Jede Party ist nur so gut wie ihre Gäste. Das beste Essen und die edelsten Weine können nicht verhindern, dass eine Stimmung herrscht wie im Rücklagendepot von Boris Becker – wenn die Gesellschaft fahrig zusammengestellt wurde. Dagegen: Bier als Aperitif, Beigetränk und gleich auch noch als Hauptspeise – Stimmungsknaller, so denn die Gästeschar handverlesen ist.
Dementsprechend verrichtet die Redaktion des "Doppelpass" hervorragende Arbeit. Der Fußballstammtisch auf Sport1 hält, was er verspricht. Meta-Ebenen werden eingerissen, wenn auch nur mal ein Ansatz davon aus Versehen in einer "Diskussion" errichtet wird. Wäre der "Doppelpass" eine Fußballtaktik, sie entspräche dem ur-britischen Kick and Rush. Immer schön druff und dann nachsetzen. Am Sonntag strahlt der Sender die 1000. Sendung aus. Darauf ein Warsteiner! Oder Krombacher! Der Namenssponsor der Sendung hat mehr Wechsel hinter sich als Zlatan Ibrahimovic. Darunter gelitten hat das Konzept seit der Erstausstrahlung am 3. September 1995 allerdings nicht.
Fußball-Talk: Testosteron bestimmt den "Doppelpass"
Das Lagerfeuer, um das sich sowohl verkaterte Studenten wie auch Hausfrauen, Amateurtrainer oder Sozialarbeiter allsonntäglich versammeln, besticht an allererster Stelle durch die absolute Erwartbarkeit der Gespräche. Der Moderator, mittlerweile der ehemalige Nationalspieler Thomas Helmer, initiiert mit Schlagworten das testosteron–geladene Geraune von Experten, Journalisten und anderen Gästen.
Experte der ersten Doppelpass-Generation war Udo Lattek. An die perfiden populistischen Argumentationsketten des Trainers von Weltniveau reichte Nachfolger Thomas Strunz nicht heran. Derzeit versuchen sich etwa Mario Basler, Stefan und Marcel Reif als Udos Erben. Für die Jubiläumssendung hat sich mit Rudi Völler ein Freund des Formats angekündigt.
Einzig die Augsburgerin Ruth Hofmann sorgt als Co-Moderatorin für etwas Diversität in der ansonsten ausschließlich männlich geprägten Runde. "Der Dopa ist meine lieb gewonnene Sonntags-Routine und den Herren tut etwas weibliche Verstärkung durchaus gut", so Hofmann.
FCB-Boss Uli Hoeneß' legendärer Satz über Rekordnationalspieler Lothar Matthäus
Ab 11 Uhr lassen sich jeden Sonntag die eher unterkomplexen Redebeiträge in jeglicher Gemütsverfassung ohne Anstrengung verfolgen. Unterhaltungsfernsehen im reinsten Sinne. Allerdings nicht, ohne etliche Beiträge für den fußballkulturellen Kanon beizusteuern. Es war der "Doppelpass", in dem Uli Hoeneß ankündigte, dass Lothar Matthäus beim FC Bayern nicht mal mehr Greenkeeper werden würde. Bemerkenswert auch die Aussage von Kaiserslauterns Vorstandsvorsitzendem Robert Wieschemann: "Wir haben alle ein Defizit an Durchblick." Bald darauf war er ehemaliger Vorstandsvorsitzender.
Das Löwen-Oberhaupt Karl-Heinz Wildmoser hatte 2004, unmittelbar nach seiner Haftentlassung, nichts Besseres vor, als im "Doppelpass" Auskunft zu geben. Natürlich mit glimmender Marlboro Lights vor laufender Kamera. Ein bisschen alte Bundesrepublik ist der Kitt vieler Stammtische.
Statt am holzvertäfelten Tisch im Vereinsheim trifft sich die Runde im Münchner Flughafenhotel. Neben beschalten Fans dienen mumifizierte Palmen als Dekoration. Just zur 1000. Sendung an diesem Sonntag aber wird der Stammtisch ohne Publikum auskommen müssen. Unerhörterweise hat Corona nicht einmal Respekt vor den Sendeabläufen eines Spartensenders. Das Jubiläum aber gänzlich ausfallen zu lassen, sieht Sport1 nicht vor.
Neben rund einer Million Zuschauern vor den Fernsehern der Nation freut sich darüber auch das Phrasenschwein. Mittlerweile fünf Euro beträgt die Summe für unbedacht geäußerte Allgemeinplätze. Gestartet wurde noch mit fünf Mark. In der vergangenen Saison füllten 8437,24 Euro das Tier – darunter auch Spenden der Zuschauer. Mit dem Geld werden Jahr für Jahr soziale Projekte unterstützt. Nach der Spielzeit 2018/19 ging das Geld in gleichen Teilen an die Neven-Subotic-Stiftung und die Initiative "Du musst kämpfen", die für an Krebs erkrankte Kinder ins Leben gerufen wurde.
Der "Doppelpass" steht als eine der letzten Säulen unverrückbar im fußballkulturellen Kontext der Zeit. Weder Videobeweis, noch Investoren oder Serienmeisterschaften des FC Bayern München können an den Grundfesten der Sendung rücken. Ganz im Gegenteil. Hier werden alle Komplexe gleichberechtigt nebeneinander verhandelt. Keine Meinung so konfus, als dass sie nicht doch Bestätigung erfahren würde. Kein Argument so stichhaltig, als dass nicht einfach das Gegenteil behauptet werden könnte.
Eine wiederkehrende Party mit den immer gleichen Gästen. Ein genial einfaches Konzept. Darauf ein Bier. Welches auch immer.
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