschlossen und habe immer gesagt, dass ich auch auf meine zweiten Plätze stolz bin."

    Diego, Krabbe und Co. - Die spektakulärsten Dopingfälle

    1988: Der kanadische Sprinter Ben Johnson gewinnt bei den Olympischen Spielen in Seoul zwar das 100-Meter-Finale gegen seinen großen Rivalen Carl Lewis (USA), muss seine in der Weltrekordzeit von 9,79 Sekunden gewonnene Goldmedaille später jedoch zurückgeben. Er war mit dem anabolen Steroid Stanozolol gedopt.

    1992: Katrin Krabbe, Doppel-Weltmeisterin von Tokio 1991, wird das unerlaubte Doping-Mittel Clenbuterol nachgewiesen. Die einjährige Sperre durch den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) wird vom Weltverband IAAF auf zwei Jahre verlängert. Münchner Gerichte erkennen einen Schadenersatzanspruch der Sprinterin gegenüber der IAAF in Höhe von 1,2 Millionen D-Mark an.

    1994: Dem argentinischen Superstar Diego Maradona wird bei der Fußball-Weltmeisterschaft die verbotene Substanz Ephedrin nachgewiesen. Er wird vom Turnier ausgeschlossen.

    1998: Bis dahin größter Tour-de-France-Skandal: Bei Festina-Team- Betreuer Willy Voet werden massenhaft unerlaubte Substanzen zum Dopen gefunden. Es folgen Razzien der Polizei, ein flächendeckendes Doping- System im Radsport wird enttarnt.

    1999: Dieter Baumann, 5000-Meter-Olympiasieger von 1992, erlangt durch die «Zahnpasta-Affäre» zweifelhaften Ruhm, als er positiv auf Nandrolon getestet wird. Der Schwabe bringt den Fall vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS, wird aber 2000 endgültig von den Spielen in Sydney ausgeschlossen.

    2005: Der Tennisprofi Mariano Puerto aus Argentinien wird als Wiederholungstäter für acht Jahre gesperrt. Kurz nach seiner Final- Niederlage bei den French Open gegen den Spanier Rafael Nadal wird ihm die Einnahme des verbotenen Mittels Etilefrin nachgewiesen. Er war bereits 2003 wegen Clenbuterol-Dopings gesperrt worden. Auch seine Landsleute Juan Ignacio Chela, Guillermo Coria und Guillermo Canas wurden des Doping-Missbrauchs überführt.

    2006: Nach einer Doping-Razzia im Turiner Olympia-Quartier flieht der österreichische Skitrainer Walter Mayer. Bei der Durchsuchung werden Spritzen, Medikamente und Geräte zur Bluttransfusion sichergestellt. Vier Langläufer und zwei Biathleten werden vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) auf Lebenszeit von Olympischen Spielen ausgeschlossen, das Nationale Olympische Komitee Österreichs (ÖOC) wird vom IOC zu personellen Konsequenzen gedrängt und muss eine Million Dollar Strafe zahlen.

    2006: Zwei Tage vor dem Start der Tour de France werden neun Fahrer, darunter Jan Ullrich und der Italiener Ivan Basso, von der Rundfahrt ausgeschlossen. Sie sollen mit dem mutmaßlichen spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes zusammengearbeitet haben. US-Profi Floyd Landis wird positiv auf Testosteron getestet. 14 Monate später wird er für zwei Jahre gesperrt. Der Tour-de-France-Sieg wird ihm aberkannt. Im Mai 2010 gibt er Doping zu.

    2007: Die Radprofis Jörg Jaksche, Bert Dietz, Christian Henn, Udo Bölts, Brian Holm, Rolf Aldag, Erik Zabel und Bjarne Riis, der Tour- Sieger von 1996, gestehen Blutdoping. Die Sportärzte Lothar Heinrich, Andreas Schmid und Georg Huber werden von der Universitätsklinik Freiburg suspendiert.

    2007: Im Oktober räumt die dreimalige Olympiasiegerin Marion Jones (USA) im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ein, jahrelang gedopt zu haben. Die Olympiasiege werde der Sprinterin im Dezember 2007 vom IOC aberkannt. Die Medaillen hatte sie bereits zurückgegeben. 2009: Am 3. Juli erklärt die Internationale Eislauf-Union (ISU), dass die fünfmalige Olympiasiegerin Claudia Pechstein gesperrt worden ist. Einen positiven Doping-Befund gibt es nicht. Pechstein wurde aufgrund von Indizien gesperrt, ihr Blutprofil zeigte nach ISU-Angaben Auffälligkeiten.

    2010: Tour-de-France-Sieger Alberto Contador wird positiv auf die verbotene Substanz Clenbuterol getestet. Im Februar 2012 wird der spanische Radprofi vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) zu einer Zweijahressperre bis August 2012 verurteilt, zudem werden ihm seine Ergebnisse seit Juli 2010 aberkannt.

    2012: Der deutsche Ex-Radprofi Jan Ullrich wird vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne wegen Dopings schuldig gesprochen und bis August 2013 gesperrt. Zudem werden ihm alle Ergebnisse seit Mai 2005 aberkannt.

    Armstrong erklärte, an seinen Tour-Erfolgen könne sowieso niemand etwas ändern: "Schon gar nicht Travis Tygart." Die USADA will den gefallenen Heroen lebenslang sperren. Am meisten dürfte den Ex-Profi, der auch einmal Ambitionen hatte, in die Politik zu wechseln, aber der immense Imageverlust zu schaffen machen. Was bliebe, wäre nicht mehr der erfolgreichste Tour-Starter aller Zeiten, ein geheilter Krebspatient mit einer schier unglaublichen Erfolgstory, sondern der Hauptdarsteller im größtmöglichen Skandal des Radsports.

    "Das ist ein trauriger Tag für alle von uns, die den Sport und unsere Athleten-Helden lieben", teilte Tygart in einem Schreiben der USADA in einer ersten Reaktion mit. Der USADA-Chef legte aber auch noch einmal nach: "Das ist ein Herzen brechendes Beispiel, wie diese Gewinnen-um-jeden-Preis-Kultur im

    Zur Begründung seines Entschlusses erklärte Armstrong, das gesamte Verfahren habe einen "zu hohen Preis" von ihm und seiner Familie gefordert. Wenn er eine Möglichkeit gesehen hätte, in einer fairen Umgebung die Vorwürfe widerlegen zu können, hätte er die Chance wahrgenommen: "Aber ich weigere mich, in einem einseitigen und unfairen Prozess mitzumachen."

    Ehemalige Kollegen belasten Armstrong

    Die USADA hatte ihm keine Wahl gelassen: Entweder akzeptiert er die Anklage oder stellt sich einem Prozess. Das wollte Armstrong auf keinen Fall, obwohl ihm Öffentlichkeit in dieser Causa weiter sicher ist. Denn sein mitangeklagter ehemaliger Teamchef und Mentor Johan Bruyneel hatte den USADA-Vorwürfen widersprochen. In der bevorstehenden Verhandlung gegen ihn wird es sich die US-Behörde nicht nehmen lassen, Armstrong selbstverständlich als Zeugen zu berufen.

    Die Legende des Radsportlers bröckelte schon ganz lange. Bereits im Juli 2004 erhoben zwei Journalisten schwere Dopingvorwürfe. Armstrongs einstige Teamkollegen und Edelhelfer Floyd Landis und Tyler Hamilton, beide wegen Dopings gesperrt, schlossen sich den Anschuldigungen 2010 und 2011 an. "Ich sah EPO in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat", sagte Hamilton dem TV-Sender CBS.

    Die Doping-Jäger werfen Armstrong jahrelanges Doping und Handel mit illegalen Substanzen vor. Er soll Teil einer regelrechten "Doping-Verschwörung" gewesen sein, zu der auch Bruyneel gehören soll. Der nicht minder umstrittene Belgier bedauerte die Entscheidung Armstrongs: "Lance hat sich nie von einem fairen Kampf in seinem Leben zurückgezogen, daher unterstreicht die heutige Entscheidung, wie ungerecht dieser Prozess gewesen ist."  (AZ)

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