Es war Ende Juli am Augsburger Eiskanal: Claudia Bär sah als Zuschauerin wie ihr Lebensgefährte Sideris Tasiadis bei der deutschen Kanuslalom-Meisterschaft mit dem Sieg im Canadier-Einer seine Ausnahmerolle in dieser Disziplin bestätigte. Claudia schloss ihren „Sidi“ in die Arme und strahlte. Die 35-Jährige wirkte zerbrechlich, aber auch fröhlich, wie es ihre Art war. „Sie war fest davon überzeugt, dass es aufwärts geht“, erinnert sich Olympiasiegerin Elisabeth Micheler-Jones.
Nach zwei Stammzellen-Transplantationen und einer fast zweijährigen Leidenszeit mit all den Schmerzen der Leukämie-Behandlung schmiedete Bär wieder Zukunftspläne. Sie wollte Sideris bei der Slalom-WM im September die Daumen drücken und als Nachwuchstrainerin bei ihrem Verein Kanu Schwaben arbeiten. Aber dazu kam es nicht. Im August erlitt sie einen Rückschlag, musste in die Uniklinik nach Ulm, am Montag ist die Kajak-Europameisterin von 2011 gestorben.
Vorbild für viele Nachwuchskanuten
Sideris Tasiadis informierte die engsten Freunde, die Kanu-Familie ist im Schockzustand. Die Schwaben haben nicht nur eine Weltklassekanutin, sondern auch eine Sportlerin verloren, die mit ihrer Ausstrahlung und ihrem Wissen im Verein viele Impulse gab. „Claudia war seit 25 Jahren Mitglied bei uns“, sagt der erschütterte Abteilungsleiter Horst Woppowa.
Elisabeth Micheler-Jones betont, dass Bär ein Vorbild für viele Talente gewesen ist. Sie haben bei ihr Paddeln gelernt. „Claudia war aber auch eine Kämpferin.“ Enttäuschungen in ihrer Karriere steckte sie weg und belohnte sich 2011 im spanischen La Seu d’Urgell mit EM-Gold.
Vor zwei Jahren gewann sie bei der Weltmeisterschaft in Prag Mannschaftssilber mit dem deutschen Kajak-Team. „Aber ich hatte schon damals stechende Schmerzen in den Beinen“, schilderte sie später die ersten Anzeichen ihrer Krankheit. Im Oktober 2013 teilten ihr die Ärzte die erschütternde Diagnose mit. „Frau Bär, sie haben Leukämie.“ Die Slalomkanutin war geschockt, aber sie konnte auf die Hilfe ihres Umfelds bauen. Ihr Freund Sideris Tasiadis – Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 2012 in London – war ebenso ein wichtiger Halt wie die Familie, wenn Chemotherapien und Bestrahlungen den Körper bis aufs Äußerste strapazierten.
Zuversicht nach Stammzellen-Transplantation
Den 13. Februar 2014 hielt Claudia Bär für ihren „zweiten Geburtstag“. Die Stammzellen ihres Bruders Fabian entfalteten positive Wirkung. Die Patientin genoss nach vielen Monaten im Krankenhaus die Tage mit Sidi, Hund Milou und Katze Lili im heimischen Kissing. Claudia Bär kam in den Wochen danach wieder zu Kräften, die Zuversicht wuchs – bis die Krankheit im Sommer wieder die Oberhand gewann.
Die Kajakfahrerin musste in die Klinik, ihre Kollegen dokumentieren beim Weltcup in Augsburg plakativ ihre Unterstützung. „We fight for you“ – wir kämpfen für Dich“, stand auf den roten T-Shirts, die an der Strecke verteilt wurden. Sideris Tasiadis war am Krankenbett von Claudia. Um seiner Freundin beistehen zu können, verzichtete der Canadierfahrer auf die WM in den USA. Nach einer weiteren Stammzellen-Transplantation zeigte Claudia Bär neuen Kampfgeist – und war dann doch mit ihren Kräften am Ende.
Der Trauergottesdienst findet am 17. Oktober, 10.30 Uhr in der Emmaus-Kirche in Kissing statt.