Angela Merkel übermittelte die erlösende Nachricht für den deutschen Profifußball fast beiläufig. Man habe beim Politik-Gipfel mit den Ministerpräsidenten auch über die 1. und 2. Bundesliga gesprochen, „die den Spielbetrieb ab der zweiten Maihälfte wieder führen darf“, sagte die Bundeskanzlerin am Mittwoch nach der rund viereinhalbstündigen Video-Schalte ohne viel Pathos. Damit darf der Ball in der 1. und 2. Bundesliga schon am Wochenende vom 15. bis 17. Mai wieder rollen – neun Wochen nach der Aussetzung der Saison wegen der Corona-Krise. „Wir wissen auch, dass das sehr kontrovers ist. Ich halte diesen Kompromiss für mehr als vertretbar“, sagte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder.
Die Entscheidung der Politik für Geisterspiele sorgte in der Milliarden-Branche für große Erleichterung. Dies sei „eine gute Nachricht“, sagte DFL-Boss Christian Seifert. „Spiele ohne Stadion-Zuschauer sind für niemanden eine ideale Lösung. Es ist in einer für einige Klubs existenzbedrohenden Krise allerdings die einzige Möglichkeit, den Fortbestand der Ligen in ihrer jetzigen Form zu bewahren.“ Der Beschluss sei „einstimmig und einvernehmlich“ gefallen, betonte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher.
Nach dpa-Informationen äußerten allerdings die Länderchefs von Bremen, Andreas Bovenschulte (SPD), und Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), in der kontroversen Diskussion starke Vorbehalte gegen einen frühen Starttermin. Beide fürchten aufgrund der bisher in den Bundesländern sehr unterschiedlichen Trainingsmöglichkeiten um die Chancengleichheit ihrer Vereine Werder Bremen und FSV Mainz 05 und plädieren für einen Re-Start eine Woche später.
DFL will wohl am 15. Mai wieder starten
Wann es exakt losgeht, hat die Deutsche Fußball Liga nach übereinstimmenden Medienberichten noch am Abend bestimmt - nämlich am 15. Mai. Der Re-Start ist am Donnerstag auf der Mitgliederversammlung mit den 36 Vereinen Thema - genauso wie der genaue Spielplan für die ausstehenden 163 Spiele ohne Publikum in beiden Ligen. Sollte die Bundesliga-Saison chronologisch mit dem 26. Spieltag fortgesetzt werden, stünde unter anderem das Revierderby Borussia Dortmund gegen Schalke 04 zu Beginn auf dem Programm. Ihre Entscheidung für eine Fortsetzung der Saison begründeten die Spitzenpolitiker in ihrer Beschlussfassung mit der Tatsache, dass die Sonderstellung von Berufssportlerinnen und Berufssportlern – auch rechtlich – eine gesonderte Beurteilung erfordere.
Der Deutsche Fußball-Bund wurde gleichzeitig gebeten, für die anderen Ligen tragfähige Zukunftskonzepte zu entwickeln. Dem Bundesliga-Neustart vorweggehen muss eine Quarantänemaßnahme bei allen Vereinen, gegebenenfalls in Form eines Trainingslagers. Diese im DFL-Konzept festgeschriebene Maßnahme machte die Politik ebenso zur Bedingung wie die strikte Einhaltung der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen.
Im Falle eventuell notwendiger Testungen für den Spielbetrieb sei sicherzustellen, dass aus dem Gesundheitswesen angemeldete Testbedarfe jederzeit mit Priorität behandelt werden. Nach dem Skandal-Video des umgehend suspendierten Hertha-Stürmers Salomon Kalou schrieb Söder der Milliarden-Branche nachdrücklich ins Stammbuch, sich keine weiteren Verfehlungen zu leisten. „Es haben sich nicht nur normale Menschen an Hygienemaßnahmen zu halten, sondern auch diejenigen, die sehr, sehr viel verdienen und ein Privileg haben“, sagte Söder.
Die Fortsetzung ist für die Liga von enormer wirtschaftlicher Bedeutung
Spieler, die sich unvernünftig verhielten, müssten mit Konsequenzen rechnen. Kalou hatte am Montag Szenen aus der Umkleidekabine der Berliner mit seinem Handy gefilmt und bei Facebook live verbreitet, auf denen zu sehen war, wie er vielen Teamkollegen die Hand gab. In solchen Fällen sei „ein klares Durchgreifen“ der Deutschen Fußball Liga und der einzelnen Teams „ganz, ganz wichtig“, betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im ZDF-Morgenmagazin. Die DFL hatte von einer Taskforce unter Leitung von DFB-Chefmediziner Tim Meyer ein umfassendes Hygiene- und Sicherheitskonzept vorgelegt, um die Ansteckungsgefahr unter Spielern und Betreuern zu minimieren. In einer ersten Testreihe hatte es bei 1724 Proben in der 1. und 2. Liga zehn Corona-Fälle gegeben.
Dennoch sieht die Politik keine grundsätzlichen Vorbehalte gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebes und rückte auch von der zunächst geplanten Forderung einer zweiwöchigen Quarantäne für die Vereine ab. „Dass dort regelmäßig getestet wird, ist natürlich eine andere Situation, als wenn jemand nur einmal am Anfang und am Ende einer Quarantäne getestet wird. Das ist der Hintergrund“, begründete Bundeskanzlerin Merkel das Zugeständnis.
Für die Liga ist die Fortsetzung der Saison von enormer wirtschaftlicher Bedeutung, weil viele Vereine durch fehlende Einnahmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten oder schon sind. Mit der Aufnahme des Spielbetriebes sind nun zumindest die millionenschweren TV-Gelder gesichert.
Unklar ist noch, wie die Liga mit den Liveübertragungen der Freitagsspiele umgeht, nachdem mit dem Rechteinhaber Eurosport keine Einigung über die Zahlung der letzten Saison-Tranche aus dem TV-Vertrag erzielt wurde und der Spartensender wohl seinen Vertrag kündigen will. (dpa)
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