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Social Start-ups: Wie soziale Start-ups Integration fördern

Social Start-ups

Wie soziale Start-ups Integration fördern

2020 gründeten Michael Fürmann, Margarita Fürmann und Lisa Abeltshauser das Start-up mivao.
2020 gründeten Michael Fürmann, Margarita Fürmann und Lisa Abeltshauser das Start-up mivao. Foto: Bernd Jaufmann

Eine Struktur, um im Alltag zurechtzukommen – was selbstverständlich klingt, ist es für einige manchmal nicht: Menschen mit Autismus, ADHS oder kognitiven Beeinträchtigungen. Ihnen halfen bisher analoge Hilfsmittel wie Tagespläne im Papierformat – doch keine digitale Lösung. Eine Aufgabe für Michael Fürmann und zwei Informatik-Kommilitoninnen an der Hochschule Augsburg. „Ein Vater der Selbsthilfegruppe Autismus Augsburg kam auf die Hochschule zu, weil er sich wunderte, dass es für ­autistische Kinder kein digitales Hilfsmittel gibt“, erinnert sich Fürmann. Woraus ein Forschungsmaster wurde – und ein digitaler Prototyp.

Und die Anforderungen waren hoch. „Die Zielgruppe verarbeitet Informationen und Wahrnehmungen anders. Zu viele Reize überfordern schnell“, weiß Margarita Fürmann. Weshalb sie die Benutzeroberfläche so reduziert wie möglich hielten, das Layout individualisierbar machten und man auswählen kann, wie viele Tagesschritte auf einmal angezeigt werden. Das Wichtigste jedoch: „In der App sind Termine mit und ohne Uhrzeit möglich, was es in digitalen Kalendern so bisher nicht gab“, sagt Fürmann. Denn wer weiß schon, wann genau etwa Freizeit nach Hausaufgaben beginnen kann? „Eine Uhrzeit würde dann nur unter Druck setzen.“ Ganze Tage, gar Wochen sind so zu strukturieren. Dass es funktionierte, bestätigte der Austausch mit der Augsburger Selbsthilfegruppe Autismus.

Weshalb nach Abschluss des Masters 2020 die Fürmanns dank Gründerförderungen das Start-up mivao wagten und die App weiterentwickelten – geholfen haben jetzt auch Experten wie das Kompetenzzentrum Autismus Schwaben-Nord und das Frère-Roger-Kinderzentrum. Für diesen Herbst steht nun die erste Beta-Version an – für die Evaluation mit ausgewählten Familien. 

Ohne Information keine Integration

Die Integration von Migranten scheitert oft an Informationsarmut. Weil Informationen regional unterschiedlich sind, weil sie nicht digital vorliegen oder weil Sprachkenntnisse fehlen. Und weil die Ressourcen von Ämtern beschränkt sind und diese den digitalen Kommunikationskanal wenig nutzen. Dem begegnet die App Integreat der Augsburger Tür an Tür – Digitalfabrik gGmbh. „Wir bauen eine Brücke, die es Ämtern ermöglicht, ohne große IT-Kenntnisse den Integrationsbereich digital zu unterstützen“, sagt Innovationsmanagerin Laura Schmitz.

Behörden, Ausbildung, Arbeit, Wohnen, Familie, Gesundheit – einige der Rubriken, die die etwa von der Stadt Augsburg genutzte ­Integreat-App anbietet. Mit ausführlichen Informationen in 13 Sprachen von Deutsch bis hin zu Farsi und Arabisch. „Unser Prinzip: Wir stellen ein einfaches Open-Source-System zur Verfügung, das die Kommunen individuell mit Informationen füttern können“, sagt Schmitz. IT-Schulungen seien nicht vonnöten, umso mehr hilft Integreat mit Workshops, um Informationen zusammenzutragen und die Übersetzungen zu organisieren. Doch gibt es eine Bedingung, die der Qualitätssicherung dient: „Zur Zusammenarbeit kommt es nur, wenn die Kommune eine hauptamtliche Stelle zur Pflege von Integreat garantiert“, betont Schmitz.

65 Kommunen wenden Integreat bereits an, fast jede sechste bundesweit. Entstanden ist die App aus einer Kooperation des Augsburger Integrationsvereins Tür an Tür e.V. mit der TU München. Nach dem Start von Integreat 2015 folgte 2016 die Ausgründung der Digitalfabrik gGmbH. Seit 2018 steht das Sozialunternehmen auf eigenen Füßen und beschäftigt heute 15 Mitarbeitende.

Arbeiten im Inklusionshotel

Wie gelangen Menschen mit Down-Syndrom und anderen geistigen Beeinträchtigungen aus den Werkstätten in den ersten Arbeitsmarkt? Eine Frage, die sich der Verein einsmehr – Initiative Down-Syndrom Augsburg und Umgebung vor sieben Jahren stellte. Eine Antwort war die Idee eines Inklusionshotels, in dem beeinträchtige und nicht beeinträchtigte Menschen gleichberechtigt nebeneinander arbeiten. Seit November 2020 gibt es das Hotel einsmehr im Begegnungszentrum Westhouse in Augsburg-Kriegshaber. „Für uns ging ein Traum in Erfüllung“, sagt Jochen Mack, Geschäftsführer der aus dem Verein ausgegründeten einsmehr gGmbH.

"Uns geht es nicht darum, reich zu werden. Wir wollen Menschen glücklich machen"

Jochen Mack, Hotel einsmehr

Zehn Menschen mit geistiger Beeinträchtigung arbeiten derzeit im Hotel einsmehr. In vier Monaten ausgebildet – mit viel Anspruch, „denn wir sind ein normales Hotel, das auf ein hohes Qualitätsniveau Wert legt“, betont Mack. Was die Auszubildenden forderte: Durchhaltevermögen, schnelles Arbeiten und die Flexibilität, sich auf unterschiedliche Situationen und Gäste einstellen zu können – „oft nicht einfach“, weiß Mack, aber seine Kandidaten haben überzeugt: „Was an ihrer enormen Motivation lag, auf dem ersten Arbeitsmarkt bestehen zu wollen.“ Und was Mack auch feststellen konnte: Viele Gäste nahmen die Inklusion kaum wahr und wenn doch, machten sie keinen Unterschied und bewerten vor allem die Atmosphäre durchgängig positiv.

1,5 Millionen Euro waren nötig, um das Inklusionshotel zu starten. Die Aktion Mensch, der Freistaat, der Bezirk Schwaben und die Stadt Augsburg sowie unter anderem die Stadtsparkasse halfen mit. „Wir planen nun, aus unserem Qualifizierungsprogramm Auszubildende in andere Hotels zu vermitteln“, sagt Mack. Und wie steht es um die Rentabilität? „Die stimmt. Weil es uns nicht darum geht, reich zu werden. Wir wollen Menschen glücklich machen.“

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