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"Bomber der Nation": Gerd Müller wird 70: (K)ein Tag wie jeder andere

"Bomber der Nation"

Gerd Müller wird 70: (K)ein Tag wie jeder andere

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    Er gilt als "Bomber der Nation". Gerd Müller (links) schoss 1974 das entscheidende Tor und machte Deutschland zum Weltmeister.
    Er gilt als "Bomber der Nation". Gerd Müller (links) schoss 1974 das entscheidende Tor und machte Deutschland zum Weltmeister. Foto: Werner Baum/dpa

    „Bescheiden und bodenständig, so isch der Gerd“, sagt Wolfgang Gerstmeier im Rieser Dialekt über seinen väterlichen Freund. Er wiederholt diesen Satz in Gesprächen häufiger. Heute, am 70. Geburtstag des „Bombers der Nation“, sei er glücklich und traurig zugleich. Glücklich für den Gerd, traurig über die Umstände. Als Müllers Alzheimer-Erkrankung vor einigen Wochen bekannt wurde, schlug das hohe Wellen. Gerstmeier, der wie Müller aus Nördlingen stammt, wusste schon länger Bescheid. Er hofft, dass es seinem Freund in diesen Tagen gut geht in seiner Welt.

    Diese Welt ist nicht mehr so groß wie einst. Der ehemalige Weltklassestürmer lebt jetzt in einem Pflegeheim nahe München. Gerstmeier gehört zu dem kleinen Kreis von Freunden, die ihn besuchen dürfen. Erst im August war er dort, gemeinsam mit Hermann Gerland, dem jetzigen Co-Trainer des FC Bayern. „Er hat mich noch erkannt“, sagt Gerstmeier. Aber der Gerd sei nicht mehr derselbe gewesen wie früher. „Sein Blick war anders. Er wirkte abwesend“, beschreibt er das Treffen. „Aber die Bomber-Wadeln hat er noch.“

    Gerstmeier über Müller: "Er ruhte sich nie auf seinem Namen aus"

    Gerd Müller und Wolfgang Gerstmeier verbindet seit 1992 eine enge Freundschaft. Der heute 47-jährige Gerstmeier spielte damals als Fußballprofi unter Müller und Gerland bei den Amateuren des FC Bayern. Müller war der Assistent Gerlands. Er begann seine Trainertätigkeit, als Gerstmeier nach München wechselte. Im Trainingslager in Venezuela freundeten sich die beiden Rieser an, spielten Schafkopf und redeten viel über Fußball. „Wir waren beide neu in der Mannschaft und lagen durch unsere Nördlinger Vergangenheit sofort auf einer Wellenlänge“, erinnert sich Gerstmeier.

    Die beiden trafen sich regelmäßig zum morgendlichen Kaffee, unterhielten sich über Fußball und gingen anschließend gemeinsam zum Training. „Der Gerd war ein Gewohnheitstier. Er hatte immer denselben Tagesablauf: Morgens Kaffeetrinken, dann Training, dann eine Runde Tennis, gefolgt vom Abendessen und noch mehr Fußball im Fernsehen“, schildert Gerstmeier. Ein gewohntes Umfeld sei Müller sehr wichtig gewesen. Vor Auftritten in der Öffentlichkeit habe es ihm dagegen immer gegraust.

    Auch nach Gerstmeiers Karriere-Ende als Profifußballer im Jahr 1999 blieben die beiden in Kontakt, telefonierten regelmäßig und spielten einmal in der Woche Tennis. „Das war kein Spaß. Der Gerd hat mich eine Stunde lang niedergeschossen“, erzählt Gerstmeier. Von über 50 Spielen habe er vielleicht mal einen Satz gewonnen. „Tennis war nach dem Fußball seine zweite Leidenschaft. Der Gerd war für sein Alter noch unheimlich fit, schnell auf den Beinen und konnte vor allem eins nicht: verlieren.“ Als Gerstmeier vor ein paar Jahren ein Sportgeschäft nahe Nördlingen eröffnete, war Gerd Müller da und unterstützte seinen Freund. „Der Gerd war so zuverlässig und korrekt. Er lebte den Moment und ruhte sich nie auf seinem Namen aus“, beschreibt Gerstmeier.

    Über die Vergangenheit habe Müller kaum gesprochen, geschweige denn damit geprahlt. Dabei hätte es genug Gründe zum Prahlen gegeben: Weltmeister, Europameister, dreimal Europapokalsieger und viermal deutscher Meister. Dazu Tore wie am Fließband, unter anderem das Tor, das Deutschland 1974 zum zweiten Mal zum Weltmeister machte.

    Gerd Müller verbrachte seine Jugend in Nördlingen

    Müller sei trotz dieser Erfolge immer auf dem Boden geblieben, sagt auch sein Jugendfreund Helmut Wurm. Er nennt Müller liebevoll „Hadde“, abgeleitet vom Vornamen Gerhard. Wurm wohnt noch in Müllers Heimatstadt Nördlingen. Hier liegen die Wurzeln von Müllers Bescheidenheit. In einem kleinen, schlichten Fachwerkhaus mit der Anschrift „Am Stänglesbrunnen 6“ wuchs er auf. In den engen Gassen der mittelalterlichen Stadt lernte der spätere Torjäger das Fußballspielen. Wurm und Müller gingen zusammen in die Schule. Oft kam Müller nach dem Unterricht zu den Wurms zum Essen vorbei. „Wir haben ihn immer eingeladen, wenn es Kartoffelsalat gab. Den mochte der Hadde ganz besonders gern“, erzählt Wurm. Die beiden Jugendfreunde genossen eine konservative Erziehung, gingen gemeinsam durch die Pubertät und machten ihre ersten Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht. „Wir waren beide spätentwickelt, die Mädchen waren uns weit überlegen. Außerdem war Fußball für den Hadde wichtiger als alles andere“, erinnert sich Wurm.

    Aber während der Jugendjahre in Nördlingen konnte noch niemand ahnen, welche Karriere der Bursche mit den muskulösen Oberschenkeln und Waden hinlegen würde. Der durch den Straßenfußball abgehärtete Müller trat im Jahr 1958 dem TSV Nördlingen bei. Sein damaliger Jugendtrainer Kurt Tahedl wusste bereits nach wenigen Trainingseinheiten, dass ein besonderes Talent in dem gelernten Spinner schlummerte: „Er konnte wie kein Zweiter den Ball kontrollieren und hatte einfach diesen unnachahmlichen Torinstinkt. Solche Torjäger kann man nicht züchten.“

    Deshalb konnte ihn der TSV Nördlingen 1964 nicht mehr halten. München lockte. Gerd Müller wechselte 1964 zum damals zweitklassigen FC Bayern. Der Beginn einer großen Erfolgsgeschichte. Gerd Müller wurde zum wahrscheinlich besten Stürmer aller Zeiten. Der Ruhm ist geblieben. Weltweit werden heute viele Fußballfans an den „Bomber“ denken. Was macht der Jubilar selbst? „Seine Frau Uschi wird den Tag für ihn so normal wie möglich gestalten“, sagt Gerstmeier. Und überhaupt: „Wenn der Gerd noch gesund gewesen wäre, dann hätte er auch keine große Nummer aus seinem Geburtstag gemacht.“

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