Die Corona-Krise hat die Pläne vieler Schüler durcheinandergewirbelt. Wer bald von der Schule in das Berufsleben wechseln will, findet derzeit nur schwer Ansprechpartner. Berufsmessen sind beispielsweise abgesagt worden. Um etwas Orientierung zu geben, haben Fachleute der Handwerkskammer für Schwaben, der Industrie- und Handelskammer und der Arbeitsagentur an einem Lesertelefon unserer Zeitung Eure und Ihre Fragen beantwortet. Hier ein Überblick, was Azubis helfen kann.
Ich gehe in die 9. Klasse Realschule, kann mich aber trotz mehrerer Praktika nicht richtig entscheiden, welchen Beruf ich wählen soll. Die Auswahl ist groß, es gibt Vor- und Nachteile. Wer kann mir weiterhelfen? Wie soll ich vorgehen?
„Die Entscheidung, wie es nach der Schule weitergeht, ist sicherlich keine leichte“, sagt Thorben Klein, Berufsberater der Industrie- und Handelskammer Schwaben. 2019 waren bundesweit 326 Ausbildungsberufe registriert. Allein die IHK Schwaben informierte über 170 Ausbildungsberufe. Um die richtige Auswahl dabei zu treffen, biete sich ein Bewerbungs- management an, sagt Klein. „Hierbei wird unter anderem in einem Einzelgespräch herausgefunden, was persönliche Stärken sind und welche Vor- und Nachteile eine Ausbildung mit sich bringt“, erklärt er. Die IHK hat solch ein Bewerbungsmanagement im Angebot, auch die Handwerkskammer und die Arbeitsagentur helfen bei der Lehrstellensuche.
Fortbildungen nach einer Berufsausbildung im Handwerk sind wichtig
Ein gutes Einkommen ist mir später wichtig. Kann ich da im Handwerk unterkommen oder muss ich studieren?
„Eine Berufsausbildung im Handwerk ist eine gute Basis für den beruflichen Aufstieg“, sagt Thomas Röhrle von der Handwerkskammer für Schwaben. Wichtig ist dabei die Fortbildung nach der Lehre: Ergänzt durch Weiterbildungen oder anschließendem Studium bieten sich viele Karrieremöglichkeiten, sagt er. „Von der Fachkraft bis zur Führungskraft oder der Gründung des eigenen Betriebs ist alles möglich“, meint Röhrle. „In der dualen Ausbildung erhält man vom ersten Tag ein festes Gehalt und hat, je nach Karriereweg, sehr gute Verdienstaussichten.“
Haben Abiturienten auch eine Chance im Handwerk und können sie ihre Ausbildungszeit verkürzen?
„Natürlich ist man mit Abitur im Handwerk gefragt!“, sagt Berufsberater Röhrle von der Handwerkskammer. Je nach Ausbildungsberuf dauern die Ausbildungen regulär zwischen 2 und 3 ½ Jahre, sagt er. Mit Abitur habe man die Möglichkeit, die Ausbildungszeit nach Rücksprache mit dem Ausbildungsbetrieb um bis zu 12 Monate zu verkürzen.
Die Augen nach inhaltlich ähnlichen Berufen offenhalten
Ich gehe in die 12. Klasse der Fachoberschule und habe bereits einen Beruf gefunden und Bewerbungen geschrieben, bisher aber ohne Erfolg. Was kann ich tun, damit ich noch einen Ausbildungsplatz im Herbst bekomme?
Auch wenn es bereits einen Wunschberuf gibt, empfiehlt es sich dann immer, mit inhaltlich ähnlichen Berufen die Bandbreite der Bewerbungen zu vergrößern, ohne einen ganz neuen Ausbildungsberuf als Plan B finden zu müssen. Das rät Marie-Christine Lehr, Berufsberaterin der Arbeitsagentur. „Häufig gibt es Berufe, die dem eigentlichen Wunschberuf in vielen Punkten ähnlich sind und damit eine gute Alternative sein können“, sagt sie. Auskunft über ähnliche Berufe gibt zum Beispiel das Portal „Berufenet“ der Arbeitsagentur, das über das Internet zu finden ist. Zusätzlich sei zu empfehlen, die Bewerbungsunterlagen noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, sagt Lehr: Neben formalen Kriterien wie Rechtschreibung, Optik und Bewerbungsfoto sei vor allem die eigene Motivation für den Beruf wichtig. Wer hier unsicher ist, sollte sich an die Berufsberatung wenden.
Ich bin bereits berufstätig, 30 Jahre alt und überlege aufgrund der aktuellen Corona-Situation, meinen Beruf zu verändern. Was habe ich für Möglichkeiten?
Wer sich beruflich verändern möchte, muss nicht immer wieder bei null anfangen und eine neue Ausbildung beginnen, rät Berufsberaterin Marie-Christine Lehr. „Oft besteht die Möglichkeit, innerhalb des erlernten Berufes kleine Kurskorrekturen vorzunehmen“, sagt sie „So kann man sich überlegen, ob durch eine Weiterbildung eventuell der Schwerpunkt der eigenen Tätigkeit verlagert werden kann – hin zu neuen inhaltlichen Schwerpunkten oder verbunden mit einem beruflichen Aufstieg.“ Erste Informationen liefern hierfür das online abrufbare „Berufenet“ und das „Kursnet“ der Arbeitsagentur oder auch die zuständigen Kammern. Zu empfehlen sei zusätzlich eine Beratung bei der Agentur für Arbeit.
Vor einem Berufswechsel die Chancen abwägen
Ich bin bereits als technische Zeichnerin berufstätig, möchte aber nicht mehr im erlernten Beruf arbeiten, sondern in die Pflege wechseln. Was habe ich für Möglichkeiten?
„Wer sich beruflich verändern möchte und nicht im erlernten Berufsfeld bleiben will, sollte vor einem Wechsel seine Chancen gut im Blick haben“, sagt Berufsberaterin Lehr. „In vielen Berufen besteht die Möglichkeit, mit der Aufnahme einer Helfertätigkeit im gewünschten Bereich erste berufliche Erfahrungen zu sammeln“, berichtet sie. Zudem bieten viele Arbeitgeber aus Branchen, die dringend engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen, Möglichkeiten für eine rasche Qualifizierung. Grundsätzlich empfehle sich vor einem Wechsel eine Berufsberatung, um die eigenen Ideen zu sortieren.
Welche Ausbildungsberufe gibt es mit der Thematik Umwelt?
Allein in Industrie und Handel gibt es viele Berufe, die sich mit Nachhaltigkeit und Umwelt befassen, berichtet Berufsberater Thorben Klein. Zum Beispiel die Fachkraft für Rohr-, Kanal-, und Industrieservice oder die Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft. „Zusätzlich machen es sich viele Firmen zur Aufgabe, die Umwelt zu schonen und nachhaltig zu handeln, ohne dass der Beruf dies vielleicht erahnen lässt“, sagt er.
Auslandsaufenthalt während der Ausbildung ist möglich
Kann ich während meiner Ausbildung auch ins Ausland gehen?
„Ein Auslandsaufenthalt während der Ausbildung ist machbar“, sagt Berufsberater Klein. Es gebe verschiedene Möglichkeiten. „Wenn zum Beispiel der Ausbildungsbetrieb eine Niederlassung im Ausland hat, kann ein Auslandsaufenthalt geplant werden“, erklärt er. Einzelheiten können dann mit dem Ausbilder besprochen werden.
Als Schülerin interessiere ich mich für die Ausbildung zur Malerin, Fachrichtung Kirchenmalerei und Denkmalpflege. Wie viele Ausbildungsplätze dafür gibt es? Wie groß ist die Chance auf eine Lehrstelle?
In Schwaben gibt es nur wenige Ausbildungsbetriebe, die diese im Bereich Maler und Lackierer anbieten, sagt Berufsberater Röhrle von der Handwerkskammer. Deshalb sollte man sich rechtzeitig um einen Ausbildungsplatz bemühen. „Es gibt allerdings im Handwerk noch weitere Ausbildungsberufe, in denen man sein gestalterisches Talent einbringen kann“, sagt er. Zum Beispiel in der Ausbildung zum Stuckateur oder zum Schilder- und Lichtreklamehersteller.
Hier finden Sie Unterstützung bei der Lehrstellensuche
Wer weiß, welchen Beruf er ergreifen möchte, muss noch eine passende Lehrstelle finden. Hier finden Sie Hilfe:
Lehrstellenoffensive Die „Leo“ will Betriebe und künftige Azubis zusammenbringen. Dazu kann man als Schüler oder Interessent auf sich aufmerksam machen: Einfach das Formular unter www.leo-verbindet.de ausfüllen und einschicken. Am Samstag, 16. Mai, erscheinen die Gesuche und die Angebote der Lehrstellenbetriebe in unserer Zeitung.
Azubi-Movie Stellen und Videos von Unternehmen aus der Region gibt es auch unter azubimovie.de.
Beratungsangebote und Börsen Die Industrie- und Handelskammer bietet eine Übersicht unter ihk-lehrstellenboerse.de. Für eine Berufsberatung meldet man sich unter berufsorientierung@schwaben.ihk.de oder telefonisch unter 0821/3162-325 an. Infos zum Auslandsaufenthalt in der Ausbildung gibt es auf www.schwaben.ihk.de, wo im Suchfeld die Nummer 1260 eingegeben werden muss. Die Handwerkskammer veröffentlicht Stellen unter lehrstellen-radar.de. Die Bundesagentur für Arbeit bietet Informationen im online abrufbaren „Berufenet“, dazu gibt es eine Stellenbörse.
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