So ein richtiger Gradmesser seien die Franzosen. Man wisse dann gleich, wo man stehe, sagen die Experten (die nun aber schleunigst wieder von Virus auf Fußball umschulen müssen). Die Deutschen starten am Dienstag nun also auch endlich in die Europameisterschaft (21 Uhr, ZDF) und glaubt man all jenen, die sich von Berufs wegen mit Fußball beschäftigen (Trainer, Spieler, örtliche Auto-Tuner), sollten die deutschen Kicker froh sein, wenn sie keine schmerzhafte Packung spanischen Ausmaßes kassieren. Schließlich gastiert da der Weltmeister in der Münchner Arena, die während der EM nicht Allianz-Arena heißen darf, weil die Uefa aus Gründen der Compliance (Spaß muss sein) Stadionsponsoring während der EM nicht erlaubt.
Der Marktwert der französischen Stars ist weitaus höher als jener der deutschen. Kylian Mbappe gilt als laufende Naturgewalt, der Rest des Kaders: a la bonheur, wie Karl-Heinz Rummenigge sagen würde.
Dabei wird außer Acht gelassen, dass jeder der ach so gelobten Überkicker mindestens einen Schwachpunkt hat. Bei genauerem Hinsehen sind es letztlich die Franzosen, die sich fürchten sollten.
Hugo LlorisDass der 34-Jährige immer noch Stammtorwart und Kapitän des Teams ist, zeigt schon eine große Schwachstelle. Denn: Für ihre Keeper war Frankreich noch nie wirklich bekannt. Ein Blick auf Lloris – und man weiß, warum. Natürlich bricht er sich nicht die Finger, beim Versuch, den Ball aufzuklauben. Seit neun Jahren hütet er das Tor der Tottenham Hotspurs. Eines Vereins, dem es an Klasse fehlt, um einen Titel zu gewinnen.
Benjamin PavardDer FC Bayern machte vergangene Saison wegen des sensationellen Robert Lewandowski von sich Reden – und einer durchlässigen Abwehr. Darin riss Pavard eher Löcher, als dass er sie flickte. Seinen Stammplatz verlor er zeitweise an Niklas Süle, einem Mensch gewordenen Schrank, der bei den Deutschen lediglich auf der Bank sitzt.
Raphael VaraneWegen einer Corona-Infektion und einer kleineren Verletzung verpasste der Innenverteidiger die Schlussphase der Saison. Im Rhythmus befindet er sich nicht. Mit Real scheiterte er im Halbfinale der Champions League und wurde nur Meisterschafts-Zweiter. Wenn das der Stabilisator der französischen Hintermannschaft sein soll: gut für Deutschland.
Presnel Kimpembe In der zweitklassigen französischen Liga mit Paris kaum gefordert. Wurde auf internationaler Bühne zwei Mal vom Münchner Reservestürmer Eric-Maxim Choipo-Moting düpiert.
Lucas Hernández Keiner wird auf den Gedanken verfallen, in ihm einen Grund für die Münchner Meisterschaft zu sehen. Fiel nicht unangenehm auf – das reicht offenbar für die Nationalmannschaft.
N’Golo Kanté Niemand, der ein schlechtes Wort über ihn verliert. Sehr auffällig: Wer keine Feinde hat, ist zu gutmütig für den Profissport.
Paul Pogba Ist eher nicht zu gutmütig für den Profisport. Hält sich für Gottes Geschenk an den Fußball. Schafft es nicht, das traditionsreiche Manchester United aus dem Schatten des Stadtrivalen Manchester City zu führen. Ligatreffer in der vergangenen Saion: drei. Bisschen wenig für einen vermeintlichen Weltklassespieler.
Adrien Rabiot Duelliert sich mit Corentin Tolisso um den letzten freien Platz im Mittelfeld. Tolisso spielte beim FC Bayern zuletzt überhaupt keine Rolle. Rabiot in Turin immerhin schon – in einer Mannschaft, die erstmals seit 2011 nicht Meister wurde. Muss man auch erstmal schaffen.
Antoine Griezmann 13 Ligatore für das offensivstärkste Team der Primera Division. Hätte Choupo-Moting wahrscheinlich in der Vorrunde für Barcelona erzielt. Gut, dass der keinen französischen Pass hat.
Kylian Mbappé Ist nicht schlecht. Hat in der Liga 27 Mal getroffen. Davon allerdings sechs Elfmeter. Kevin Volland hat für Monaco aber immerhin auch 16 Tore erzielt – ohne Strafstöße und für eine Kovac-Mannschaft. Volland dürfte sich somit auf einem Niveau mit Mbappe bewegen – ist aber nur Ergänzungsspieler im deutschen Kader.
Karim Benzema Der Unterschied zu Konkurrent Olivier Giroud: "Man vergleicht die Formel 1 nicht mit Kartfahren." Sagt Benzema. Flog einst aus der Nationalmannschaft, weil er den Kollegen Mathieu Valbuena mit einem Sexvideo erpressen wollte. Wurde nun nach fast sechs Jahren begnadigt. So einen Sonnenschein hat man einfach gerne in der Mannschaft.
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