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Ablösung: Stengers letztes Spiel

Ablösung

Stengers letztes Spiel

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    Augsburg Als Harald Stenger im polnischen Ostseebad Sopot mit beim Abendessen saß, war er bester Laune. Die deutsche Fußball-Nationalelf, als deren Teil er sich fühlte, war glänzend in die EM gestartet und Stenger noch immer ihr Pressesprecher. Er wollte an diesem Abend eigentlich nur seinen Tartar genießen und nicht über seine bedrohte berufliche Zukunft reden müssen. Aber das Herz war voll und so lief der Mund über. In der Sache beschränkte sich der 61-Jährige auf die reichlich bekannte Formulierung, sein Vertrag laufe noch, danach müsse man weitersehen. Dazwischen aber war zu hören, wie sehr der altgediente Journalist an seiner Arbeit hängt und wie gerne er im Amt bleiben würde.

    Diese Hoffnung ist nun dahin. Sein Vertrag wird nicht verlängert. Ausgerechnet Oliver Bierhoff musste ihm die bittere Nachricht mitteilen. Der Manager der Nationalmannschaft war im zwei Jahre andauernden Machtkampf um Stengers Position auf der Seite des 61-Jährigen gestanden. Stenger, kein Parteigänger des Boulevards, sondern ein Journalist der alten Schule, der Loyalität und Verlässlichkeit über alles stellte, war den Fußballverkäufern im DFB schon lange nicht mehr locker-flockig genug.

    Der damalige Präsident Theo Zwanziger ließ Stengers Gegner gewähren. Im Januar 2010 wurde der ehemalige Sportredakteur der Frankfurter Rundschau als Mediendirektor entmachtet, war nur noch Sprecher der Nationalelf. Selbst Letzteres hatte er lediglich Bierhoff und Teamchef Joachim Löw zu verdanken, die schützend ihre Hand über den Hessen hielten, der durch seine unerschütterlich unaufgeregte Präsentation der Pressekonferenzen im Fernsehen zu einem Gesicht der Nationalelf geworden war.

    Die Spieler mochten ihn, weil er sie vor Peinlichkeiten schützte. Das galt vor allem für Lukas Podolski, der immer des besonderen Schutzes bedurfte. Die DFB-Spitze beobachtete dieses Bündnis mit Argwohn. Als sich die deutschen Fußball-Journalisten über eine Unterschriftenliste mehrheitlich für Stengers Verbleib im Amt einsetzten, durfte der 61-Jährige in die Verlängerung. Nun ist am 31. August endgültig Schluss, was abzusehen war. Der DFB hat während der EM in Polen das Geschäft der pseudo-journalistischen Selbstvermarktung weiter forciert. Stenger hat es eher ertragen als angeschoben. Zudem war sein Verhältnis zum umtriebigen Zwanziger-Nachfolger und Stenger-Vorgänger Wolfgang Niersbach schon lange belastet.

    „Ich habe in all den Jahren einen klaren Kurs gefahren und bin dadurch, dass ich oft unbequeme Positionen bezogen habe, sicher einen riskanten Weg gegangen“, kleidet Stenger sein Ende im Amt dezent in Worte. Nachfolger wird der 41-jährige Jens Grittner, derzeit stellvertretender Mediendirektor. Am 15. August beim Testspiel der Nationalelf in Frankfurt gegen Argentinien sitzt Stenger zum letzten Mal auf dem Pressepodium. Danach muss Lukas Podolski selbst sehen, wie er mit den Medien zurechtkommt.

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