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Schwabmünchen: „Trauer ist keine Krankheit“

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„Trauer ist keine Krankheit“

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    Diakon Winfried Eichele und Uschi Baiter leiten den offenen Trauertreff in Schwabmünchen. Es gibt ihn bereits seit 2009.
    Diakon Winfried Eichele und Uschi Baiter leiten den offenen Trauertreff in Schwabmünchen. Es gibt ihn bereits seit 2009. Foto: Matthias Schalla

    Die Zeit zwischen den Jahren ist für viele, die einen geliebten Menschen verloren haben, nicht leicht. Erinnerungen werden wach. An das Silvestermenü im vergangenen Jahr, wo Oma oder Opa noch gemeinsam mit der Familie an einem Tisch saßen. An den Weihnachtsbaum, den der Vater selbst im Wald geschlagen hat. Oder an das Feuerwerk, das der Bruder alljährlich mit kindlicher Freude und einer dicken Zigarre in der Hand um Mitternacht gezündet hat. Es sind diese Momente, die den Angehörigen in aller Deutlichkeit klar machen, dass auf einmal ein Platz leer bleiben wird. Unwiderruflich. Diesen Menschen, die durch Krankheit oder Unfall einen geliebten Angehörigen verloren haben, will der offene Trauertreff in Schwabmünchen helfen. Und seit der ersten Stunde mit dabei sind Uschi Baiter und Diakon Winfried Eichele.

    „Der offene Trauertreff soll ein Angebot über den Tod hinaus sein“, sagt Andreas Claus, der Vorsitzende des Caritasverbands Schwabmünchen. In Kooperation mit der katholischen und evangelischen Kirche und der Hospizgruppe St. Elisabeth ist so ein Modell erstanden, dass unabhängig von der Konfession ein Wegbegleiter in schweren Stunden sein möchte.

    Uschi Baiter ist eine ausgebildete Trauerbegleiterin, die ehrenamtlich zusammen mit Winfried Eichele versucht, Trost und Unterstützung zu geben. Doch ein Patentrezept zur Trauerbewältigung gibt es nicht. „Wir können keinem die Trauer abnehmen“, sagt Baiter. „Aber wir können dabei sein und ihn auf seinem Weg ein Stück begleiten“. Und diese Begleitung wird immer wieder gerne angenommen.

    Durchschnittlich 15 Menschen kommen regelmäßig in den offenen Trauertreff ins Schwabmünchner Pfarrzentrum. Denn Trauer ist ein Gefühl, dass jeder kennt. Doch wie geht man mit der eigenen Trauer um?

    Und wie reagiert man, wenn man jemanden trifft, der gerade einen schmerzlichen Verlust erlitten hat? Baiter und Eichele kennen die Situation, wenn Menschen plötzlich die Straßenseite wechseln, weil ihnen beispielsweise der Nachbar entgegenkommt, der gerade seine Frau verloren hat. Situationen, in denen abrupt ein fröhliches Gespräch im Kollegenkreis verstummt, wenn plötzlich der Trauernde in schwarzer Kleidung ins Büro kommt.

    „Keinen Bogen um den Betroffenen machen“

    „Es ist wichtig, bei all der Trauer keinen Bogen um den Betroffenen zu machen“, rät Baiter. Trauernde würden nicht die perfekte Antwort erwarten. Vielmehr sei es wichtig, „den Tod nicht totzuschweigen“. Schließlich bleibe die Geschichte eines jeden Menschen bestehen. Und so könne auch nach Jahren noch ein großer Trost sein, wenn den Hinterbliebenen gesagt werde, „Mensch, der Fritz fehlt uns“.

    Ehrlichkeit sei bei der Trauerarbeit jedoch das oberste Gebot, betont Diakon Eichele. Dies sei unter anderem eines der wichtigsten Ergebnisse einer Gruppenarbeit im Trauertreff vor einigen Jahren gewesen. Auch mit guten Ratschlägen sollten Menschen vorsichtig sein. „Sie sind oft mehr Schläge als Rat“, sagt Eichele. Die Trauerarbeit habe vielmehr gezeigt, dass Betroffene sich offene Angebote wünschen: „Die Einladung zu einem Ausflug oder einem Essen kann beispielsweise dem Trauernden helfen“, betont Eichele. Allerdings müsse auch stets ein „Nein, danke“ akzeptiert werden.

    Baiter und Eichele haben seit 2009 viele Trauernde kommen und gehen gesehen. Die wichtigste Botschaft, die sie Betroffenen mitgeben wollen, ist, „Trauer ist keine Krankheit“. Die schwersten Momente seien jedoch, wenn sie an ihre eigenen Grenzen stoßen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich die Trauer zu einer manifesten Depression ausbildet. „Hier stellen wir dann mit dem Einverständnis der Betroffenen den Kontakt beispielsweise zum sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas her“, sagt Eichele.

    Doch trotz aller Trauer – die schönen Momente überwiegen. Und es darf bei den Treffen auch immer wieder mal gelacht werden. „Beides gehört zusammen“, sagt Eichele. Denn die Gemeinschaft trage sich untereinander und es sei für viele Teilnehmer immer wieder ein schönes Gefühl, verstanden zu werden. „Oft bekommen wir noch nach vielen Jahren positive Reaktionen“, sagt Baiter, die ihre Energie und Kraft für die schwierige Arbeit aus dem Glauben zieht. „Mich trägt mein Glaube“, betont sie. Ihr Glaube und das Gefühl, „dass kein Gespräch umsonst gewesen ist“.

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