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Erziehung: Verweis für zu viel Nähe

Erziehung

Verweis für zu viel Nähe

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    Das richtige Maß aus Nähe und Distanz im Umgang mit Schülern zu finden, ist für Lehrer wichtig. Die sozialen Medien machen den Balanceakt komplizierter – das Kultusministerium empfiehlt, die Angebote defensiv zu nutzen. Daran scheinen sich jedoch nicht alle zu halten, wie die Vorwürfe einiger Schüler an einem Gymnasium in Lauingen (Landkreis Dillingen) zeigen.
    Das richtige Maß aus Nähe und Distanz im Umgang mit Schülern zu finden, ist für Lehrer wichtig. Die sozialen Medien machen den Balanceakt komplizierter – das Kultusministerium empfiehlt, die Angebote defensiv zu nutzen. Daran scheinen sich jedoch nicht alle zu halten, wie die Vorwürfe einiger Schüler an einem Gymnasium in Lauingen (Landkreis Dillingen) zeigen. Foto: Andrea Warnecke, dpa (Symbolfoto)

    Philipp Schwedes, Lehrer für Deutsch und Musik an der Via-Claudia-Realschule in Königsbrunn (Kreis Augsburg), blickt auf knapp 20 Jahre Berufserfahrung zurück. In dieser Zeit hat der 48-Jährige einige Veränderungen erlebt. „Vieles läuft heute über die Beziehung zu den Schülern – Druck und Strenge werden dadurch gerne ersetzt.“ Das richtige Maß aus Nähe und Distanz zu finden, sei nicht unbedingt einfacher geworden – die sozialen Medien hätten daran einen großen Anteil. „Wie im Klassenzimmer sollte es der Anstand eigentlich auch in der digitalen Welt verbieten, das Aussehen von Schülern zu kommentieren“, sagt Schwedes. Genau dazu würden die Konzepte von Facebook oder Instagram allerdings einladen.

    Das zeigen auch die Vorwürfe einiger Schüler an einem Gymnasium in Lauingen (Landkreis Dillingen): Von unangebrachten Kommentaren der Lehrer in sozialen Medien ist dabei die Rede – und von regelrechten Alkoholexzessen bei Feiern. „Das Bedürfnis, mich mit Schülern zu betrinken, ist gleich null“, sagt Schwedes. Und das sei bei den meisten Kollegen wohl genauso – denn abseits des Schulalltags sei man immer noch Lehrer. Zoran Gojic, stellvertretender Pressesprecher des Kultusministeriums, weist darauf ebenfalls hin: Auch außerhalb des Dienstes seien Lehrkräfte verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die ihr Beruf erfordern. Mehr zu den Vorwürfen in Lauingen lesen Sie hier: Belästigung an Lauinger Gymnasium? Das sagt der Therapeut der Betroffenen

    An einem Augsburger Gymnasium gibt es für Lehrer einen Social-Media-Kodex

    Grenzüberschreitungen seien zwar menschlich und kämen deshalb auch an Schulen vor, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). Die Anschuldigungen, die derzeit um das Lauinger Gymnasium kreisen, seien allerdings „krass“ und nicht die Regel. Die richtige Balance aus Nähe und Distanz zu den Schülern zu finden, sei „ganz wichtig“ – generell jedoch schon schwieriger geworden. Eine erhebliche Rolle spielten dabei die sozialen Medien. Lehrer treten dort meist als Privatpersonen auf und können – zumindest, wenn sie denn mit ihrem richtigen Namen angemeldet sind – von Schüler wie Eltern leicht gefunden werden. Das Kultusministerium empfiehlt einen „defensiven Umgang“ mit Facebook, Instagram und Co. Fleischmann rät Lehrern ebenfalls, möglichst wenig von sich im Netz preiszugeben: „Sie sollten dort im Idealfall so gut wie nichts posten.“

    In der Realität nutzen jedoch viele junge Menschen die sozialen Netzwerke regelmäßig – Pädagogen sind wohl keine Ausnahme. Auch deshalb legt das Augsburger Maria-Ward-Gymnasium großen Wert auf digitale Bildung, sagt Schulleiterin Susanne Kofend. Schüler werden zu Medienscouts ausgebildet, um die fünften bis siebten Klassen im Umgang mit Morddrohungen oder Hetzposts in sozialen Netzwerken zu schulen. Und Lehrer sollen ebenfalls sensibilisiert werden: Seit einiger Zeit haben sie sich an einen Social-Media-Kodex zu halten. „Im digitalen Leben müssen dieselben Regeln gelten wie im Alltag“, sagt Kofend. Wenn die Lehrer Beiträge posten oder teilen, sollten sie immer im Hinterkopf haben, dass sie auch im Netz mit ihrer Schule in Verbindung gebracht werden und sie repräsentieren.

    Die Pädagogen des Augsburger Gymnasiums dürfen sich laut Kofend mit Kindern und Jugendlichen, die sie unterrichten, nicht vernetzen oder mit ihnen schreiben. Die Kommunikation der Lehrkräfte mit Schülern und Eltern erfolge ausschließlich per E-Mail – ab der zehnten Klasse stellt die Schule allen Jugendlichen ein iPad zur Verfügung. Die Vorschriften findet auch Arian, der die elfte Jahrgangsstufe besucht, gut. Mitschüler, die aktiv nach den Profilen der Lehrer suchen, gebe es zwar mit Sicherheit: „Die meisten wollen mit ihnen aber gar nicht befreundet sein.“ Ein Umgang auf Augenhöhe mit den Lehrern sei wichtig, es müsse aber auch deren Autorität gewahrt werden. Den Mittelweg zu finden, sei der entscheidende Punkt, sagt Schulleiterin Kofend. „Die Kollegen haben meist ein gutes Gespür dafür.“ Klare Regeln gebe es dennoch – beispielsweise bei Klassenfahrten oder Veranstaltungen. „Mit den Schülern am Abend noch ein Bierchen zu trinken, gehört einfach nicht dazu“, sagt die Schulleiterin. Manch junger Lehrer müsse abseits des Schulalltags die Grenzen erst noch herausfinden: „Bei Fahrten oder Ausflügen ist es bei uns gang und gäbe, ihnen eine erfahrene Lehrkraft an die Seite zu stellen.“

    Umgang junger Lehrer mit Schülern spielt bei Beurteilung wichtige Rolle

    An der Realschule in Königsbrunn werden junge Lehrkräfte ausgebildet. Deren Umgang mit den Schülern spiele in der Beurteilung eine wichtige Rolle, sagt Schulleiter Peter Schwarz: „Ausgewogenheit zwischen Nähe und Distanz ist enorm wichtig.“ Auch er betont: Die sozialen Medien hätten es nicht leichter gemacht, das Privatleben vom Beruf zu trennen. „Ein kompetenter Lehrer sollte das aber weiter in der Hand haben“, sagt Schwarz. Sein Kollege Carsten Storch, Lehrer für Englisch und Geschichte, ist seit zehn Jahren im Dienst. Unter seinem Klarnamen ist er auf Facebook und Instagram nicht zu finden, seine Handynummer für Schüler tabu: „Wir sind hier, um Wissen zu vermitteln, nicht um Freundschaften zu schließen.“

    Jonatan Fröhlich ist einer der Referendare an der Königsbrunner Realschule, unterrichtet Mathematik und Musik. „Wichtig ist, dass sich Lehrer für ihre Schüler interessieren. Dann lässt es sich pädagogisch besser arbeiten.“ Doch es gebe klare Grenzen – privat sollten Pädagogen ihren Schülern wenn, dann zufällig begegnen: „Das lässt sich natürlich nicht vermeiden. Wenn man sich in der Fußgängerzone trifft, sollte es aber ausreichen, sich zu grüßen.“

    Auch der 27-Jährige ist in den sozialen Medien aktiv. „Mit seinen Schülern sollte man sich nur vernetzen, wenn man einen Account wirklich als Lehrer und nicht als Privatperson nutzt“, sagt er. Das sei zum Beispiel bei der Unterrichtsmethode Flipped Classroom („Umgedrehter Unterricht“) der Fall: Lehrkräfte erklären den Unterrichtsstoff in Videos und laden diese auf Youtube oder anderen Plattformen hoch. „Ich finde, das ist ein guter Ansatz“, sagt Fröhlich.

    Viele Kinder setzen beim Lernen mittlerweile auf Youtube. Mehr dazu lesen Sie hier: Nachhilfe auf Youtube - was bringt das?

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