In den Samstagsausgaben mochte kaum ein Blatt der deutschen Zeitungslandschaft auf einen Artikel über Kai Havertz verzichten. Havertz gilt bekanntlich als größtes deutsches Fußball-Talent. Vielen ist er sogar noch mehr als das.
Weil Havertz’ Leverkusener den designierten Meister FC Bayern empfingen bot sich die Geschichte an. Und irgendwie hatte man den Eindruck, als hätten die Journalisten schon lange darauf gewartet, endlich einmal wieder einen deutschen Helden zu besingen. Die Heldensage ist speziell unter Sportjournalisten eine Spezialdisziplin, gefolgt vom Absturzdrama der ehemals Hochgejazzten.
Ohne ihr Talent verloren die Leverkusener gegen Bayern
Ärgerlich, dass Havertz dann wegen einer Oberschenkelblessur nur auf der Tribüne saß, nahm den Geschichten etwas ihren Zauber. Zudem verlor Leverkusen ohne sein Talent 2:4. Mit ihm, das machten die Geschichten über ihn glauben, wäre das Spiel anders ausgegangen, auch gegen den übermächtigen FC Bayern.
Dem schmalen Burschen, der am Donnerstag 21 Jahre alt wird, schreiben die Medien magische Kräfte zu. Fähigkeiten, die ihren Preis haben. Die dpa nennt ihn den "100-Millionen-Mann", obwohl Bild diese Woche ermittelt haben will, dass Real Madrid nur bescheidene 80 Millionen für Havertz geboten hat. Armer Kai! So schnell sind 20 Millionen. futsch. Tatsächlich ist der Junge auch keine 80 Millionen Euro wert. Auch nicht nach den verrückten Maßstäben der Branche. Der Leverkusener ist noch immer nur ein Talent, ein außergewöhnliches zwar, aber eines, wie es dennoch etliche im Fußball gibt. Eines, dessen Spielweise die Süddeutsche als "Eisgekühlten Bommerlunder" beschrieben hat. Schön, wenn ein Kicker einen Autor zur Poesie verleitet.
Havertz' Zahlen beeindrucken - sein Spiel nicht
Leider ist eisgekühlter Bommerlunder keine Ehrenbezeichnung für Havertz’ Spiel, wiewohl sie zutrifft. In 13 Pflichtspielen war der Jüngling zuletzt an 16 Toren beteiligt. Die Zahlen beeindrucken. Mehr aber auch nicht. Kein Tor wie ein Gedicht. Nichts, auf dass sich ein Bommerlunder heben ließe. Eher unauffällig für das Gedöns, das um ihn gemacht wird, verlief bislang sein Weg in der Nationalmannschaft. Sieben Spiele, ein Tor – nichts dabei, was man sich hätte merken müssen.
Wenn Kai Havertz der Spieler werden soll, den viele jetzt schon in ihm sehen, sollte er weder zum FC Bayern noch zu Real Madrid wechseln. Ein weiteres Jahr in Leverkusen täte ihm gut.
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