Diesen Zieleinlauf wird Philipp Nawrath nicht so bald vergessen. Tausende Zuschauer feiern den Biathleten mit Jubelschreien und Fanfaren, nachdem er die Linie der Chiemgau Arena überquert. Nur kurz sinkt er in den Schnee, steht auf und klatscht seinerseits dem Publikum Beifall. "Das war ein überragendes Gefühl. Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch so gefeiert werde", sagt der 26-Jährige. Als 77. war er im 10-Kilometer-Sprint der Männer gestartet und läuft das beste Weltcup-Rennen seiner noch jungen Karriere. Mit dem siebten Platz sichert sich der Sportler vom SK Nesselwang zugleich die Fahrkarte für die Weltmeisterschaft Mitte Februar in Antholz. "Genial, das hätte ich mir nie erträumt."
Mit null Schießfehlern legt der Allgäuer die Basis. Nach dem Stehend-Anschlag liegt er nur 1,6 Sekunden hinter dem späteren Sieger Martin Fourcade. Den Einbruch auf der letzten der jeweils 3,3 Kilometer langen Runden erklärt er so: "Ich habe in den ersten beiden Runden die Basis gelegt, dass ich so weit vorne bin. Aber die Anstiege wurden schwerer, der letzte Kilometer war eine harte Nummer."
In der deutschen Männer-Mannschaft herrscht starke Konkurrenz
Nawrath genießt den Auftritt vor 11.500 Zuschauern in vollen Zügen. Endlich durfte sich der Athlet mit der Weltspitze messen. Auch weil er in der zweiten Liga, dem IBU–Cup, zuletzt den Sprint im slowakischen Osrblie gewonnen hatte und dort die Gesamtwertung anführt. In der deutschen Männer-Mannschaft herrscht starke Konkurrenz, der die schwächelnden Stammkräfte Erik Lesser und Simon Schempp zum Opfer fielen. Die beiden Ex-Weltmeister mussten ihre Plätze räumen.
Im vergangenen Sommer hatte Nawrath den Sprung in das Weltcup-Team hauchdünn verpasst und haderte. "Mir fehlten unter dem Strich nur 0,4 Prozent, das ist eine Strafrunde. Das hat mich geärgert, denn sonst hätte ich mit dem Team die komplette Weltcup-Vorbereitung gehabt." Der Qualifikationsmodus des Deutschen Skiverbandes liegt ihm nicht. Die Norm muss im Herbst im Grünen erbracht werden. "Ich habe Probleme auf den Rollerski. Der Schnee ist eher mein Element", erzählt der Nesselwanger, der seinem großen Vorbild Michael Greis nacheifert. Das Schlüsselerlebnis waren die Winterspiele 2006 in Turin, als 3600 Einwohner im Ort ihrem Olympioniken die Daumen drückten. Auch Nawrath: "Mit zwölf Jahren habe ich seine Erfolge am Fernsehen mitverfolgt. Er ist mein Idol." Greis räumte 2006 drei Goldmedaillen ab und kehrte als gefeierter Held in die Heimat zurück. "Da war eine so riesige Euphorie, das hat mich gepackt." Und bis heute nicht losgelassen.
Inzwischen trainiert der dreifache Olympiasieger die polnischen Biathletinnen, aber Greis ist auch so etwas wie der persönliche Coach von Nawrath. "Ich habe mir den Michi als meinen Mann gesucht. Er hat mir in den vergangenen zwei Jahren sehr viel Unterstützung gegeben."
Nawrath hat es seinem Idol Greis gleichgetan
Greis zog als erster Allgäuer vor vielen Jahren in den Stützpunkt nach Ruhpolding. Nawrath hat es seinem Idol gleichgetan und sieht Parallelen zu dem 43-Jährigen: "Er hat es nicht leicht gehabt." Nawrath lebt seit sechs Jahren in Oberbayern. Auch weil der 26-Jährige seine Ausbildung bei der bayerischen Landespolizei in Ainring im gestreckten Modus absolviert. Die gleichen Trainingsumfänge wie die Weltspitze konnte er deshalb nicht leisten. Aber jetzt, mit 26, sei er im besten Biathlon-Alter.
Zunächst konzentriert sich der Allgäuer auf die Rennen in Ruhpolding. Die Verfolgung am Sonntag (14.30 Uhr) ist fest gebucht. Das Personal für die Männer-Staffel, die am Samstag um 14.15 Uhr startet, werden die Trainer erst benennen. Nawrath drängt sich mit Platz sieben für die deutsche Mannschaft auf. Als Saison-Höhepunkt folgt die WM. Der Sprint unter dem Ruhpoldinger Zirnberg hat den Allgäuer seinen Zielen näher gebracht. Männer-Bundestrainer Mark Kirchner jedenfalls ist mehr als zufrieden und platzt in das Interview nach dem Rennen hinein. Kirchner klopft seinem Aufsteiger aus der zweiten Liga mehrmals auf die Schulter: "Sauber Junge, sehr schön, passt." Gleich danach erklärt ihm der Männercoach sein Schussbild und wo er sich noch verbessern kann.