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Bundesliga: "Sonderbehandlung für den Fußball? Das gehört sich nicht"

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"Sonderbehandlung für den Fußball? Das gehört sich nicht"

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    Profifußball vor leeren Rängen: Ein Anblick, an den man sich gewöhnen muss. Schon die bis dato letzte Bundesligapartie zwischen Gladbach und Köln fand ohne Zuschauer statt. 
    Profifußball vor leeren Rängen: Ein Anblick, an den man sich gewöhnen muss. Schon die bis dato letzte Bundesligapartie zwischen Gladbach und Köln fand ohne Zuschauer statt.  Foto: Fabian Strauch, dpa

    Es scheint so, als würde in der Bundesliga schon bald wieder der Ball rollen. Ist das angesichts des Ausnahmezustandes, der in sämtlichen Lebensbereichen herrscht, ethisch-moralisch zu vertreten?

    Gunter Gebauer: Ich bin wahrlich kein Fußball-Feind. Aber je länger ich mir das anschaue und darüber nachdenke, desto klarer wird für mich, dass das nicht zu verantworten ist. Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs mag zwar für die Vereine ökonomisch notwendig sein, aber es ist das absolut falsche Signal. Gesang, Theater, Schauspiel, im Wirtshaus zusammensitzen – alles, wo es zu Nähe und Körperkontakt kommt, ist strikt verboten. Und dann wird ein Vollkontaktsport wie Fußball ausgeübt? Bei anderen Sportarten wie Rudern, Gewichtheben oder Golf, wo man Abstand halten kann, wird über Wettkämpfe gar nicht erst nachgedacht. Der Fußball sieht sich ja sonst gerne als Vorbild. Dieser Rolle wird er aber gerade nicht gerecht und bestätigt damit all diejenigen, die ihm ohnehin skeptisch gegenüber stehen.

    Wenn Sie sagen, es ist das falsche Signal …

    Gebauer: … dann meine ich damit, dass das sicher von vielen Seiten zum Anlass genommen wird, auch für ihren Bereich Lockerungen zu fordern. Überall wird ja gerade immer stärker an den Gitterstäben gerüttelt, trotz aller Warnungen seitens der Virologen. Die Einschränkungen sind auch wirklich massiv und schwer aushaltbar, aber offensichtlich notwendig.

    Vielleicht könnte es für die Stimmung im Land gut sein, wenn im Fernsehen wieder Fußball läuft. Diese Hoffnung äußerten zuletzt auch namhafte Politiker wie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet. Der Fußball als gesellschaftlicher Stimmungsaufheller?

    Gebauer: Wie Freibier? Ich bin da sehr skeptisch, dass da echter Spaß aufkommt, wenn 22 Profis in einem menschenleeren Stadion, das 40.000 oder 50.000 Zuschauer fasst, dem Ball hinterherjagen. Das hat was von Gefängnisspielen – zumal die Akteure auf dem Platz wohl auch nicht mit größter Freude bei der Sache sein werden, sondern vor allem wegen der schlichten Notwendigkeit spielen. Der Fußball lebt von der Stimmung auf den Rängen, vom Beifall, von den Anfeuerungsrufen. Nur dann entwickelt sich eine echte Erlebnisspannung.

    Sportsoziologie Gunter Gebauer ist gegen eine Wiederaufnahme der Fußball-Bundesliga.
    Sportsoziologie Gunter Gebauer ist gegen eine Wiederaufnahme der Fußball-Bundesliga. Foto: Horst Galuschka, dpa

    Im Konzept der Deutschen Fußball Liga spielen engmaschige Corona-Tests aller Spieler und Betreuer eine zentrale Rolle. Man rechnet mit bis zu 20.000 Tests bis zum Saisonende, beteuert aber, dass es deswegen anderswo keine Engpässe geben werde.

    Gebauer: Das mag schon sein. Aber wenn man bedenkt, dass in Alten- und Pflegeheimen definitiv zu wenig getestet wird und an manchen Stellen Mangel herrscht, hinterlässt diese Sonderbehandlung für den Fußball einfach einen schlechten Eindruck. Die Sonderbehandlung fußt darauf, dass man es sich halt leisten kann. Ich drücke es mal so aus: Das gehört sich einfach nicht. Warum lassen wir nicht das Robert-Koch-Institut darüber entscheiden, ob es unter den derzeitigen Bedingungen zu verantworten ist, Fußballspiele auszutragen? Herr Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts, ist im Übrigen ein leidenschaftlicher Fußballanhänger, der es sich mit einer negativen Entscheidung sicher nicht leicht machen würde. Dass die Herren Laschet, Söder und Spahn die Hoffnung auf eine baldige Fortsetzung der Bundesliga genährt haben, kommt doch nicht von ungefähr – drei Männer, die in der Union nach der Macht streben. Da ist schon ein gewisses Maß an Populismus im Spiel.

    Viele Bundesligaspieler verzichten auf einen Teil ihres Gehalts. Die Bayern-Stars Joshua Kimmich und Leon Goretzka haben eine Spendenaktion gestartet. Wie beurteilen Sie das Verhalten der Bundesligaprofis in der Corona-Krise?

    Gebauer: Ich finde es hervorragend, was Kimmich und Goretzka gemacht haben. Sie sind vorangegangen und haben nicht gewartet, bis jemand was initiiert und sie dann spenden können. Generell glaube ich nicht, dass alle Spieler wirklich so geldgierig sind, wie sie immer wieder dargestellt werden. Es gibt viele Profis, die Stiftungen gegründet haben, die ihre guten Taten aber nicht an die große Glocke hängen.

    Für viele gesellschaftliche Bereiche wird die Corona-Krise auch als Chance für einen Neuanfang gesehen. Gilt das in Ihren Augen auch für den Profifußball?

    Gebauer: Ich denke schon, dass im Fußball alles ein bisschen heruntergedimmt wird – die Ablösesummen, die Spielergehälter, die ganze Kommerzialisierung. Es gibt ja schon Anzeichen dafür. Aber man darf da auch nicht zu optimistisch sein. Es wird am Ende Gewinner und Verlierer geben. Und die Verlierer werden ihre besten Spieler hergeben müssen, um zu überleben. Die Bundesliga war bis zu ihrem Stopp so spannend wie schon lange nicht mehr, weil gleich mehrere Klubs vorne mitspielten. Ich befürchte, dass wir in den nächsten Spielzeiten das nicht mehr so erleben werden. Die Schere der Vereine wird infolge der Corona-Krise weiter auseinandergehen.

    Wird der Fußball seine Dominanz gegenüber anderen Sportarten weiter ausbauen?

    Gebauer: Ich hoffe nicht. Es gibt so viele tolle Sportarten. Für die sind die Olympischen Spiele enorm wichtig, um auf sich aufmerksam zu machen. Aber die Olympischen Spiele werden jetzt verlegt. Wird nun der Spielbetrieb im Profifußball wieder aufgenommen, hat der Fußball keine Konkurrenz. Dabei hat dieser Sport ohnehin schon beste Voraussetzungen: Er ist gut organisiert, wird überall gespielt und – was sehr wichtig ist – es gibt große Stadien, anders als beispielsweise beim Handball.

    Sie haben den Fußball einmal als sozialen Schmierstoff bezeichnet …

    Gebauer: Weil es die einzige Sportart ist, an der sich alle Schichten und Milieus beteiligen. Das gibt es sonst nirgends. Auch die oberen Schichten sind präsent und sitzen vor dem Fernseher oder in den VIP-Loungen der Stadien.

    Werden Sie wie viele andere auch wieder den Fernseher einschalten, wenn die ersten Bundesligaspiele übertragen werden?

    Gebauer: Ich denke schon. Ich muss ja meine pessimistischen Erwartungen überprüfen …

    Klingt ein bisschen nach Ausrede. Geben Sie zu, auch bei Ihnen kommt da das Suchtverhalten zum Vorschein…

    Gebauer: Das spielt sicher auch eine Rolle. Die ersten Wochen sind ja bekanntlich die schlimmsten. Das ist, wie wenn man mit dem Rauchen aufhören will.

    Zur Person: Gunter Gebauer ist Philosoph, Sportwissenschaftler und Linguist. Er lehrte an der Freien Universität Berlin, an der Deutschen Sporthochschule in Köln und war Präsident der Internationalen Vereinigung für Sportphilosophie. Der 76-Jährige ist Mitglied der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur. 2018 war Gebauer mit dem Ethikpreis des Deutschen Olympischen Sportbundes ausgezeichnet worden.

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