Als Napoleon sich 1804 in Notre-Dame zum französischen Kaiser krönte, erreichte die Weltbevölkerung zum ersten Mal die Milliarden- Marke. Es dauerte 123 Jahre, bis sich diese Zahl verdoppelte. 1927, als der deutsche Science-Fiction-Film Metropolis in die Kinos kam und Charles Lindbergh den Atlantik überflog, waren bereits zwei Milliarden Menschen auf der Erde. Die nächste Verdopplung brauchte nur 47 Jahre. 1974, als die deutsche Fußballnationalmannschaft sich in München den zweiten Weltmeistertitel erkämpfte, begrüßte die Welt den vier-milliardsten Erdenbürger. Das exponentielle Wachstum hatte sich beschleunigt. Einen Begriff, den seit Corona jeder kennen sollte. Jetzt, 48 Jahre später, soll sich die Weltbevölkerung erneut verdoppeln: acht Milliarden Menschen.
Am 15. November soll es laut einem Bericht der Vereinten Nationen sein. Irgendwo zwischen den schimmernden Wolkenkratzern von Shanghai, den Schlachtfeldern in der Ukraine, den Tiefen des Amazonas-Regenwaldes und der Fuggerstadt am Lech soll der acht-milliardste Mensch das Licht der Welt erblicken. Aber eine globale Bevölkerungszählung ist keine exakte Angelegenheit. Vielleicht hat die Weltbevölkerung schon jetzt die 8 Milliarden-Marke überschritten oder es ist erst am 17. oder 18. November so weit. Rein rechnerisch steigt die Anzahl der Menschen auf diesem Planeten mit jeder Sekunde etwa um zwei.
Nach dem Jahr 2100 soll die Weltbevölkerung wieder schrumpfen
Die Weltbevölkerung soll, laut den Prognosen des UN-Berichts, vorerst auch nicht aufhören zu wachsen, allerdings langsamer als in den vergangenen Jahrzehnten. 2030 sollen 8,5 Milliarden Menschen auf der Erde leben, im Jahr 2050 9,7 Milliarden und in den 2080er-Jahren 10,4 Milliarden. Bei diesem Wert werde die Bevölkerung auch noch 2100 verharren, heißt es von den UN-Experten, ehe sie zum ersten Mal in Jahrhunderten sinken werde.
Allerdings ist das noch in ferner Zukunft. Einige Ereignisse liegen wesentlich näher. Schon 2023 wird das aktuell bevölkerungsreichste Land der Welt, die Volksrepublik China, von seinem geopolitischen Rivalen Indien überholt werden. Aktuell haben die beiden Länder über 1,4 Milliarden Einwohner, aber China hat eine der niedrigsten Fortpflanzungsraten der Welt. Die Frauen bekommen dort nur 1,18 Kinder. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 2,3. Das bedeutet, laut Vorhersage der UN-Fachleute, dass schon im nächsten Jahr die chinesische Bevölkerung schrumpfen wird, weil mehr Menschen sterben als geboren werden.
Europa muss sich auf Bevölkerungsschwund einstellen
Auch Deutschland muss sich darauf einstellen, dass seine Bevölkerung, aktuell 83 Millionen Menschen, in wenigen Jahrzehnten wieder schrumpfen wird. Laut dem Bundesinstitut für Bevölkerungsentwicklung soll um 2050 die Einwohnerzahl dauerhaft unter 80 Millionen sinken. Eine Entwicklung, die auch die anderen europäischen Länder trifft. Für Italien prognostizieren die UN-Demografen einen Bevölkerungsschwund von zehn Prozent. In Bulgarien, Litauen, Lettland, Serbien und der Ukraine sollen die Einwohnerzahlen bis 2050 sogar um mehr als 20 Prozent fallen.
Die andere Seite der Medaille sind die Länder, deren Bevölkerungen in den kommenden Jahrzehnten massiv wachsen sollen. Nur acht Länder werden für die Hälfte des weltweiten Bevölkerungszuwachses bis 2050 verantwortlich sein: Indien, Ägypten, Äthiopien, die Demokratische Republik Kongo, Nigeria, Pakistan, die Philippinen und Tansania. In den Ländern südlich der Sahara werden zur Mitte des Jahrhunderts fast doppelt so viele Menschen leben wie jetzt, und Nigeria könnte sich dann mit einer Bevölkerung von etwa 377 Millionen hinter Indien und China als dritt-bevölkerungsreichstes Land der Welt einreihen. Aktuell ist es hinter den USA, Indonesien und Pakistan an sechster Stelle.
Ob diese Prognosen auch eintreten werden, wird sich zeigen. Aber unabhängig davon, wie viele Menschen in Zukunft leben werden, wie alt sie werden und wie viele Kinder sie haben, muss sich die Weltgemeinschaft denselben Fragen stellen, für die sie schon jetzt keine Lösung hat. Wie umgehen mit Hunger, mit Ungleichheit und endlichen Ressourcen? Aber diese Fragen spielen möglicherweise mit Blick auf Krieg, Pandemie und Klimakrise gar nicht mal eine so große Rolle. Die entscheidende Frage ist wohl eher: Schafft es die Menschheit überhaupt noch bis zur nächsten Milliarde?
Dieser Artikel war Teil der Themenwoche Zukunft unserer Volontäre. Alle Themen und Texte zum Schwerpunkt finden sich hier in unserer Übersicht.