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Boxen: Tina Rupprecht siegt nach Punkten: Der WM-Gürtel bleibt in Augsburg

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Tina Rupprecht siegt nach Punkten: Der WM-Gürtel bleibt in Augsburg

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    Die neue und alte Weltmeisterin: Die Augsburgerin Tina Rupprecht gewann ihren WM-Kampf in Hamburg nach Punkten. Zur Belohnung gab es eine XXL-Champagnerflasche und den Gürtel des Verbands WBC.
    Die neue und alte Weltmeisterin: Die Augsburgerin Tina Rupprecht gewann ihren WM-Kampf in Hamburg nach Punkten. Zur Belohnung gab es eine XXL-Champagnerflasche und den Gürtel des Verbands WBC. Foto: Tay Duc Lam, Witters

    „Jetzt wird dann aber gefeiert“, sagt Tina Rupprecht, die auf einem schwarzen Plastikstuhl sitzt. Sieg nach Punkten. WM-Titel verteidigt. Es ist 1 Uhr, Sonntagmorgen. Draußen weht regenkalter Wind durch den menschenleeren Hamburger Fischmarkt. In den Haaren über Rupprechts linkem Auge klebt Blut. Kopfstoß in der vierten Runde.

    Mit sieben Stichen nähen die beiden Ringärzte den Cut. Ein Betreuer leuchtet mit der Lampe seines Smartphones. Daneben räumen Techniker Kabelrollen in Kisten. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Zwei Freundinnen der alten und neuen Weltmeisterin haben sich an den Sicherheitsleuten vorbei gemogelt, knien auf dem Boden und reden auf sie ein. Irgendjemand hat Bier organisiert. Im Hintergrund wartet ein Herr im Anzug. Gegeltes Haar, Plastikbecher in der Hand. Dopingkontrolle.

    Til Schweiger verfolgte den Kampf im Zuschauerbereich

    Als vorletzten Kampf des Abends hatten die Organisatoren der Box-Gala German Edition Rupprechts Duell um den Weltmeister-Gürtel der WBC im Minimumgewicht gesetzt. Den Hauptkampf der Veranstaltung bestritt Jürgen Brähmer, der Jürgen Doberstein K.o. schlug. 1800 Zuschauer waren ins Kreuzfahrtterminal Hamburg-Altona gekommen, darunter Schauspieler Til Schweiger.

    Hinten im Aufwärmbereich ist von dem ganzen Trubel nichts zu merken. Hellgrüner Linoleumboden. Waschbeton an den Wänden. Neonlicht an der Decke. Vor fünf Stunden war Rupprecht hier entspannt rein spaziert. Smalltalk mit ein paar anderen Boxern. Kurzer Blick in die Halle. Dann ist alles Routine. Die Knöchel an den Händen werden bandagiert. Ein Offizieller des WBC und ein Trainer der Gegnerin schauen zu um sicher zu gehen, dass keine harten Gegenstände unter die Handschuhe geschmuggelt werden. Aufwärmen. Handschuhe anziehen, ebenfalls unter Aufsicht. Die Abklebungen werden versiegelt. Erst nach dem Kampf dürfen sie wieder geöffnet werden. Ein paar schnelle Schlagabfolgen mit Trainer Alexander Haan. Spätestens jetzt ist aus der Grundschullehrerin mit erstem Staatsexamen die Boxerin mit WM-Gürtel geworden. Ruhig, konzentriert, entschlossen.

    „Alles andere als Fallobst“ war nach Einschätzung von Rupprechts Coach Alexander Haan die Spanierin Catalina Diaz (links).
    „Alles andere als Fallobst“ war nach Einschätzung von Rupprechts Coach Alexander Haan die Spanierin Catalina Diaz (links). Foto: Witters

    „Ich gehe nicht in den Ring und sage mir: Die andere haue ich jetzt aus den Schuhen. Ich habe einen Plan und den versuche ich durchzuziehen – komme was wolle“, sagt sie später, als klar ist, dass der Plan aufgegangen ist. Runde um Runde hat Rupprecht gepunktet gegen die Spanierin Catalina Diaz. Die allerdings war nicht als Fallobst nach Hamburg gereist. Ganz im Gegenteil. „Sie war ein harter Brocken“, sagt Trainer Haan.

    „Aber wir haben sie gut studiert im Vorfeld, wir hatten die richtigen Antworten.“ Das Urteil der Punktrichter nach zehn Runden ist einstimmig. Rupprecht war die bessere Boxerin. Im Ring sagt sie, dass sie sich jetzt einen Vereinigungskampf wünscht. Sie will dem Gürtel der WBC den eines anderen großen Verbandes hinzufügen.

    Rupprechts Team war während des Kampfes damit beschäftigt, die Blutung zu stoppen

    Gerade aber sitzt die 27-Jährige in dem Raum mit hellgrünem Linoleumboden und hat Schmerzen. „Einmal müssen wir noch“, sagt der Arzt und zieht den Faden durch die Kopfhaut. Während des Kampfs hatte Cutman Thilo Kudler alle Hände voll damit zu tun, die Blutung in den Pausen immer wieder zu stoppen. Sein Rezept: „Eine Mischung aus Adrenalin, Vaseline, Kälte und Druck. Das ist ordentlich aufgeplatzt.“

    Endlich ist die Tortur beendet. In der Ecke steht die XXL-Champagnerflasche, die es für den Sieg gab. 400 Euro soll sie wert sein. Erst einmal gibt es Wasser und Bier. Der Dopingkontrolleur wartet. Alle anderen warten mit. Haan ist auf einem der Stühle in sich zusammen gesunken und gähnt. Bis 4 Uhr morgens habe er schon mal gewartet, erzählt er. Ein Freund zeigt ein Selfie mit sich und Til Schweiger herum, Schweiger schaut sehr ernst. Dann ist auch der Becher gefüllt. 1.30 Uhr. Nur Duschen darf die Weltmeisterin mit der frisch genähten Platzwunde noch nicht, sagt der Arzt. „Egal, ich lasse den Trainingsanzug an. Ich will jetzt was trinken. Schlafen kann ich heute Nacht eh nicht, viel zu viel Adrenalin.“ Unter Rupprechts linkem Auge blüht ein Veilchen auf, „das war eine Linke in der siebten Runde“. In der großen Halle zerlegen Monteure gerade den Ring, andere räumen die Stühle zusammen. Draußen rollt ein Laster mit frischem Fisch vorbei. Sonntags ist Markt.

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