Die Nachricht vom Verkauf des größten Schwabmünchner Arbeitergebers verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Der Kunststoffspezialist Ritter wird für 890 Millionen Euro vom amerikanischen Pharmazulieferer Avantor übernommen. Der Verkauf, der bis zum dritten Jahresquartal abgewickelt sein soll, wirft viele Fragen auf.
"Was ist mit der Zukunft des Stadtorts", will der Wirtschaftsreferent der Stadt, Konstantin Wamser, wissen. Und: "Bleiben die Arbeitsplätze erhalten?" Offen blieb am Dienstag auch die Frage, wie es mit dem geplanten Energiekonzept für das Neubaugebiet im Süden der Stadt weitergeht. Kann die Wärme von Ritter wie angedacht zur Wärmeversorgung genutzt werden, auch wenn künftig ein US-Unternehmern in Schwabmünchen den Ton angibt?
Was passiert mit den Arbeitsplätzen bei Ritter in Schwabmünchen?
"Das wichtigste Ziel ist jetzt der Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für die Region Schwabmünchen. Wir dürfen die hervorragende Entwicklung des Standortes, gerade in den Monaten der Pandemie, nicht aufs Spiel setzen. Denn lokale Unternehmen wie Ritter sind das zentrale Rückgrat für unsere heimische Wirtschaftskraft", sagt Arbeitsministerin Carolina Trautner. Auch für sie kam die Übernahme des schwäbischen Kunststoffspezialisten mit seinen über 500 Arbeitsplätzen überraschend.
Schwabmünchens Bürgermeister Lorenz Müller ließ sich von der Geschäftsleitung die Situation erklären. Nach einem zweistündigem Gespräch sagte er: "Wichtig ist, dass der Standort Schwabmünchen langfristig gesichert ist und vor allem die Arbeitsplätze der Mitarbeiter gesichert sind. Ich gehe nach meinen Informationen davon aus, dass Avantor weiterhin in den Standort Schwabmünchen investiert und die Zahl der Arbeitsplätze eher aufbaut. Ich bleibe in engem Kontakt zur Firma, um mit den Möglichkeiten der Stadt beizutragen, den Standort Schwabmünchen nicht nur zu sichern sondern nach Möglichkeit weiter zu stärken."
Bislang war nur bekannt, dass die Familieneigentümer Frank und Ralf Ritter einen Investor suchen, der den Vertrieb ins Ausland finanziert. Die Investmentbank Goldman Sachs wurde mit der Suche nach möglichen Partnern für die Medical-Sparte beauftragt. Nun wird das ganze Unternehmen verkauft.
Avantor, das seinen Sitz in Pennsylvania hat und zu den weltweit umsatzstärksten Unternehmen zählt, freut sich über die Zusammenarbeit mit Ritter. Ein Sprecher des Unternehmens teilte mit, dass die beiden Unternehmen das Engagement für Innovation und Präzision teilen und auf Nachhaltigkeit bedacht sind. Avantor heiße Ritters hochspezialisierte Arbeitskräfte willkommen. In den nächsten Monaten werde mit der Schwabmünchner Geschäftsleitung ein Plan ausgearbeitet, um die beiden vereinten Unternehmen bestmöglich für kontinuierlichen Wachstum zu positionieren. Was das konkret bedeutet, ließ der Sprecher noch offen. Details werden erst bekanntgegeben, wenn die Übernahme abgeschlossen ist.
Ritter in Schwabmünchen sucht neue Mitarbeiter
Vor allem die Sparte Medical, die Verbrauchsmaterialien für Labore wie Pipetten, Kartuschen und Flüssigkeiten-Spender herstellt, ist in jüngster Vergangenheit stark gewachsen: Der Bedarf an diesen Plastik-Materialien war infolge massenhafter Tests und Impfungen nach oben geschnellt. Entsprechend mehr neue Mitarbeiter suchte das Schwabmünchner Unternehmen, das einmal ganz klein begann.
Franz Peter Ritter begann 1965 in einem umgebauten Kuhstall. 1969 zog "Ritter plastic" nach Untermeitingen. Der Zwei-Mann-Betrieb entwickelte sich dank der Produktion von Diarahmen und Super-8-Filmspulen gut und nahm auch schon die Herstellung von Kartuschen auf. 1995 kaufte Ritter dann das Areal der Firma Kraft und zog zwei Jahre später dorthin um.
Der frühere Landrat Karl Vogele erinnert sich noch gut an die Zeit: Sein Vater war Abteilungsleiter beim amerikanischeKäse-Werk, das damalsfür mehrere Millionen Mark errichtet worden war. Täglich sollten dort 100.000 Liter Milch zu EmmentalerKäse verarbeitet werden. Das Aus von Kraft kam für Vogele so überraschend wie jetzt die Nachricht vom Ritter-Verkauf. "Es verstört mich und es schmerzt mich", sagt Vogele. Zumal er noch vor Augen hat, wie stolz Gründer Franz Peter Ritter damals darüber war, dass seine Geschäftsideen so erfolgreich wurden.
Die beiden Söhne übernehmen das Geschäft
2002 übergab er die Geschäfte an seine Söhne Ralf und Frank. Gleichzeitig trat der Vater von allen Positionen zurück, war allerdings weiterhin beratend tätig. 2013 starb er im Alter von 72 Jahren nach kurzer und schwerer Krankheit. Das Unternehmen ist heute auf einem über 80.000 Quadratmeter großen Gelände im Süden Schwabmünchens zu Hause. Die Telefonansage von Ritter ist bereits zweisprachig - auf deutsch und auf englisch.
Dass Investoren für hohe Summe Betriebe oder Teile davon kaufen, sei im Großraum Augsburg immer wieder festzustellen, sagt Tobias Schrall von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Es sei aber keine Systematik dahinter zu erkennen. Die Gewerkschaft habe in jüngster Vergangenheit immer wieder versucht, bei Ritter Betriebsräte zu installieren - ohne Erfolg.
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