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Frauenfußball-WM: Almuth Allwissend

Frauenfußball-WM

Almuth Allwissend

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    Macht garantiert keine Bilder für ihren eigenen Instagram-Account. Den nämlich besitzt Almuth Schult nicht. Aber nicht nur deswegen nimmt die Torhüterin im deutschen Team eine besondere Rolle ein.
    Macht garantiert keine Bilder für ihren eigenen Instagram-Account. Den nämlich besitzt Almuth Schult nicht. Aber nicht nur deswegen nimmt die Torhüterin im deutschen Team eine besondere Rolle ein. Foto: Witters

    Kartenspiele stehen bei der deutschen Frauen-Nationalmannschaft gerade hoch im Kurs. Damit wird sich nicht nur im Kurort Uriage-les-Bains im Team die Zeit vertrieben, sondern Spielkarten sind auch im Sportkomplex Paul Bourgeat in Gières vor dem Training wichtig: Damit teilte nämlich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ihren Kader am Mittwoch in drei Gruppen ein, die sich zum Faszientraining, Laufen oder zur Ballschule begaben. Doch bevor es vor dem beeindruckenden Alpenpanorama losging, hatte sich Almuth Schult schon auf eine blaue Matte gelegt, um ihre Beinmuskeln mit der Rolle geschmeidig zu machen.

    Die Nummer eins geht eben gerne voran. Die Torhüterin ist auch diejenige, die vor der „Leistungsprüfung“ (O-Ton Schult) im Achtelfinale (Samstag 17.30 Uhr/ ZDF) gegen Nigeria warnt: „Wenn wir da verlieren, können wir uns von den drei Gruppenspielen nichts kaufen.“ Trotz der fußballerisch durchwachsenen Vorrunde glaubt sie: „Andere Mannschaften haben Angst vor uns.“ Wirklich? Eigentlich war die 1,80-Meter-Frau die einzige respekteinflößende Größe.

    Noch ist die Double-Gewinnerin vom VfL Wolfsburg bei der WM ohne Gegentor. „Ich hätte nichts dagegen, wenn sie jedes Spiel mit einer Null rausgehen würde. Almuth ist gut ins Turnier gestartet, besser als wir das erwartet hatten“, lobt ihre Trainerin. Nur die Torhüterin findet jedwede Vergleiche zu 2007, als Nadine Angerer mit sechs Zu-Null-Siegen die DFB-Frauen zum Goldpokal führte, fehl am Platze. „Mit dem Finale wären es noch vier Spiele. Es wird nicht mehr möglich sein. In so einem Turnier mit Weltklassegegnern ohne Gegentor zu bleiben, ist schier unmöglich.“ Aber was hat ihre inzwischen 40-jährige Vorgängerin kürzlich über die sozialen Netzwerke an die DFB-Frauen übermittelt? „Ihr habt eine super Trainerin, ihr seid eine mega Mannschaft – und ihr habt die beste Torhüterin.“

    Schult ist inspiriert von Oliver Kahn, ohne ihn als Vorbild zu nennen. „Aber die WM 2002 war die erste, die ich intensiv verfolgt habe. Das motiviert einen. Und er konnte eine Mannschaft wachrütteln.“ Sie kann genauso klar und kritisch formulieren. Dass die 62-fache Nationaltorhüterin die WM 2015 als Nummer zwei und die WM 2011 als dritte Torhüterin von außen erlebte, hat sie viel gelehrt. Sie wacht streng über die internen Spielregeln. „Dass wir bis nachts an der Playstation sitzen, Berater oder Familien ins Hotel kommen, wird es bei uns nicht geben.“ Als einzige Nationalspielerin ist die 28-Jährige nicht auf Instagram unterwegs. Aber auch ohne soziales Netzwerk hat sie größten Einfluss. „Einen großartigen Wert außerhalb des Platzes“, schreibt Voss-Tecklenburg ihr zu.

    Dabei orientiert sich Schult durchaus an ihrer Vorgängerin Angerer. Ihre Lenkungsfunktion übt sie fast ähnlich aus wie die Mützenträgerin, die am Ende für die meisten Mitspielerinnen so etwas wie die große Schwester darstellte. Genau wie früher Angerer tickt auch Schult anders. Sie hat als Einzige ein Einzelzimmer. Mitspielerin Lina Magull sagte am Mittwoch: „Sie ist schon ein spezieller Typ. Sie spielt gerne den Klugscheißer. Meistens hat sie ja auch recht, weil sie so viel weiß.“ Spitzname im Mannschaftskreis: „Almuth Allwissend“.

    Sie stammt aus dem Wendland in Niedersachsen. Ihre Eltern produzieren auf dem Familien-Bauernhof in Lomitz immer noch Eier und Milch, die sie teilweise selbst weitergibt. Sie ist aus der Feuerwehr oder dem Schützenverein in ihrer Heimat nie ausgetreten. Dass sie den Hof weiterführt, ist nicht sonderlich wahrscheinlich. Sie hat an der Sporthochschule in Köln studiert und mal gesagt, sie könne sich später vorstellen, Trainerin, Heilpraktikerin, Physiotherapeutin oder vielleicht Sportjournalistin zu werden.

    Es war nicht absehbar, dass Schult in Frankreich gleich eine Stütze werden würde. „Es war kein einfaches Jahr. Eines der schwierigsten. Auch vom Kopf her“, sagt sie selbst. Ihre Pechsträhne begann mit einer Masernerkrankung im Trainingslager im Winter. Was bei Kindern vergleichsweise glimpflich ausgeht, wird bei Erwachsenen gemeingefährlich. Sie konnte nichts mehr essen und trinken, verlor viel Gewicht, bekam eine Bindehautentzündung, Ohrenentzündung und Zahnfleischentzündung.

    Nach ihrer Rückkehr patzte sie Anfang April gegen Japan (2:2) zweimal schwer, anschließend machte ihr noch eine Schulterverletzung zu schaffen, über deren genaue Diagnose Stillschweigen vereinbart wurde. Zeitweise war die WM-Teilnahme in Gefahr. Doch Schult ist eine Kämpfernatur, die den Strandausflug am vergangenen Wochenende in Montpellier ausgelassen hat, um lieber auf dem Trainingsplatz an den Feinheiten des Torwartspiels zu feilen. Niemand steht mehr für das Mannschaftsmotto „allez maximal“ wie die „Madame Maximal“.

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