Eine Professur in Geografie strebte Andreas Möller im Jahre 1992 nicht an, als er sagte: „Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien.“ Seine Botschaft indes kam an – unabhängig von örtlicher Unkenntnis. Möller wollte in den Süden. In die Serie A. Italiens höchste Liga. Dies gelang dem Nationalspieler, er kickte in Turin, bei Juventus. Möller zog ein ins gelobte Land, in dem dolce vita, Sonne und Milliarden Lire lockten.
Lange galt die italienische Meisterschaft, der Scudetto, als das Maß aller Fußballdinge. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre bevölkerten deutsche Weltmeister Fußballmetropolen wie Rom, Mailand oder Turin. Von Matthäus, Klinsmann, Brehme bis hin zu Völler, Häßler, Kohler oder eben Möller.
Inzwischen ist alles anders. Tutto kaputto. Das Attraktivste an der italienischen Fußballliga ist dieser Tage die Moderatorin beim TV-Sender Rai Uno. Aus dem Luxus-Ristorante in Roms bester Gegend ist ein Pizzastand in Neapels Industriehafen geworden. Leere, veraltete Stadien. Randale. Manipulierte Spiele. Überschuldete Vereine. Weltklasse ist der Espresso um die Ecke, weniger der Kick auf dem Rasen. Stars verdienen heute lieber in England, Spanien oder Deutschland ihren Lebensunterhalt.
Trainer Ancelotti schwärmt von Reus und Co.
Die Bundesliga hat den Italienern längst den Rang abgelaufen, sportlicher Lohn ist der gewonnene Startplatz in der Champions League. Das Erfolgsmodell aus Germania mit seinen modernen, ausverkauften Arenen, den solide wirtschaftenden Vereinen und den Talenten aus den eigenen Nachwuchsleistungszentren bildet einen Gegenpol zum antiken Calcio.
Da ist selbst die italienische Trainer-Ikone Carlo Ancelotti molto beeindruckt. Das Herz gehe ihm auf, wenn er Spielern wie Reus, Müller oder Kroos zusehe, äußerte der 52-Jährige jüngst. Die Bundesliga habe in den letzten Jahren schwindelerregend in Sachen Atmosphäre und Spektakel zugelegt, schwärmte er weiter. Ancelotti muss es wissen. Er hat als Spieler und Trainer mit dem AC Mailand zweimal die Champions League gewonnen.
Auf den Rot-Schwarzen, den Rossoneri, aus der Modestadt ruhen heute Abend die Hoffnungen Italiens. Die Havarie der Costa Concordia soll der einzige Schiffbruch des Jahres bleiben. Mailand will den Kurzpass-Göttern des FC Barcelona mit Catenaccio den Spaß am Zaubern nehmen. Sollten die Italiener ins Halbfinale einziehen, wäre das eine Überraschung.
Wobei: Ausgerechnet in der Champions League, der Königsklasse des Vereinsfußballs, hat Italia noch nicht fertig. Wer’s nicht glaubt, sollte bei Bayern München nachfragen. Stichwörter: Finale 2010 und Inter Mailand.