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Corona-Krise: "Es ist eine Zwickmühle": Tennisprofi Kohlschreiber sieht US Open kritisch

Corona-Krise

"Es ist eine Zwickmühle": Tennisprofi Kohlschreiber sieht US Open kritisch

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    Auch mit 36 Jahren noch ein gutes Auge für den Ball: der Augsburger Philipp Kohlschreiber.
    Auch mit 36 Jahren noch ein gutes Auge für den Ball: der Augsburger Philipp Kohlschreiber. Foto: Daniel Bockwoldt, dpa

    Philipp Kohlschreiber ist gerne pünktlich. Aber manchmal kommt eine Dopingkontrolle am Morgen dazwischen. „Das hat meinen Zeitplan ein bisschen durcheinandergebracht“, sagt der Tennisprofi. Treffpunkt ist die Tennisbase in Oberhaching. Vormittags herrscht dort nicht viel Betrieb. Nachher trainiert Kohlschreiber auf einem der Sandplätze. Noch sei das Gefühl für das Spiel noch nicht so, wie es sein sollte, erzählt der 36-jährige Augsburger.

    Die Corona-Pause ist auch an dem Routinier nicht spurlos vorübergegangen. Inzwischen erwacht die Tenniswelt aber wieder aus der Schockstarre. In Berlin finden dieser Tage zwei kleine Einladungsturniere auf Rasen statt. Vor einer Handvoll Zuschauer und unter strengen Hygieneauflagen. Die restliche Rasensaison ist zusammen mit dem Turnier in Wimbledon der Pandemie zum Opfer gefallen.

    Philipp Kohlschreiber trainiert auf die US Open - aber noch ist viel ungewiss

    Jetzt hoffen alle auf die US Open in New York. Die sollen Ende August starten. Ohne Zuschauer. Und ebenfalls unter strengen Vorgaben. Der komplette Tross aus Spielern und Betreuern soll während des Turniers – ähnlich wie die Profis der nordamerikanischen Top-Ligen im Eishockey (NHL) und Basketball (NBA) – in einer gigantischen Blase leben. Abgetrennt von der Außenwelt, um dem Virus nur ja kein Einfallstor zu gewähren. Rund 400 Personen dürfen nur zwischen den Hotels und der Anlage pendeln.

    Für Kohlschreiber sind die US Open das Ziel, auf das er momentan hintrainiert. So weit das eben möglich ist in einer Zeit voller Ungewissheiten. Er plant seinen ersten Auftritt nach der langen Pause bei einem Sandplatzturnier im August in Prag. Erst danach will er in die USA fliegen. „Noch stehen aber viele Fragezeichen hinter allem. In Amerika sind die Fallzahlen extrem hoch. Viele Spieler blicken mit Bauchschmerzen in die nahe Zukunft.“ Mental werde es sehr herausfordernd, Turniere unter den aktuellen Bedingungen zu spielen. „Jeder Spieler, jeder Betreuer, alle müssen mitmachen und sich perfekt an die Regeln halten. Wenn jemand rausgeht und sich was einfängt, kann sich das wie ein Lauffeuer ausbreiten. Und es weiß keiner, wie viele positiv Getestete es geben darf, damit das Turnier nicht abgesagt wird. Sind es fünf oder zehn?“

    Kohlschreiber fragt sich, ob Reise in die USA in der aktuellen Corona-Situation sinnvoll ist

    Diese Begleitumstände seien nicht dazu angetan, den Beruf eines Tennisprofis dieser Tage gänzlich unbeschwert auszuüben. Kohlschreiber ist hin- und hergerissen. „Natürlich wollen wir alle wieder spielen. Aber momentan stellt sich schon die Frage, ob es in dem Rahmen sinnvoll ist. Ein bisschen mehr als 50 Prozent in mir sagen, dass es zumindest in Amerika noch nicht der richtige Zeitpunkt ist, wieder anzufangen.“ Trotzdem tendiert der Augsburger zu einer Reise in die USA. „Es ist eine Zwickmühle. Die US Open sind das größte Turnier, es gibt das meiste Preisgeld. Vielleicht ist es vor Ort auch viel besser, als man es sich ausmalt. Wie man hört, geben die sich unglaublich Mühe, alles perfekt zu organisieren.“ Nicht ins Bild des Tennissports, der mühsam um eine Rückkehr in den Turniermodus kämpft, passte die Adria-Tour. Superstar Nowak Djokovic hatte Mitte Juni nach Serbien, Kroatien, Montenegro und Bosnien und Herzegowina geladen. Idee war, die Einnahmen des Turniers an wohltätige Einrichtungen zu spenden. In der breiten Öffentlichkeit sorgten aber vor allem die Bilder ausgelassen feiernder Tennisprofis, volle Zuschauerränge und das Missachten jeglicher Abstands- oder Hygieneregeln für Aufsehen. Unter anderem Djokovic selbst steckte sich dann auch prompt mit dem Virus an.

    Kohlschreiber bewertet die Vorgänge zurückhaltend. „Natürlich hätte das alles nicht sein müssen. Andererseits war es in dem Land zu dem Zeitpunkt eben auch erlaubt. Da kann ich den Jungs keinen Vorwurf machen. Trotzdem war es unklug, vielleicht auch naiv.“ Das einzig Gute daran sei, dass allen wieder bewusst wurde, wie schnell man sich anstecken könne.

    Deutlich schärfer kritisierte der Australier Nick Kyrgios seine Kollegen. Auf Twitter lederte er munter gegen Djokovic oder auch den deutschen Top-Spieler Alexander Zverev. Der hatte sich nach der Adria-Tour zunächst freiwillig in eine 14-tägige Quarantäne begeben, um kurz darauf wieder fröhlich feiernd auf einer Party an der Côte d’Azur gefilmt zu werden. „Nick ist einer, der dafür bekannt ist, dass er sagt, was er denkt“, sagt Kohlschreiber. Und er komme aus einem Land, das sehr strikte Beschränkungen habe. „Da wird man natürlich sehr sensibel.“

    Es sei aber zu leicht, sich auf einen Schuldigen einzuschießen. Ein paar deutliche Worte findet dann aber auch Kohlschreiber. „Die Aktion, erst zu sagen, man geht in Heim-Quarantäne und ist dann wieder auf einer Party zu finden – da hat Nick schon recht, das zu kritisieren. Wenn man so bekannt ist, muss man sich der Tragweite seines Handelns bewusst sein. Man hat dann einfach eine Vorbildfunktion, ob man will oder nicht.“

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