Die ganz großen Vergleiche muss man jetzt nicht ziehen. Klar, sieben deutsche Tore wecken unweigerlich Verbindungen zum legendären 7:1 auf dem Weg zum WM-Titelgewinn 2014. Allerdings hieß der Gegner damals Brasilien und das Setting war das Halbfinale einer Weltmeisterschaft. Das 7:0 der DFB-Elf gegen Bosnien in der Nations League ist aber auch so außergewöhnlich und zeigt, welchen Fortschritt die deutsche Auswahl innerhalb eines Jahres gemacht hat. Es gibt drei Gründe.
1. Nagelsmann hat der Mannschaft ein Gerüst gegeben: Nach Jahren des Experimentierens, des ständigen Personal- und Systemwechsels gibt es wieder klare Strukturen im DFB-Team. Das Gerüst, das Nagelsmann der Mannschaft im Vorfeld der EM verordnet hat, trägt die Nationalmannschaft auch nach dem Turnier noch. Und das, obwohl im Sommer mit Kroos, Gündogan, Neuer und Müller vier Säulen ihren Rücktritt erklärt haben. Obwohl aktuell unter anderem mit ter Stegen, Raum und Füllkrug einige weitere potenzielle Stammspieler verletzt fehlen. Das Konzept, das Nagelsmann für sein Team erdacht hat, ist nicht vom verfügbaren Personal abhängig. Der große Vorteil: Kommt ein Spieler – wie nun Tim Kleindienst – neu ins Team, ist ihm trotzdem klar, was zu tun ist. Das ist eines der größten Verdienste, die ein Trainer für sich reklamieren kann.
2. Die individuelle Klasse von Florian Wirtz und Jamal Musiala: Um das Mittelfeld-Duo wird der DFB von ganz Fußball-Europa beneidet. Alleine wegen den beiden Jungstars ist Deutschland immer für ein Tor gut. Zudem scheinen beide noch längst nicht am Ende ihrer Entwicklung angekommen. Musiala etwa hat seine neu entdeckte Kopfballstärke auch zum DFB gerettet. Dennoch ist es auch hier Nagelsmanns Verdienst, dass er die beiden optimal einsetzt.
3. Das Leistungsprinzip gilt, auch für Spätstarter: Ob Tim Kleindienst auch unter dem späten Joachim Löw eine Chance in der Nationalmannschaft bekommen hätte? Der Weltmeister-Coach vertraute seinen langjährigen Spielern eisern – und zwar auch dann, wenn deren Höhepunkt überschritten war. Formkurven fielen weniger ins Gewicht. Bei Nagelsmann gilt hingegen: Wer Leistung bringt, spielt - unabhängig vom Alter. 29 Jahre ist der Gladbacher alt und damit genauso alt wie Robert Andrich bei seinem ersten Länderspiel. Pascal Groß war sogar 32 Jahre alt, als er vor einem Jahr debütierte. Das ist ein deutliches Signal: Wer Leistung bringt, wird zur Nationalelf eingeladen – und auch raus ist man, wie man unlängst beim BVB bemerkte, schneller als früher.
Mag sein, dass beim DFB früher mehr Talent zu finden war (von Wirtz und Musiala mal abgesehen). Das Gesamtkonzept Nationalmannschaft schien aber selten stimmiger aufgestellt zu sein.
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