Dicht an dicht reihen sich die Doppelbetten aneinander. Ähnlich wie die Regale einer Lagerhalle. Zwei Mädchen sitzen zusammen in einem Bett und spielen mit ihrem Smartphone. Davor sind die Teile eines Puzzles verstreut. Auf den Boden fällt nur ein schmaler Streifen Sonnenlicht durch die grauen Rollläden. Leises Murmeln erfüllt die stickige Luft.
Momentan wohnen im Ankerzentrum Untermeitingen etwa 185 ukrainische Flüchtlinge in drei Schlafsälen, erklärt Jan Berger. Er ist der Leiter der Einrichtung der Regierung von Schwaben. Junge Frauen mit Kindern machen davon über 90 Prozent aus. In allen Räumlichkeiten ist es auffällig ruhig. Selbst die kleinsten Kinder rennen nicht wild umher, sondern ziehen sich lieber mit einem Spielzeug in eine Ecke zurück. "Wenn die Flüchtlinge hier ankommen, sind die meisten sehr in sich gekehrt", berichtet Berger.
Flüchtlinge aus der Ukraine: Suchmaschine Google hilft bei der Kommunikation
Die Ankömmlinge haben oftmals eine tagelange Reise hinter sich und können Berger zufolge in der Unterkunft das erste Mal etwas durchatmen. Die meisten kamen am vergangenen Dienstag mit vier Bussen aus Polen in Untermeitingen an. Darunter auch Natalia, die gemeinsam mit ihrem Sohn, ihrer Schwester und ihrem Hund aus der ukrainischen Stadt Charkiw geflohen ist. "Wir waren seit dem 24. Februar unterwegs", sagt Natalia auf Englisch.
Die Sprache beherrschen allerdings nur wenige Flüchtlinge. Daher ist die Kommunikation laut Berger manchmal schwierig: "Oftmals verständigt man sich mithilfe von Übersetzungen einer Suchmaschine im Internet." Vom Personal könnten jedoch manche Ukrainisch oder Russisch. "Einige Betreuer haben selbst eine Einwanderungsgeschichte und sprechen teilweise auch Arabisch mit den Flüchtlingen", sagt Berger.
Ukrainische Frau möchte sich unbedingt für die Hilfe bedanken
Trotz Sprachbarrieren möchte eine ukrainische Frau unbedingt mit den Besuchern sprechen. Sie sagt etwas in ihrer Muttersprache, legt dann die Hände auf ihr Herz und ruft ein Mädchen herbei. "Meine Tante möchte Danke sagen, dass wir hier aufgenommen wurden", übersetzt ihre Nichte ins Englische. Die Erleichterung lässt bei beiden die Tränen fließen.
"Die Flüchtlinge sollen sich auch mit persönlichen Anliegen und emotionalen Themen gut aufgehoben fühlen", sagt der Leiter des Ankerzentrums. Dafür sind in zwei Schichten und von 8 bis 17 Uhr mehrere Betreuer vor Ort. Rund um die Uhr überwacht ein Sicherheitsdienst die gesamte Unterkunft.
Die meisten Flüchtlinge sind nur mit einer Tragetasche in Untermeitingen angekommen
Schränke gibt es keine. Die meisten Flüchtlinge kamen ohnehin nur mit einer Tragetasche in Untermeitingen an. Die paar Klamotten, die mitgenommen werden konnten, hängen kreuz und quer über die Gitter der Doppelbetten. Manche Flüchtlinge nutzen die Kleider auch als improvisierten Sichtschutz. Denn Privatsphäre gibt es in den engen Schlafsälen nicht.
In einem Speisesaal werden drei Mahlzeiten am Tag ausgegeben. An einer Bierzeltgarnitur schmiert sich ein junges Paar belegte Brote. Sie hatten das Glück, bereits registriert zu werden. Nun können die beiden eigenständig ein paar Lebensmittel einkaufen gehen. "Denn ohne Registrierung können die Flüchtlinge hier nicht auf ihr Konto zugreifen", sagt Berger.
In ärztlichen Sprechstunden wird über Impfungen aufgeklärt
Wichtiger als die Registrierung ist laut Berger ein schneller Corona-Test: "Denn die Impfquote ist leider sehr gering", sagt Berger. Ein- bis zweimal in der Woche wird den Flüchtlingen eine ärztliche Sprechstunde angeboten. Dafür wurde ein Behandlungszimmer in die Unterkunft integriert. Dabei werden die Ukrainer auch über verschiedene Impfungen aufgeklärt - nicht nur gegen Corona, sondern auch gegen Kinderkrankheiten wie die Masern.
In der vergangenen Woche wurden bereits die ersten positiven Corona-Fälle in eine Quarantäne-Unterkunft nach Inningen verlegt, teilte Frank Kurtenbach, der Leiter der schwäbischen Ankerzentren, mit. Aus diesem Grund konnte das erste Treffen mit ehrenamtlichen Helfern in Untermeitingen nicht stattfinden.
Die Registrierung soll vor Ort in Untermeitingen möglich werden
Sobald sich die Lage etwas entspannt hat, sollen auch die ersten Unterstützungsangebote in der Unterkunft geschaffen werden. Interessierte wenden sich an Viktoria Hadersdorfer von "Wir daheim auf dem Lechfeld". Außerdem wird daran gearbeitet, vor Ort ein Impfangebot zu schaffen. Zudem wird gerade eine eigene Registrierungsstelle aufgebaut. Bisher müssen die Flüchtlinge mit einem Shuttlebus zum Behördenzentrum nach Augsburg fahren.
Im Ankerzentrum sind erste kleine Sachspenden angekommen. Vor dem Gebäude malen Kinder bunte Blumen und Herzen mit Straßenkreide auf den Asphalt. Auf der kleinen Grasfläche werden Seifenblasen in die Luft gepustet. Auch die Ukrainerin Natalia genießt mit ihrem Hund die Sonne: "Es fühlt sich an wie ein komplett anderes Leben."