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Schulmodell: Flexible Grundschule: Wenn Erst- und Zweitklässler gemeinsam lernen

Schulmodell

Flexible Grundschule: Wenn Erst- und Zweitklässler gemeinsam lernen

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    Viele Lehrer sehen Vorteile darin, ihre Schüler in jahrgangsgemischten Klassen zu unterrichten. Manche Eltern dagegen haben die Sorge, dass ihre Kinder zu kurz kommen könnten.
    Viele Lehrer sehen Vorteile darin, ihre Schüler in jahrgangsgemischten Klassen zu unterrichten. Manche Eltern dagegen haben die Sorge, dass ihre Kinder zu kurz kommen könnten. Foto: Bernd Wüstneck/zb, dpa

    Was macht eigentlich ein Igel, wenn es Winter wird? Wo lebt er gerne und welche Feinde hat das stachelige Tier? All das lernen die Grundschulkinder gerade im Heimat- und Sachkunde-Unterricht bei Marianne Ernst, Lehrerin und Konrektorin an der Grund- und Mittelschule Oettingen im Landkreis Donau-Ries. Das Besondere an ihrem Unterricht: Die Erst- und Zweitklässler werden gemeinsam in einer Klasse unterrichtet. „Ich nehme mit allen Kindern das Gleiche durch“, sagt Marianne Ernst, „aber die Erstklässler bekommen leichtere Arbeitsblätter und schreiben leichtere Proben als die Kinder in der zweiten Jahrgangsstufe.“

    Erst- und Zweitklässler helfen sich gegenseitig

    Diese Art der Schule heißt in Bayern Flexible Grundschule. Sie steht für ein pädagogisches Konzept, in dem das Von- und Miteinanderlernen im Mittelpunkt steht. Dazu gehört auch, dass die Schüler in jahrgangsgemischten Klassen unterrichtet werden. „Es gibt aber auch Schulen“, erklärt Maria Wilhelm, Grundschulexpertin am Kultusministerium München, „die sind vom Wert der Jahrgangsmischung so überzeugt, dass sie die Jahrgangsmischung auch in den Stufen drei und vier fortsetzen.“

    So ist es auch an der Grundschule Oettingen, in der Marianne Ernst unterrichtet. Seit zehn Jahren beschäftigt sie sich mit dem Konzept der Flexiblen Grundschule, seit 45 Jahren ist sie Grundschullehrerin. „Ich wollte immer so unterrichten, wie ich es in der Flexiblen Grundschule jetzt tue. Als ich anfing, da hatte ich noch Klassen mit 42 Kindern.“ Dort habe es immer Schüler gegeben, die konnten schon viel mehr als andere. „Die einen waren in der Warteschleife und die anderen kamen nicht hinterher. Jetzt gibt es keinen Schüler mehr bei mir, der sich unter- oder überfordert fühlt.“

    Wie genau läuft der Unterricht bei Marianne Ernst aber eigentlich ab? Den Großteil der Zeit verbringen die Kinder gemeinsam im Klassenzimmer und erarbeiten dieselben Inhalte in Pärchen oder Gruppen, aber auf unterschiedlichem Niveau.

    „Da kann ein Zweitklasskind einem Erstklasskind beispielsweise beim Lesenlernen helfen.“ Das sei ein zusätzlicher Pluspunkt. Denn ein Kind, das einem anderen Kind etwas erklären kann, hat es verstanden und kann sein Wissen weitergeben. „Das schafft ein gutes Selbstwertgefühl.“

    Es gibt aber auch Lerninhalte, da werden die Kinder in Gruppen getrennt. Zum Beispiel wenn die erste Jahrgangsstufe die Buchstaben des Abc lernt. „In dieser Zeit kommt eine Ergänzungslehrkraft dazu. Sie ist gesetzlich vorgeschrieben und unterrichtet dann die Zweitklässler zeitgleich, etwa in Rechtschreibung.“ Anschließend kommen die Kinder wieder zusammen.

    In der vergangenen Woche haben sich die Kinder bei Marianne Ernst zum Beispiel mit Texten über Sankt Martin beschäftigt. „Da habe ich fünf verschiedene Stufen mit Leseübungen. Ein Zweitklasskind, das nicht so fit ist im Lesen, kann sich eine leichtere Übung heraussuchen. Und ein Erstklasskind, das schon lesen kann, nimmt sich eine höhere Stufe.“

    Flexible Gundschule bedeutet für viele Chancengleicheit

    In dieser Art zu lernen sieht auch Susanne Geiger viele Vorteile. Sie ist Rektorin an der Grundschule Mering Ambérieustraße im Landkreis Aichach-Friedberg und sagt: „Die Flexible Grundschule geht auf Individualität ein, die Schüler werden dort abgeholt, wo sie stehen. Das ist für mich Chancengleichheit.“ Für Geiger gehe es um gleiches Recht für alle. „Es ist für mich die Antwort auf die Kinder von heute.“

    Das Konzept der Flexiblen Grundschule ist allerdings für viele Eltern ungewohnt. Manche Mütter und Väter befürchten, dass ihre Kinder zu kurz kommen. Oder dass die Zweitklässler nur die Hilfslehrer seien, erzählt Marianne Ernst aus Oettingen. „Man muss das den Eltern in Ruhe erklären, warum die Kinder von dieser Unterrichtsform profitieren können.“ Das sei wie Lernen unter Geschwistern. „Der Kleine kann sich vom Großen etwas abschauen. Der Große kann dem Kleinen etwas erklären.“ Die Eltern gut zu informieren, ist auch für Susanne Geiger aus Mering wichtig. „Denn nur dann sind die Mütter und Väter aufgeschlossen, wenn sie ganz genau wissen, wie der Unterricht in den gemischten Klassen abläuft und wie ihre Kinder lernen.“

    Die Rückmeldung von den weiterführenden Schulen, die die Kinder nach der Grundschule besuchen, ist laut Marianne Ernst seit Jahren positiv. „Die Lehrer dort erzählen mir, dass die Kinder ein sehr gutes Selbstwertgefühl haben.“ Das bestätigt auch Rektorin Susanne Geiger von der Grundschule Mering Ambérieustraße: „Unsere Kinder sind sehr gut selbst organisiert und lernen früh, Verantwortung in der Schule und für ihre Hausaufgaben zu übernehmen.“ Sie seien sozial gegenüber ihren Klassenkameraden, weil sie gelernt haben, im Unterricht zusammen zu arbeiten und aufeinander Rücksicht zu nehmen.

    Lesen Sie auch: Studie warnt vor massivem Lehrermangel an Grundschulen

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