Breno Vinicius Borges schüttelt fast unmerklich und ungläubig den Kopf. Gerade hat Richterin Rosi Datzmann am Landgericht München ihr Urteil gefällt und damit wohl das Ende seiner Karriere besiegelt. Für drei Jahre und neun Monate muss der ehemalige FC Bayern-Profi wegen schwerer Brandstiftung ins Gefängnis, nach zweieinhalb davon wird er voraussichtlich in seine Heimat abgeschoben. Auch der Traum vom möglichen neuen Vertrag mit Lazio Rom und einer beruflichen Zukunft an der Seite seines ehemaligen Mannschaftskollegen Miroslav Klose ist auf Grund der Haftstrafe ausgeträumt.
Kurz vor der Urteilsverkündung sagte er: "Ich möchte mich für diese Nacht entschuldigen." Es war das erste Mal seit Beginn des Verfahrens, dass er sich konkret zu den Vorwürfen äußerte. Beim FC Bayern wolle er sich entschuldigen und auch bei dem Besitzer des Hauses, "der sein Eigentum verloren hat". Er entschuldigte sich bei seiner Familie und seinen Kindern, "für die ich kein gutes Vorbild war". "Ich bin ein Mensch, der an Gott glaubt und ich danke ihm, dass er meine Familie geschützt hat."
Breno hat das Feuer wohl aus Frust gelegt
Obwohl dies kein ganz klares Geständnis ist, hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Brasilianer in der Nacht auf den 20. September 2011 betrunken Feuer in seiner gemieteten Villa im Münchner Nobelvorort Grünwald gelegt hat - aus Frust über seine private und vor allem berufliche Situation. Er hatte gerade erfahren, dass er wahrscheinlich noch einmal am Knie operiert werden musste und wieder nicht Fuß fassen konnte beim FC Bayern, der den Abwehrspieler als 18-Jährigen für die stolze Ablösesumme von zwölf Millionen Euro aus Sao Paulo an die Isar geholt hatte.
Brenos Geschichte gleicht einer klassischen Tragödie. Mit Mogli, dem Dschungelkind, oder Kaspar Hauser vergleicht ihn Anwalt Werner Leitner. Auch Breno sei in einer ihm fremden Welt einfach nicht zurecht gekommen. Nach vier Jahren in Deutschland spricht er die Sprache nicht. Im Prozess blickte der junge Mann - ein Mann wie ein Baum - immer wieder Hilfe suchend zu seinem Anwalt und seiner Dolmetscherin.
Breno: Depressionen und ein Alkoholproblem
Mediziner und Bekannte zeichneten im Prozess das Bild eines entwurzelten, einsamen und intellektuell überforderten jungen Familienvaters, der nicht in der Lage war, auf sich selbst aufzupassen. Außerdem hatte Breno mit Depressionen und einem handfesten Alkohol- und möglicherweise auch Tablettenproblem zu kämpfen. Seine Aussage, er habe Tabletten aus dem Medizinschrank des FC Bayern mitgehen lassen, führten zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bei seinem Ex-Verein - wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz.
Zuletzt bescheinigte der Aachener Psychiater Henning Saß Breno eine "noch nicht sehr gut gefestigte, unreife Persönlichkeit". Denn er hat nie etwas anderes gelernt, als Fußball zu spielen. Die Schule verließ er ohne Abschluss. "Er hat nichts außer Familie und Fußball", sagte sein Anwalt. Die Haftstrafe bedeute für ihn "die Amputation eines seiner Standbeine". "Geben sie Breno eine Chance", bat Anwalt Leitner, der einen Freispruch oder - alternativ - eine milde Bewährungsstrafe gefordert hatte. Staatsanwalt Nikolaus Lanz forderte in seinem Plädoyer fünf Jahre und sechs Monate Haft.
In der Familie, auch das wurde im Prozess klar, hatte wohl Brenos deutlich ältere Frau Renata das Sagen - und sein ehemaliger Manager, der vor der Hochzeit eine Beziehung zu ihr hatte. Breno sei "der Schwächste in dieser eigenartigen Dreier-Konstellation" gewesen, sagte Gutachter Saß.
Giovane Elber: FC Bayern kümmert sich nicht genug um Integration junger Spieler
In der Nacht auf den 20. September wurde ihm dann wohl alles zu viel. "Er wurde ein Anderer an diesem Tag", sagte seine Frau einer Vertrauten laut Telefonprotokoll. Und: "Satan hatte schon von seinem Körper Besitz ergriffen." Vor Gericht erschien sie nicht - auch nicht zur Urteilsverkündung. Um Breno zu unterstützen, saß in den ersten Prozesstagen Ex-Bayern-Profi Giovane Elber mit im Gerichtssaal. Er warf damals auch dem FC Bayern vor, sich nicht genügend um die Integration junger Spieler zu bemühen. "Der Junge ist hier ja ganz allein." Beim überraschend schnellen Urteil am Mittwoch war allerings selbst Elber nicht mehr da.
Richterin Datzmann sagte in der Urteilsbegründung, dass die Fallhöhe natürlich ungeheuer groß sei. Aber deshalb verdiene Breno noch keine Sonderbehandlung. Sie sagte: "Der Angeklagte hat mit dieser Tat eine sehr schwere Schuld auf sich geladen" Und: "Da gibt es Leute mit sehr viel schwierigeren Situationen, mit weniger Geld und weitaus weniger öffentlicher Aufmerksamkeit." dpa