Frau Straub, Sie sind Musikerin, Psychologin, Autorin – alles in dieser Reihenfolge?
SARAH STRAUB: Ja, Sängerin und Komponistin wollte ich schon als Kind werden und habe die Musik mit Anfang 20 zu meinem Beruf gemacht. Nachdem ich einige Jahre mit englischsprachiger Musik unterwegs war und mit unglaublich tollen Künstlern wie Lionel Richie, James Blunt oder Joe Cocker auf der Bühne stehen durfte, arbeite ich inzwischen eng mit dem Liedermacher Konstantin Wecker zusammen. Er brachte mich dazu, deutsche Texte zu schreiben, sodass ich heute als Liedermacherin auf der Bühne stehe. Psychologie habe ich nach der Schule eigentlich nur nebenher studiert. Da meine Oma, der ich sehr nahestand, dann an Demenz erkrankt ist, wurde dieses Thema für mich unglaublich drängend und prägend. Ich baute mir neben der Musik ein zweites berufliches Standbein auf, um mich für Demenzpatienten und pflegende Angehörige engagieren zu können. Inzwischen habe ich als Leiterin einer Demenzambulanz am Universitätsklinikum Ulm und mit meinen Büchern für pflegende Angehörige ein weiteres Herzensthema zum Mittelpunkt meines Lebens gemacht. Ich bin Musikerin, Psychologin und Autorin, und alles hat gleichviel Platz in meinem Leben.
Was bedeutet Ihre Musik für Sie?
STRAUB: Die Musik ist mein Ventil, beim Komponieren kann ich all die Erlebnisse verarbeiten, die das Leben schreibt. Gleichzeitig ist die Bühne mein Lebenselixier: Ich liebe es, für mein Publikum zu singen, es gut zu unterhalten und zum Lachen zu bringen. Ich sehe es als meine Aufgabe, Menschen zu inspirieren, auch schweren Themen mit Leichtigkeit zu begegnen. Deswegen erlaube ich mir auch, auf meinen Konzerten das Thema Demenz anzusprechen. Ich möchte meinem Publikum und allen Menschen Mut machen, sich damit auseinanderzusetzen.
Wie kamen Sie zur Demenzarbeit?
STRAUB: Als ich Anfang 20 war, erkrankte meine Oma an Demenz. Ich wollte mich gerne selbst um sie kümmern, war aber als pflegende Angehörige total überfordert. Ich wusste damals nichts über Demenz, und diese Hilflosigkeit hat mein Leben ganz schön auf den Kopf gestellt. Obwohl ich zu der Zeit schon eine Musikkarriere gestartet hatte, habe ich dann gleichzeitig eine Doktorarbeit zum Thema Demenz geschrieben und versucht, so viel wie möglich darüber zu lernen. Heute engagiere ich mich in meiner Ambulanz, Forschungsprojekten und mit viel Öffentlichkeitsarbeit für demenziell veränderte Menschen und ihre Angehörigen. Ich bin dankbar, eine Stimme zu haben, um das Thema aus der Tabu-Ecke zu holen.
Wie lassen sich Musik und Demenzarbeit miteinander verbinden?
STRAUB: Beide Berufe sind gleichwertig in meinem Leben. Ich bin viel auf Tour, arbeite aber auch in der Klinik. Besonders schön ist es für mich, dass ich beide Welten kombinieren kann – ich spreche auf meinen Konzerten über Demenz und mache bei meinen Demenzvorträgen Musik. Durch meine Lieder habe ich die Möglichkeit, dem Thema Demenz die Schwere zu nehmen und den Menschen auf meinen Veranstaltungen eine „Wohlfühlatmosphäre“ zu schaffen. Darüber bin ich sehr glücklich und mein Publikum auch.
Was bedeutet Ihnen die Arbeit mit Demenzpatienten?
STRAUB: Ich erlebe die Arbeit mit meinen Patienten als sehr erfüllend. Viele Familien, bei denen jemand an Demenz erkrankt ist, fühlen sich hilflos und alleingelassen. Ich sehe es als meine Aufgabe, diese Menschen zu begleiten, auch die Patienten selbst. Ich möchte ihnen das Gefühl geben, dass sie immer noch Teil unserer Gesellschaft sind, dass sie ein Recht haben auf ein gutes Leben und Teilhabe.
Wenn ich den Verdacht habe, dass Angehörige an Demenz erkrankt sind, was kann ich tun?
STRAUB: Der erste Schritt ist der Gang zum Hausarzt. Schon dieser kann nicht einfach sein, wenn die Betroffenen ihre Veränderungen verleugnen und nicht wahrhaben wollen. Dennoch ist es wichtig, mögliche Symptome ärztlich abklären zu lassen. Gedächtnisstörungen und andere Einbußen der geistigen Leistungsfähigkeit müssen nicht zwingend eine Demenzerkrankung wie die Alzheimer-Demenz bedeuten. Es gibt auch behandelbare Ursachen für solche Symptome. Daher ist eine genaue Abklärung wichtig. Der Hausarzt wird dann an einen Facharzt, einen Neurologen oder Psychiater, verweisen, der eine differenzierte Diagnostik macht. Auch der Besuch einer spezialisierten „Gedächtnissprechstunde“ kann sich lohnen. Sollte dann am Ende der Untersuchungen wirklich eine Demenzerkrankung diagnostiziert werden, ist es elementar, dass die Angehörigen sich gut beraten lassen. Hierfür gibt es in jeder Region Demenzberatungsstellen. Auch sollten dann Therapiemaßnahmen geplant und durchgeführt werden, weil man einer Demenz nicht hilflos ausgeliefert ist. Wir können sie noch nicht heilen, aber wir können sehr wohl etwas tun, um den Abbauprozess zu verlangsamen. Ein gutes Leben mit Demenz kann gelingen – aber dafür brauchen die betroffenen Familien viel Wissen und ein gutes Hilfenetzwerk.
Zur Person
Sarah Straub ist deutsche Liedermacherin, Psychologin und Autorin. Die 38-Jährige hat mit einer Arbeit über Demenzerkrankungen promoviert. Mehr Infos zum Konzert und Karten gibt es unter www.musikverein-wehringen.de.