Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

American Football: Super Bowl - Das Spiel mit dem Patriotismus

American Football

Super Bowl - Das Spiel mit dem Patriotismus

    • |
    Und immer beginnt der Super Bowl vor den Augen aller Welt mit einer Art Schwur auf die Fahne: In Houston sang Country-Star Luke Bryan die US-Hymne – natürlich höchst andächtig.
    Und immer beginnt der Super Bowl vor den Augen aller Welt mit einer Art Schwur auf die Fahne: In Houston sang Country-Star Luke Bryan die US-Hymne – natürlich höchst andächtig. Foto: Tom Pennington, afp

    Das Ergebnis scheint eindeutig: Die Patrioten haben gewonnen, und ihr Besitzer, ihr Trainer und ihr Star, sie sind Freunde von Donald Trump, der natürlich wiederum Fan der Patrioten ist. Aber die mit hunderten Millionen Zuschauern weltweit größte aller Bühnen, die globale Live-Übertragung des amerikanischen Football-Finales haben auch Kritiker des Präsidenten und seiner Politik genutzt.

    Eher künstlerisch und subtil fiel die Kritik der Sängerin Lady Gaga aus, die ja Trumps Konkurrentin Hillary Clinton im Wahlkampf unterstützt hatte und nun, zum Auftakt des Halbzeit-Spektakels, Irving Berlins patriotischen Klassiker „God Bless America“ mit Woody Guthries Demokraten-Folk „This Land Is Your Land“ anreicherte, bevor sie sich vom Stadiondach auf die Showbühne in dessen Mitte stürzte. Überraschend deutlich und engagiert meldeten sich namhafte US-Unternehmen wie Coca-Cola, Budweiser und Airbnb zu Wort, die die teuersten Werbeplätze der Fernsehwelt für Bekenntnisse zu Vielfalt und Toleranz nutzten – und damit gegen Trumps Dekrete wie das Einreiseverbot für viele Muslime und den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko. Schließlich, völlig schnörkellos, tanzte auch noch einer der Patrioten aus der Reihe: Der dunkelhäutige Spieler Martellus Bennett sagte nach dem Triumph, auf die Ehrung im Weißen Haus werde er verzichten: Trump, nein Danke!

    Beyoncé kritisiert Trump offen beim Super Bowl

    Es ist die Fortsetzung einer langen Tradition der Vermischung von Sport und Politik in einer zunehmend gespaltenen Nation. Im vergangenen Jahr hatte Superstar Beyoncé in der Halbzeit-Show durch ihr Bekenntnis zur Black-Lives-Matter-Bewegung für Furore gesorgt, samt Rückbezug auf die Black-Panther-Rebellen – und in der unnachahmlich amerikanischen Melange aus Pop und Pathos. Die heikelste Stelle für eine solche Kritik aber ist die Keimzelle der patriotisch gefärbten Leibesertüchtigungen: die Nationalhymne.

    Zu ihr legen bei jedem einzelnen Ligaspiel in Baseball oder Football, Eishockey oder Basketball für gewöhnlich alle Spieler und das gesamte Publikum die Hand aufs Herz, bis hinunter zum kleinsten Lokalderby in einer niedrigen Collegeliga mit vielleicht zwei Dutzend Angehörigen der Teams auf den Rängen; zu ihr reckten einst die Panther bei Olympia ihre kämpferische Faust; und als eine Reaktion auf sie spaltete sie eben nun auch in dieser Football-Saison die Nation.

    Der Spielmacher aus San Francisco 49ers, Colin Kaepernick, verweigerte die Andachtsgeste und blieb einfach sitzen, weil er in Zeiten etwa von eskalierender Polizeigewalt gegen Schwarze eben nicht stolz sein könne auf diese USA – ein Football-Spieler quasi in bester Tradition von Henry David Thoreaus „Zivilem Ungehorsam“. Woraufhin da noch Präsidentschaftskandidat Donald Trump wütete, dann solle Kaepernick aber auch aus diesem Land verschwinden – und Amtsträger Barack Obama erklärte, der Sportler nehme halt sein verfassungsmäßiges Recht auf freie Meinungsäußerung wahr.

    Die Nationalhymne bleibt beim Super Bowl unangetastet

    Hätte San Francisco im Super Bowl gestanden, es hätte zum Tabubruch kommen können. Denn bei aller inzwischen üblichen Kritik auf dieser Bühne – das Heiligtum Hymne ist hier bislang unangetastet. Wie Country-Star Luke Bryan dieses Mal in Houston, sang noch jeder Künstler sein „The Star-Spangled Banner“ bislang ehrfürchtig und andächtig, auch Lady Gaga, auch Beyoncé. Unvergessen noch heute, nach 27 Jahren, in den USA jedenfalls, welchen Sturm von Hass die zuvor so beliebte TV-Komikerin Rosanne Barr erntete, als sie die Hymne bei einem ganz normalen Baseball-Ligaspiel lustvoll verhunzte.

    Das heute unausweichliche Ritual jedenfalls ist Folge eines spontan bewegten Moments. Es war 1918, die Amerikaner hatten gerade hundertausend Tote im Ersten Weltkrieg zu verschmerzen, und Baseball war das, was heute Football ist, die Nummer eins im US-Sport: Da wurde aus einer Pause in einem eher langweiligen Finalspiel eine plötzliche Erhebung, die Kapelle spielte die Hymne, zaghaft zunächst, dann, als die ersten mitsangen, lauter, schließlich stand das Stadion, Ovationen.

    Im Zweiten Weltkrieg wurde dieser Moment wiederentdeckt, in den Sechzigern schließlich, inmitten von Kaltem Krieg außen und der Kommunisten-Jagd innen zum verordneten Ritus. Was zwischenzeitlich für Verdruss gesorgt hat: dass das US-Militär die effektvolle Inszenierung der Hymne mitfinanziert hat. Dabei, Hand aufs Herz, passt die Verknüpfung genau: Denn der Patriot erweist sich hier ja gerade im Gehorsam, im Strammstehen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden