Startseite
Icon Pfeil nach unten
Podcasts
Icon Pfeil nach unten
Crime-Podcast
Icon Pfeil nach unten

VISIONEN: Um die Ecke gedacht

VISIONEN

Um die Ecke gedacht

    • |
    Sebastian Nitsche (links) und Christian Merk haben gemeinsam ihre Bachelor-Arbeit geschrieben und entworfen.
    Sebastian Nitsche (links) und Christian Merk haben gemeinsam ihre Bachelor-Arbeit geschrieben und entworfen. Foto: Lina Reiser

    „Eine Galerie wird nach Gesetzen errichtet, die so streng sind wie diejenigen, die für eine mittelalterliche Kirche galten. Die äußere Welt darf nicht hereingelassen werden, deswegen werden Fenster normalerweise verdunkelt. Die Wände sind weiß getüncht. Die Decke wird zur Lichtquelle. Der Fußboden bleibt entweder blank poliertes Holz, sodass man jeden Schritt hört, oder aber wird mit Teppichboden belegt, sodass man geräuschlos einhergeht und die Füße sich ausruhen, während die Augen an der Wand heften [...].“

    Steril, weiß, schattenlos: Dieses Bild zeichnet Brian O’Doherty in seinem 1976 erschienen Buch „Inside the White Cube“ von Kunst. „Und genau davon wollten wir weg. Wir wollten Kunst aus ihrer elitären Hülle holen, authentisch machen und auf Augenhöhe vermitteln“, sagt Sebastian Nitsche, Kommunikationsdesign-Student an der Hochschule Augsburg. Gemeinsam mit seinem Kommilitonen Christian Merk hat er eine Bachelor-Arbeit zum Thema „Konzeption und grafische Inszenierung eines neuen Markenauftritts für eine kommunale Kulturveranstaltung“ abgelegt. Konkret ging es um ein vollständiges Branding-Konzept für die Kunstnacht Kempten, die alle zwei Jahre und heuer zum fünften Mal stattfindet.

    „Als wir uns gemeinsam mit unserem betreuenden Professor Stefan Bufler für das Thema entschieden haben, waren wir begeistert und dachten: Im Bereich Kunst stehen uns alle Möglichkeiten offen“, erzählt Merk. „Von der Ideenfindung bis zum fertigen Konzept war es aber ein langer Weg“, blickt er zurück. „Im Kunstbereich manövriert man sich schnell in eine Ecke. Macht man etwas schwarz auf weiß , ist man bei den Avantgard-Typen. Machst du es bunter mit Aquarell-Klecksen bist du schnell bei den Hobbykünstlern“, schmunzelt Nitsche.

    Revolution statt Evolution

    Die beiden tauschten sich anfangs mit den Organisatoren der Veranstaltung aus. Diese wollten zunächst auf das bestehende Erscheinungsbild aufbauen, hatten insgesamt aber eher vage Vorstellungen. Für die Studenten war aber klar: Das neue Konzept sollte keine Evolution, sondern eine Revolution werden. Um das zu untermauern und auch ihre Auftraggeber zu überzeugen, analysierten sie den Status quo der Kunstnacht. „Wir haben in Kempten Umfragen gemacht, um zu erfahren, was die Menschen dort mit der Veranstaltung assoziieren.“ Schlussendlich fanden die beiden heraus, dass die Kemptener sehr wohl etwas mit dem Namen, aber nicht mit dem visuellen Erscheinungsbild anfangen konnten.

    Nitsche und Merk kanalisierten ihre Eindrücke, stimmten sich dabei immer wieder mit dem städtischen Kulturamt ab und entwickelten Idee um Idee – zudem füllte sich Seite um Seite im Skizzenbuch. Eine große Stütze ist ihnen stets ihr Professor. „Seinen kompetenten Rat wussten wir über die ganze Zeit sehr zu schätzen“, betonen die beiden.

    Mit Ideen-Ping-Pong zur Vision

    Was ihnen zudem viel half, war die Teamarbeit. „Wir haben immer wieder getrennt gearbeitet, uns gegenseitig die Ergebnisse daraus vorgestellt und hatten sofort das Feedback des anderen“, beschreibt Merk den Prozess. Und aus genau so einem Prozess entstand schlussendlich die finale Idee. „Das war wie Ping-Pong“, lacht Nitsche. „Der eine hat dem anderen die Ideen zugespielt und andersrum – und dann hatten wir unsere Vision“, freut sich Nitsche.

    Wie die aussah? „Wir wollten jeden Besucher – egal, ob Kunstliebhaber oder Kunstfremder in die Veranstaltung integrieren“, betont Merk. Der Clou: Sie lenken den Fokus auf das Wesentliche, die Kunst. „Und die bringen wir wieder in die Ecken der Stadt. Denn hier befinden sich die Ateliers der Aussteller“, so Nitsche. „Dadurch können die Besucher auf einer spannenden Entdeckungsreise ihre Stadt neu erleben“, ergänzt Merk.

    Bestnote für die Branding-Revolution

    Im Mittelpunkt der Kampagne stehen die Ecken. „Insgesamt ist es ein Spiel von Dimensionen: Als Informationsträger haben wir ein schlichtes schwarzes Plakat, dass wir in vielen Ecken der Stadt anbringen. Das fotografieren wir in einer bestimmten Lichtstimmung ab und verwenden es als weiteres Plakatmotiv. Hier ist der Wiedererkennungswert entscheidend“, beschreibt Nitsche das Plakatierungskonzept. Das gesamte Markenerscheinungsbild ist natürlich noch viel umfänglicher. Auf insgesamt 52 Seiten erstreckt sich das BrandBook der beiden, das sie den Vertretern der Stadt Kempten ausgehändigt haben. Von Print-Werbemitteln über digitale Anwendungsmöglichkeiten bis hin zu Merchandise-Artikeln – an alles ist gedacht. Was im Endeffekt umgesetzt wird, wissen die beiden noch nicht.

    Dass sie ihren Plan einer Branding-Revolution im Sinne einer Qualitätssteigerung des Markenerscheinungsbilds umsetzen konnten, haben sie aber schon bestätigt bekommen. Ihre Idee, die Kunst von ihrem Podest zu holen, authentisch und auf Augenhöhe zu vermitteln sowie in die Ecken der Stadt zu bringen, wurde an der Hochschule mit der Bestnote 1,0 bewertet.

    Weitere Informationen:

    Hochschule Augsburg Werkschau

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden