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Biathlon: Olympiasieger Greis verteidigt Nachwuchs gegen Neuner-Kritik

Biathlon

Olympiasieger Greis verteidigt Nachwuchs gegen Neuner-Kritik

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    Olympiasieger Michael Greis bereitet nun die polnischen Biathletinnen auf Olympia 2022 in Peking vor.
    Olympiasieger Michael Greis bereitet nun die polnischen Biathletinnen auf Olympia 2022 in Peking vor. Foto: V. Gundrum, dpa

    In der Vorsaison trainierten Sie noch die USA-Männer, jetzt haben Sie die polnischen Frauen übernommen. Wie sind die ersten Eindrücke?

    Michael Greis: Die Frauen zeigen viel Einsatz und zuletzt beim Weltcup in Oberhof stimmten auch die Resultate. Im Sprint über 7,5 Kilometer liefen Monika Hojnisz-Starega als Achte und Kamila Zuk als Neunte unter die ersten Zehn. Es geht aufwärts.

    Wie lange läuft Ihr Vertrag in Polen?

    Greis:  Das gemeinsame Ziel sind die Winterspiele 2022 in Peking. Aber wir setzen uns nach einem Jahr zusammen und analysieren, wie es gelaufen ist. Danach sieht man weiter.

    Deutschland ist nicht zuletzt durch Ihre Erfolge oder später von Magdalena Neuner oder zuletzt Laura Dahlmeier eine Biathlon-Nation geworden. Wie hoch ist der Stellenwert der Sportart in Polen?

    Greis:  Das kann ich nur schwer einschätzen. Die Frauen investieren viel, studieren teilweise oder sind bei der Armee untergekommen. Im Wintersport sind die Skispringer die Nummer eins, vor allem jetzt mit dem Erfolg von Dawid Kubacki bei der Vierschanzentournee oder davor Kamil Stoch. Insgesamt hat der Sport in Polen einen hohen Stellenwert. Wir Biathleten erhalten eine gute Unterstützung vom Sport- und vom Tourismus-Ministerium.

    Muss man Biathletinnen anders anpacken als Biathleten?

    Greis: Klar, mit Damen spricht man immer anders als mit Männern, aber es kommen weitere Komponenten dazu. Bisher war der polnische Biathlon-Sport eher von osteuropäischen Trainern geprägt. Es hat gewiss ein anderer, eher hierarchischer Führungsstil geherrscht. Ich versuche grundsätzlich, die Sportler im Trainingsprozess mitzunehmen. Eigenverantwortung ist das Stichwort.

    Nach dem Rücktritt von Olympiasiegerin Laura Dahlmeier fehlen den Biathletinnen die Spitzenergebnisse. Hat man sich in Deutschland zu sehr auf Dahlmeier verlassen?

    Greis: Deutschland hatte in den vergangenen 15 bis 20 Jahren immer ausreichend starke Biathletinnen und vor allem auch in einer gewissen Dichte. Als ich in das Weltcupteam gekommen bin, hatten alle Läuferinnen mindestens eine Podiumsplatzierung in ihren Ergebnissen stehen. In der jüngsten Vergangenheit ist die Personaldecke immer dünner geworden. Wenn jetzt eine Siegläuferin wie Laura Dahlmeier ihre Karriere beendet, dann verteilt sich die Last auf immer weniger Athleten. Franziska Preuß hatte zuletzt immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Denise Herrmann ist gut in Form, aber auf ihren Schultern lastet viel Druck. Es ist schwierig, der Erwartungshaltung der erfolgshungrigen Deutschen gerecht zu werden.

    Wie ist die Situation bei den deutschen Männern?

    Greis:  Die deutschen Biathleten sehe ich gut aufgestellt. Arnd Peiffer, Benedikt Doll oder auch Johannes Kühn hatten jetzt schon einige Podestplätze. Philipp Horn ist im Massenstart von Oberhof auf einen guten sechsten Platz gelaufen. Um die Männer muss man sich keine Sorgen machen. Der Austausch zwischen Weltcup und IBU-Cup fördert den Leistungswillen, keiner kann sich ausruhen. Der Allgäuer Philipp Nawrath vom SK Nesselwang bekommt nach seinen starken Leistungen im IBU-Cup in Ruhpolding wieder eine Chance im Weltcup zu starten, das freut mich.

    Die frühere Olympiasiegerin Magdalena Neuner hat die schwachen Resultate bei den Frauen auch mit mangelnder Leistungsbereitschaft erklärt.   Die jungen Athleten seien nicht mehr bereit, „ihr letztes Hemd“ zu geben. Haben Sie ähnliche Beobachtungen gemacht?

    Greis:  Nein. Das sagt man gerne und ist vorschnell mit dem Urteil zur Stelle. Als ich in der Schweiz den Nachwuchs trainiert habe, bekam ich auch von einigen Kritikern zu hören, dass die Jugend ihre Komfortzone nicht verlassen will. Das mag vielleicht für andere Bereiche gelten, im Sport habe ich andere Erfahrungen gemacht. Viele Biathleten wollen ihren Sport für mein Gefühl fast schon zu professionell betreiben und kennen nichts darüber hinaus.

    Beide Olympiasiegerinnen, Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier, haben mit 25 Jahren die Ski sehr frühzeitig in die Ecke gestellt. Ist das Zufall oder ist beiden der Rummel um ihre Person über den Kopf gewachsen?

    Greis: Beide haben aufgehört, bevor sie ihren Zenit erreicht haben. Andere Konkurrentinnen, die ebenfalls erfolgreich gewesen sind, haben länger durchgehalten. Aber das muss jeder für sich entscheiden. Mag sein, dass ihnen der Rummel zu groß geworden ist. Andererseits sind sie in den Medien als Expertinnen immer noch im Biathlon präsent. Deshalb tue ich mir mit diesem Argument etwas schwer. Die Sportler, die sich heute beschweren, sollten innehalten und mal sehen, wo der Biathlon vor 20 Jahren war. Die Preisgelder haben sich erhöht, in Ruhpolding jubeln einem 20000 Menschen zu und das Fernsehen überträgt die Rennen live. Davon profitieren wir alle.

    Zur Person:Michael Greis hatte bei den Winterspielen in Turin 2006 Gold in Einzel, Massenstart und Staffel gewonnen und ist bis heute der letzte deutsche Gesamtweltcup-Sieger (2007). Der 43-Jährige aus Nesselwang lebt in München.

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