Er wolle schon noch den Konkurrenzkampf am Laufen halten, kündigte Joachim Löw nach dem 7:1 gegen Lettland an. Immerhin stünden ja noch einige intensive Einheiten an, man könne sich präsentieren – Trainersprech eben. Löw sagte allerdings auch: "Ein Großteil der Mannschaft, die man heute gesehen hat, wird auch gegen Frankreich starten." Für etliche Spieler hat das zur Folge, der ersten EM-Partie am kommenden Dienstag wohl eher mit gemischten Gefühlen entgegenzublicken. Zwar hat die Uefa kulanterweise erlaubt, diesmal 26 Spieler in den Kader zu berufen, erhöhte aber unverständlicherweise nicht auch die Anzahl der Akteure, die zu Spielbeginn auf dem Platz stehen dürfen. So bleiben nun ungleich mehr Enttäuschte zurück.
Der erst 18-jährige Jamal Musiala wird sich keine Hoffnungen auf einen Startelfeinsatz gegen Frankreich gemacht haben – selbst bei seinem Münchner Arbeitgeber verfolgt er den Spielbeginn meist von der Bank aus. Einige seiner Teamkollegen waren aber doch mit größeren Ambitionen ins Trainingslager nach Seefeld gereist. Mittlerweile hat die Mannschaft ihr Quartier in Herzogenaurach. Dort steht laut Löw nun die "Feinabstimmung" an.
Eine Tätigkeit, bei der einige Spieler eine andere Rolle einnehmen, als sie sich das vorgestellt hatten.
- Leroy Sané Die Beziehung zwischen Sané und der Nationalmannschaft bleibt kompliziert. Während er sich beim FC Bayern nach Anlaufschwierigkeiten einen Stammplatz erkämpfte, offenbart er im Dress des DFB noch oft die Attitüde, die ihn um die WM 2018 brachte. Jede seiner Bewegungen lässt die Hochbegabung erkennen. Allzu oft lässt er der Ahnung auf Außergewöhnliches aber Lässigkeiten irrwitzigen Ausmaßes folgen. Im Test gegen Dänemark wies ihn Joshua Kimmich lautstark zurecht ("Hör auf zu jammern, Alter!"), gegen Lettland wurde ihm Kai Havertz vorgezogen, der dank einer famosen Leistung im Ranking an ihm vorbeigezogen sein dürfte. Für Sané wird somit anfangs nur der Platz auf der Bank bleiben.
- Jonas Hofmann Anders als Sané dürfte der Gladbacher nach seiner Nominierung kaum mit einem Stammplatz spekuliert haben. Dann aber lobte ihn der Bundestrainer auffällig offen. Als rechtes Glied der Mittelfeld-Fünferkette hätte "Jonas es gut gemacht, weil er tiefe Laufwege geht, bis zur Grundlinie durchbricht und gute Flanken schlägt". Das Problem dabei: Löw bezog sich einzig auf die Trainingseinheiten. In den beiden Testspielen kam der 28-Jährige nur auf insgesamt fünf Spielminuten. Der Bundestrainer greift offensichtlich lieber auf den zentralen Mittelfeldspieler als Aushilfsaußen zurück. Für Hofmann bleibt der Part des Sparringspartners.
- Leon Goretzka Galt als gesetzt im deutschen Mittelfeld. Wie auch immer Löw seine Elf zuletzt komponierte: Für Goretzka fand er immer einen Platz. Dann zog sich der Bayern-Star Anfang Mai einen Muskelfaserriss zu und nun befindet er sich lediglich in der Rolle des Herausforderers. Ilkay Gündogan und Toni Kroos repräsentieren eher künstlerische Klasse im Zentrum, Goretzkas Wucht könnte der Mannschaft guttun. Ein Einsatz gegen Frankreich aber dürfte zu früh kommen.
- Leipziger Flügelduo Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg galten vor nicht langer Zeit als mögliche Stammspieler. Dann drehte Robin Gosens in den Testspielen unerhört auf, Klostermann tauchte unter und Halstenberg verletzte sich. So schnell können Hoffnungen versickern. Gosens hat sich links festgespielt und sollte Löw Kimmich von der rechten Seite ins Zentrum beordern, dürfte Jonas Hofmann davon profitieren. Womit dann immerhin einer der Verlierer auf einmal Gewinner wäre.
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