Fünf Jahre nach dem Tod von Robert Enke hat auch Ex-Profi Andreas Biermann den Kampf gegen seine Depressionen verloren. Der ehemalige Fußballprofi des FC St. Pauli und 1. FC Union Berlin ist am Freitag im Alter von 33 Jahren gestorben. Nach Angaben seines letzten Vereins FSV Spandauer Kickers 1975 hat sich der ehemalige Profi das Leben genommen. „Wir sind tief geschockt“, sagte Kickers-Geschäftsführer Günter Hagedorn.
Biermanns Innerstes blieb auch den Kollegen verborgen
Profis mit Burn-Out oder Depressionen
Sebastian Deisler: Der Fußballspieler des FC Bayern München ließ sich 2003 wegen anhaltender Depressionen stationär behandeln. 2007 beendete Deisler wegen Verletzungen und dem Druck im Fußball-Geschäft seine Karriere im Alter von 27 Jahren.
Jan Simak: Der Fußball-Profi galt einst als Wunderknabe. Er wurde von Bayer Leverkusen als Nachfolger von Michael Ballack verpflichtet. Den Erwartungen in ihn wurde Simak allerdings nie gerecht. Er zog sich 2003 - mittlerweile ausgeliehen an Hannover 96 - wegen einem Erschöpfungssyndrom in Verbindung mit schweren Depressionen zurück. Simak hatte auch Probleme mit Alkohol. Seit einem Entzug zeigt Simak wieder passable Leistungen. Momentan spielt er bei Carl Zeiss Jena.
Gianluigi Buffon: In den Jahren 2003 und 2004 litt der italienische Nationaltorhüter an starken Depressionen. Mittels Therapie zog sich Buffon aus dem Tief.
Robert Enke: Der Nationaltorhüter und Spieler von Hannover 96 litt seit 2003 an starken Depressionen. Er ließ sich immer wieder therapeutisch behandeln. Einen Erfolg hatte die Behandlung allerdings nicht. Robert Enke nahm sich am 10. November 2009 das Leben.
Andreas Biermann: Am 20. November 2009 gab der Profi von St. Pauli bekannt, dass er wie Enke an Depressionen leidet und sich stationär behandeln lässt. Biermann hatte im Oktober versucht, sich das Leben zu nehmen. Er überlebte. Mittlerweile spielt der 30-Jährige für den FC Spandau 06, weil St. Pauli seinen Vertrag nicht mehr verlängerte.
Markus Miller: Der ehemalige FCA-Torhüter gab im September 2011 bekannt, dass er an einem angehenden Burnout leidet. Er will die Krankheit mit Hilfe einer stationären Therapie in den Griff bekommen. Miller setzte bewusst die Öffentlichkeit über seine Krankheit in Kenntnis.
Ralf Rangnick: Der Fußball-Trainer von Schalke 04 legte am 22. September 2011 seine Arbeit beim Bundesligisten nieder. Rangnick äußerte sich in der Öffentlichkeit, dass er momentan nicht die Kraft für eine solche Aufgabe hat. Rangnick zieht sich mit einem Erschöpfungssyndrom aus dem aktiven Profi-Geschäft zurück.
Sven Hannawald: Der ehemalige Olympia-Sieger im Skisprung beendete im Jahr 2005 seine aktive Karriere. Ein Jahr zuvor begab sich die damalige Nummer eins im Skisport in stationäre Behandlung wegen eines Burnout-Syndroms. Nach erfolgreicher Therapie wendete sich Hannawald vom aktiven Leistungssport ab.
Florian Mayer: Der Profi-Tennisspieler legte im Jahr 2008 eine sechsmonatige Pause vom Profi-Sport ein. Erst im Jahr 2011 gab Mayer bekannt, dass er sich in dieser Zeit in einem tiefen mentalen Loch befand. Mittlerweile hat Mayer aber seinen Burnout überwunden und ist ins Profi-Tennis zurückgekehrt.
Biermann litt seit mehr als zehn Jahren an Depressionen und hatte nach dem Suizid des früheren Nationaltorwarts Robert Enke seine Krankheit im November 2009 öffentlich gemacht. In Fußballer-Kreisen hat der Tod Biermanns Trauer und Entsetzen ausgelöst. „Das ist schrecklich. Mir fehlen die Worte“, bekannte Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußball-Verbandes. „Mir fällt kein Patentrezept ein, wie solchen Menschen besser zu helfen ist. Man muss ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken, aber reinschauen kann man nicht in ihr Innerstes“, fügte der BFV-Chef hinzu.
Andreas Rettig: "Bin furchtbar erschrocken"
2007 hatte Biermann ein einwöchiges Probetraining beim damaligen Zweitligisten FC Augsburg absolviert. Andreas Rettig war damals FCA-Manager. „Ich bin furchtbar erschrocken, als ich davon gelesen habe“, sagte er gestern gegenüber unserer Zeitung. Inzwischen ist Rettig Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL). „Dem Thema Psyche müssen wir uns weiter stellen. Auch die jungen Spieler müssen schon mit einem unglaublichen Druck umgehen. Da müssen wir uns kritisch hinterfragen.“
Auch Biermanns Ex-Vereine Union und St. Pauli reagierten umgehend. „Er hat sich lange und mutig gegen seine Krankheit gestemmt, aber er konnte den Kampf nicht gewinnen. Wir sind geschockt und traurig. Unsere Anteilnahme und unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen von Andreas Biermann“, teilte Union-Präsident Dirk Zingler mit. Für die „Eisernen“ hatte Biermann 2006/2007 in der Regionalliga 29 Punktspiele bestritten. „Ruhe in Frieden, mein Biere“, schrieb St. Pauli-Urgestein Fabian Boll auf seiner Facebook-Seite. „Unser Mitgefühl gehört seiner Familie, der wir in dieser schweren Zeit viel Kraft wünschen“, hieß es vom Hamburger Verein.
Ex-Profi Biermann hatte nach wie vor Suizidgedanken
Biermann war 2008 von Tennis Borussia zum Kiezklub gekommen und absolvierte dort zehn Zweitliga-Spiele. Für Schlagzeilen hatte Biermann gesorgt, als er im November 2009 nach dem tragischen Tod von Enke und im Februar 2012 insgesamt drei Suizidversuche öffentlich gemacht hatte. „Die Suizidgedanken habe ich nach wie vor, ich fühle mich sehr schlecht...“, hatte Biermann vor zweieinhalb Jahren via Facebook der Öffentlichkeit mitgeteilt und sich in eine Therapie begeben. Neben den bekannten Depressionen gebe es auch andere Gründe, die er aber zum Selbstschutz nicht erläutern wolle, bekannte er damals.
Suizide im Spitzensport
November 1992 - Hubert Schöll: Der frühere HSV-Profi (46) erschießt sich auf einem Kinderspielplatz in Fürth. Schulden trieben ihn in den Tod.
Mai 1994 - Luis Ocaña: Spaniens Radsportidol erschießt sich mit 48 Jahren in seinem Haus in Südfrankreich. Er war schwer krank.
Mai 1998 - Justin Fashanu: In einer Londoner Garage erhängt sich der frühere englische Fußball-Profi (37), der sich 1990 in England in der Presse als homosexuell outete. Wegen sexueller Misshandlung eines Minderjährigen wurde er mit internationalem Haftbefehl gesucht.
Mai 1999 - Sven Meyer: Aus Liebeskummer erschießt sich der deutsche Eiskunstlauf-Meister von 1998 mit 21 Jahren in Berlin.
März 2000 - Alban Wüst: Der frühere Schalke-Profi (52) nimmt sich das Leben. Er hatte zwischen 1969 und 1971 32 Spiele für Schalke 04 absolviert.
April 2008 - Steffen Krauß: Der frühere DDR-Fußball-Nationalspieler (43) springt aus dem sechsten Stock einer Klinik in den Tod. Er lag dort wegen schwerer Verbrennungen, die er bei einer Explosion in seiner Schmiede erlitten hatte.
Juni 2008 - Adam Ledwon: Bayer Leverkusens früherer Mittelfeldspieler (34) nimmt sich in Österreich das Leben. Zuletzt hatte der polnische Fußball-Profi für den Erstligisten Austria Kärnten gespielt.
Februar 2009 - Christophe Dupouey: Der frühere Mountainbike-Weltmeister (40) nimmt sich das Leben. Wegen Dopings war der Franzose zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Zuletzt leitete er einen Fahrradverleih.
Februar 2009 - Mike Whitmarsh: In der Garage eines Freundes tötet sich der amerikanische Beachvolleyballer mit Auspuffgasen. Der 46-Jährige hatte bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 die Silbermedaille gewonnen.
Juli 2009 - Arturo «Thunder» Gatti: Der Ex-Box-Weltmeister (37) erhängt sich in seinem Ferienappartement im brasilianischen Küsten-Nobelort Porto de Galinhas. Der Italo-Kanadier stand unter Alkoholeinfluss.
September 2009 - Darren Sutherland: Der irische Boxer, Bronzemedaillen-Gewinner der Olympischen Spiele 2008 in Peking, erhängt sich mit 27 Jahren in seiner Londoner Wohnung.
November 2009 - Dimitri De Fauw: Der belgische Radprofi (28) nimmt sich mit 28 Jahren das Leben. Seit einem tragischen Unfall 2006 soll er unter Depressionen gelitten haben.
November 2009 - Robert Enke: Der deutsche Fußball-Nationaltorwart lässt sich mit 32 Jahren an einem Bahnübergang bei Hannover von einem Zug überrollen. Er litt an schweren Depressionen.
April 2011 - Der ehemalige Fußballer Cheung Sai-ho (35) springt in Hongkong nach einem Ehestreit in den Tod. Der Ex-Nationalspieler sorgte 1993 für einen Weltrekord, als er bei einem Junioren-Turnier in England nach nur 2,8 Sekunden ein Tor erzielte.
Juli 2014 - Der ehemalige Fußballprofi Andreas Biermann nimmt sich im Alter von 33 Jahren das Leben. Es war bekannt, dass der ehemalige FC St. Pauli-Spieler an Depressionen litt.
Für seine Teamkollegen bei seinem früherem Klub FC Spandau 06, die täglich mit ihm auf dem Trainingsplatz standen, waren diese Einblicke in Biermanns Leben vor allem deshalb so überraschend gekommen, weil er sich auf dem Sportplatz vorbildlich verhalten habe. Rüdiger Bienert, der Vorsitzende des Vereins, hatte aber schon damals eingeräumt: „Wir konnten nie hinter die Kulissen schauen. Er war keiner, der eingestanden hätte: Jetzt bin ich am Ende meiner Kräfte.“
Biermanns Bekenntnis
Biermann hatte auf einer Pressekonferenz 2009 die Hoffnung geäußert, dass das Öffentlichmachen seines Suizidversuchs dazu beitrage, die Erkrankung zu enttabuisieren. Danach war er Gast in Talkshows wie „Beckmann“ oder „Lanz“ und sprach über seine Krankheit. Mit der Veröffentlichung seiner Handy-Nummer auf seiner Homepage hatte er alle Betroffenen aufgefordert, mit ihm in Kontakt zu treten. In seiner 2011 gemeinsam mit Rainer Schäfer veröffentlichten Autobiografie „Rote Karte Depression“ gab er allerdings zu, sein Bekenntnis bereut zu haben, weil er deshalb seinen Job verlor und zudem nicht die erhoffte Unterstützung fand. (dpa/wla)