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Lehrstellenoffensive 2015: Wie eine Zahnarzthelferin Heilerziehungspflegerin wurde

Lehrstellenoffensive 2015

Wie eine Zahnarzthelferin Heilerziehungspflegerin wurde

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    Wie eine Zahnarzthelferin Heilerziehungspflegerin wurde
    Wie eine Zahnarzthelferin Heilerziehungspflegerin wurde

    Konzentriert klebt Christian kleine Kärtchen auf die blaue Tafel: Aufstehen, Frühstücken, Anziehen, Zähneputzen und zur Arbeit gehen – das sind die Aufgaben, die der 20-Jährige am Vormittag erledigen muss. Damit er sie nicht vergisst, macht er jeden Abend einen Tagesplan. Marion Jenewein steht daneben und schaut zu. Als er fertig ist, lobt sie den jungen Mann.

    Christian ist geistig behindert und lebt mit vier anderen Jugendlichen in einer Wohngemeinschaft von Regens Wagner im Dillinger Stadtteil Steinheim. Marion Jenewein betreut mit zwei Kollegen die fünfköpfige Gruppe. Die 25-Jährige aus Mödingen macht eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin.

    „Man erfährt viel Herzlichkeit und Dankbarkeit“

    Inzwischen sind auch Arthur und Tobias nach Hause gekommen. Jenewein setzt sich zu den beiden an den Küchentisch. Sie trinken Kaffee und erzählen sich gegenseitig, wie ihr Tag war. „Das ist unser Ritual“, sagt die junge Frau. Der 21-jährige Arthur ist heute kaum zu bremsen. Er hat sich in der Arbeit über eine Kollegin geärgert. Jenewein hört sich alles an und beruhigt ihn etwas. Es sei wichtig, zuzuhören und sich in die Bewohner hineinzuversetzen, sagt Jenewein. Dann bekomme man viel zurück. Sie schwärmt: „Man erfährt viel Herzlichkeit und Dankbarkeit – auch für kleine und banale Dinge.“ Man merkt, dass die 25-Jährige ihren Traumberuf gefunden hat.

    Allerdings wäre sie beinahe woanders gelandet. Nach der Schule hat sie zunächst eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin gemacht. „Ich wollte etwas mit Menschen machen, und ein Praktikum beim Zahnarzt hat mir ganz gut gefallen.“ Dass es den Beruf der Heilerziehungspflegerin gibt, wusste sie damals gar nicht. Fünf Jahre arbeitete sie als Arzthelferin. Richtig glücklich wurde sie nicht. Jenewein sagt: „Mich hat der Beruf nicht ganz ausgefüllt.“ Über eine Freundin kam sie zu Regens Wagner.

    Frühdienst beginnt um 6 Uhr, Spätschicht kann bis 22 Uhr dauern

    Dort arbeitete sie zunächst ehrenamtlich in einer der Wohngruppen für Behinderte. Sie ging mit den Bewohnern spazieren oder spielte mit ihnen. Jenewein merkte schnell, wie sehr sie die Arbeit genoss. Sogar ihren Urlaub verbrachte sie mit den Kindern und Jugendlichen. Ein Schlüsselerlebnis für sie war, als sie ein Bewohner eines Tages umarmte und sagte: „Ich freue mich, dass du da bist.“ Da entschied sie sich, ihren Job als Zahnarzthelferin aufzugeben und die fünfjährige Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin zu machen. 25 Stunden arbeitet sie jetzt in der Wohngruppe und 15 Stunden geht sie in die Berufsschule.

    Die Entscheidung hat sie bisher nicht bereut. „Jeder Tag ist anders, und ich weiß, dass meine Arbeit den Menschen etwas bringt“, sagt sie. Schwierige Arbeitszeiten gehören allerdings dazu. Der Frühdienst beginnt um 6 Uhr und bei der Spätschicht kann es schon einmal 22 Uhr werden, erzählt Jenewein. Außerdem gibt es eine Nachtbereitschaft. Ein Betreuer muss jede Nacht in der Wohngruppe schlafen. Er passt auf, dass die Jugendlichen nicht zu laut Musik hören oder spendet bei Albträumen Trost. Auch am Wochenende ist immer ein Betreuer vor Ort.

    Im ersten Ausbildungsjahr bekomme man 900 Euro netto

    Trotzdem hat Regens Wagner keine Probleme, die 18 Ausbildungsplätze im Bereich Wohnen für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung zu besetzen. Leiterin Jutta Helber sagt: „Es ist ein attraktiver Beruf, in dem man nicht schlecht verdient.“ Im ersten Ausbildungsjahr bekomme man 900 Euro netto. Außerdem kämen Schicht- und Sonntagszulagen dazu.

    Die Arbeit ist allerdings nicht immer ganz leicht. Helber sagt: „Es gibt Autisten, die sich selbst verletzen. Andere Bewohner wiederum sind aggressiv gegenüber anderen. Das muss man aushalten können.“ Allerdings gebe es dafür immer einen Grund, ergänzt Marion Jenewein. Und viel öfter komme es vor, dass man umarmt und freudig von den Bewohnern begrüßt werde.

    Hürden sind dazu da, überwunden zu werden. Das gilt gerade auch beim Berufseinstieg. Mit der Lehrstellenoffensive unserer Zeitung wollen wir junge Menschen auf dem Weg in den Beruf unterstützen. Es ist eine gemeinsame Aktion mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben, der Handwerkskammer für Schwaben (HWK) sowie den Arbeitsagenturen der Region. Alle Informationen zur Lehrstellenoffensive 2015 gibt es unter www.leo-bayern.de.

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