Die Wahlen in diesem Land werden nicht bei Emily, 17, gewonnen, sondern bei Malte, 68. Die Rechnung ist ganz einfach: Es gibt mehr Maltes als Emilys, weshalb sie bei den Olafs und Angelas aus Berlin auch mehr Gehör finden. Jahrein, jahraus wirbt die deutsche Politik um den großen Wählerklumpen hoch oben auf der Bevölkerungszwiebel (früher war sie mal eine Pyramide) und vernachlässigt dabei die junge Minderheit. Eine Koalition in Grau, ein Kosten-Nutzen-Kalkül in Reinform. Beispiele gefällig?
Der Schutz vulnerabler Gruppen war während der pandemischen Hochphase derart wichtig, dass der Schutz heranwachsender Gruppen ausgeklammert wurde. Nun kommt die Quittung: die Schulleistungen sacken ab, um die Psyche vieler Jugendlicher ist es nicht gut bestellt.
In München zahlen Studierende inzwischen 700 Euro Miete für ein WG-Zimmer, so sie denn überhaupt eines finden. Billiger Wohnraum fehlt überall. Die Krankenkassenbeiträge explodieren. Und wie viel Rente bleibt eigentlich in 50 Jahren? Andere Frage, bitte.
Die Klimapolitik, das drängendste Thema der Zukunft: im Bundestagswahlkampf 2021 eingekeilt zwischen Gender-Diskussionen und einem Laschet-Lacher.
Die Zeiten ändern sich. Und deswegen muss sich auch die Politik ändern
Politik ist inzwischen nur noch das Suchen nach der Mitternachtsformel zur Wiederwahl. Das klappte, solange der Wohlstand gesichert war. Doch diese Zeiten sind passé. Krisen überlappen sich. Berlin muss dringend umschalten vom Gegenwartsverwaltungs- in den Zukunftsgestaltungsmodus. Und die Zukunft, das sind eben junge Menschen.
Ja, ein paar Abgeordnete tanzen jetzt auf TikTok. Der Bundeswirtschaftsminister bricht Energiepolitik auf Jugendsprache herunter ("Die kriegst du nicht, Alter!"). Und bei der Jungen Union trägt man jetzt weiße Sneaker, um zu beweisen, dass einem manchmal dann doch noch der Zeitgeist erschienen ist. Aber das ist alles nur tumbe Symbolik. Um der Jugend wirklich gerecht zu werden, bräuchte es vorrangig dreierlei.
Erstens, neue Strukturen: Der aktuelle Bundestag ist so unverbraucht wie lange nicht. Der Anteil der Abgeordneten unter 40 hat sich mit der neuesten Wahl verdoppelt. Und trotzdem haben schon fast zwei Drittel von ihnen die 40er Marke bereits überschritten.Es ist wie im Sport: Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen die Parteien auf den Nachwuchs setzen und junge Leute auf ihren Listen nach oben stellen. Die Zeit ist günstig, denn: Die Jugend ist politisiert wie lange nicht.
Die schwarze Null ist gut gemeint. Aber schlichtweg falsch
Zweitens, massive Investitionen: in erneuerbare Energien, in eine effiziente, aber humane Gesundheitsversorgung, in Wohnungsbau. Vielleicht auch in eine Art Zukunftsfonds, aus dem die Rente langfristig teilfinanziert werden kann? Die Schwarze Null ist gut gemeint – niemand erbt gerne Schulden – aber sie ist einfach nicht mehr praktikabel. Das zeigen politische Tarnkappen wie die Sondervermögen für Bundeswehr und Energiekrise. Nur geht es jetzt eben nicht mehr bloß darum, über den Winter zu kommen, sondern soziale Sicherheit auf Jahrzehnte zu gewährleisten. Das kostet.
Und schließlich, drittens, das Wahlrecht: Entscheidungen, die die nächste Generation massiv betreffen, sollten von ihr auch mitgetragen werden. Dafür müsste die Wahlbeteiligung junger Leute einerseits steigen. Andererseits ist es unverständlich, wieso Emily, 17, noch immer nicht wählen darf, aber Malte, 68, schon. Die Ampel-Regierung will das Wahlalter bundesweit nun auf 16 absenken. Im Bayerischen Landtag sperrte sich erst kürzlich die CSU dagegen. Aus berechenbaren Gründen: Nur 20 Prozent der bayerischen Jugendlichen hätten sie 2021 gewählt. Warum wohl?
Dieser Artikel ist Teil der Themenwoche Zukunft unserer Volontäre. Alle Themen und Texte zum Schwerpunkt finden sich hier in unserer Übersicht.