Die vergangene Saison war ein Heidenheimer Märchen: souveräner Klassenerhalt, ein Sieg gegen den großen FC Bayern, Europacup-Platz. Jetzt ist aber Schluss damit, oder? Zumindest ist nicht davon auszugehen, dass Heidenheim diese Leistung wiederholen wird. Die zweite Saison nach dem Bundesliga-Aufstieg wird deutlich schwieriger werden. Ein Grund dafür ist die Mehrfachbelastung durch das Einlaufen auf Platz acht, der zur Teilnahme an den Conference-League-Play-offs berechtigt. Sollte der FCH die Qualifikation für die Gruppenphase schaffen, wären bis Weihnachten mindestens sechs weitere Partien eingeplant - eine Mehrbelastung, die schon anderen kleineren Teams zugesetzt hat. Aber das ist nicht das einzige Problem.
Beste, Kleindienst, Sessa, Dovedan, Dinkci - alle weg! Wie soll der Verein das denn verkraften? Der Heidenheimer Aderlass ist enorm. Eine Statistik, um zu verdeutlichen, wie wichtig das genannte Quintett für den Klub war: Von den 50 Toren, die der FCH vergangene Saison erzielt hatte, gehen 36 auf das Konto dieser fünf. Vor allem die Abgänge von Jan-Niklas Beste nach Lissabon und von Tim Kleindienst zu Gladbach schmerzen. Das Duo allein war an 38 Treffern als Torschütze oder Vorlagengeber beteiligt. Die Verkäufe der beiden spülten 15 Millionen Euro in die Kasse - absoluter Rekorderlös für den Verein. Zum Heidenheimer Stil gehört es aber nicht, das Geld gleich wieder zu investieren.
Aber wer soll denn künftig die Tore schießen? Der FCH hat sich in den unteren Ligen umgesehen - und ist etwa in Ulm fündig geworden. Leo Scienza war in der vergangenen Drittliga-Saison der wohl beste Spieler, sammelte zwölf Tore und 15 Vorlagen und stieg mit dem SSV in die zweite Liga auf. Der Brasilianer gilt jetzt schon als der technisch beste Spieler im FCH-Kader und soll das Offensivspiel ankurbeln. Klar ist aber auch: Der Sprung über zwei Ligen ist groß. In der Offensive wurde Marvin Pieringer schon vergangene Saison als Kleindienst-Nachfolger fürs Sturmzentrum geholt. Teuerster Neuzugang ist mit einer Ablöse von 1,25 Millionen Euro der Däne Mikkel Kaufmann. Der hatte vor zwei Jahren in Karlsruhe eine starke Saison, enttäuschte aber zuletzt bei Union Berlin. Der 18-jährige Paul Wanner kam auf Leihbasis vom FC Bayern, ist dort bereits der bisher jüngste Bundesliga-Spieler und gilt als eines der größten deutschen Talente. Für links wird noch ein Beste-Nachfolger gesucht.
Was spricht dafür, dass Heidenheim in der Bundesliga bleibt? Dass es sich um den 1. FC Heidenheim handelt. Bedeutet: Frank Schmidt wird an der Seitenlinie stehen, wie in den vergangenen fast 17 Jahren. In dieser Zeit ging es beim FCH stetig bergauf - und der Verein verließ nie seine Linie, tätigte immer wirtschaftlich seriöse Transfers, setzte auf den eigenen Weg. Alle im Verein kennen die Anforderungen, die Schmidt stellt. Vorstandschef Holger Sanwald ist seit fast 30 Jahren beim Klub und sagt über seinen Trainer: „Ich weiß schon sehr genau, welcher Spielertyp bei Frank Schmidt funktioniert und welcher nicht.“ Auf dieses Prinzip setzt Heidenheim auch jetzt wieder. Schmidt selbst sagt aber: „Jeder muss wissen: Mit den Veränderungen im Kader ist es ein Stück weit ein Neuanfang. Das wird eine Riesenherausforderung.“
Und was ist, wenn Heidenheim doch absteigt? Die Chance, dass man auf der Ostalb durchdreht, tendieren gegen null. Trainer Schmidt hat den sichersten Arbeitsplatz im deutschen Fußball. Sollte der FCH sich wieder verabschieden, gilt das Prinzip von Vorstandschef Sanwald. Der erzählte einst, wie ihm ein Spielerberater sagte, dass es ohne große Transfers nicht klappen würde. „Da habe ich erst mal geschluckt. Ich habe gesagt: Vielleicht haben Sie recht, aber dann würden wir das akzeptieren.“ Das war zu Drittligazeiten. Am Ende verpasste Heidenheim den Aufstieg in die zweite Liga nur knapp.
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