Schon traditionell organisiert die Schwabmünchner Kolpingfamilie vor Wahlen das „Stadtgespräch“ im Pfarrzentrum. Auf der Bühne finden sich die Kandidaten ein, um Rede und Antwort zu stehen. Wo sich sonst vier oder fünf Protagonisten einfinden, waren es diesmal acht. Grund ist der neue Wahlkreiszuschnitt, der Schwabmünchen und Umgebung in zwei Wahlkreise (Unterallgäu/Memmingen und Ostallgäu) aufteilt. Die Kandidaten sind in der Region noch recht unbekannt.
Für den Wahlkreis Unterallgäu/Memmingen waren Marcel Keller (SPD), Joachim Linse (Grüne), Florian Dorn (CSU) und Daniel Steffen (FDP) da, der Wahlkreis Ostallgäu wurde von Maria Wißmiller (Grüne), Marcus Probst (FDP), Regina Renner (SPD) und Julia Kössinger (CSU) vertreten. Vertreter der AfD werden von der Kolpingfamilie nicht eingeladen, da sich die Werte beider Organisationen nicht vereinbaren lassen, so die Begründung.
Das Publikum bestimmt die Themen des Abends
Zu Beginn des Abends war zuerst das Publikum gefragt, denn die acht Kandidaten durften sich später zu drei Themenfeldern äußern. Festgelegt wurden die von den Zuhörern. Zur Auswahl standen Wirtschaft und Konjunktur, Migration, Sicherheits- und Außenpolitik, Gesundheitspolitik, Rente und demografischer Wandel, Klima und Umwelt sowie Familienpolitik und Steuerentlastung.
Bevor sich die Kandidaten den Themen widmen konnten, bekamen sie eine Minute Zeit, sich vorzustellen. Dieses Zeitfenster wurde fast ausnahmslos genutzt. Dann ging es weiter in das Themenfeld „Klima und Umwelt“, welches die meisten Punkte bekommen hatte. Dabei herrschte parteiübergreifend Einigkeit, dass der Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben werden soll. Unterschiede gab es dann bei der Vorgehensweise. Florian Dorn (CSU) fordert - analog auch die FDP - mehr Technologieoffenheit auf dem Weg zur CO₂-Einsparung und eine Senkung der Stromsteuer. Maria Wißmiller (Grüne) und Marcell Keller (SPD) wollen ebenfalls die Bürger entlasten, die Grünen setzen hier auf ein Klimageld, die SPD will vor allem Vorteile und Förderungen für Menschen mit niedrigen Einkommen schaffen. Florian Dorn und Maria Wißmiller setzen zudem auch auf eine „Klimaanpassung vor Ort“.
Die Gäste interessierten sich für die Gesundheitspolitik
Zum zweiten Themenfeld hat das Publikum die Gesundheitspolitik ausgewählt. Marcell Keller sieht bei der Gesundheit zwei wichtige Bereiche. Das eine ist die Krankenhausreform, die in seinen Augen der richtige Weg ist, der andere ist die „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ bei der Krankenversicherung. Hier brachte er eine „Bürgerversicherung“ für alle ins Spiel. Diese befürwortet auch Maria Wißmiller, die auch mehr Pflegefachkräfte - auch aus dem Ausland - gewinnen will. Marcus Probst (FDP) sieht in der Krankenhausreform „gute Ansätze“, fordert vor allem weniger Vorgaben für gesundes Leben: „Dinge wie Zuckersteuer oder mehr Rauchverbote sind Bevormundungen.“ Julia Kössinger sieht im Gesundheitswesen drei Baustellen: Den Rückgang der niedergelassenen Ärzte, der vor allem mit weniger Bürokratie angegangen werden soll. Auch der Fachkräftemangel steht auf ihrer Agenda, hier sieht sie vor allem die Arbeitsbedingungen im Fokus. Die Krankenhausreform macht in ihren Augen Sinn, aber nicht so wie jetzt beschlossen.
Als drittes Thema wurde Wirtschaft und Konjunktur ausgewählt. Dabei waren sich alle Kandidaten einig, dass ein Bürokratieabbau ganz oben auf der Agenda steht. Florian Dorn setzt da auf „verlässliche Rahmenbedingungen“, um Planbarkeit zu schaffen. Zudem sollen Energiekosten und Steuerlast sinken. Wichtig ist ihm auch die „Agenda für die Fleißigen“ - mehr Arbeit muss sich lohnen. Daniel Steffen (FDP) hält es für wichtig, dass Entscheidungen langfristig gedacht werden, um Planungssicherheit zu erhalten. Zudem sollen staatliche Subventionen überdacht werden. Maria Wißmiller will den Fachkräftemangel auch durch Migration bekämpfen und sieht Förderungen vor allem bei klimaneutralen Projekten. Regina Renner (SPD) will nur noch Unternehmen unterstützen, die in Deutschland weiter investieren. Zudem soll der Strompreis halbiert werden.
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
Bürger gehen ins persönliche Gespräch
Nach der Themenrunde gab es für die Besucher des Stadtgesprächs die Gelegenheit, mit den Kandidaten ins Einzelgespräch zu gehen, was sie intensiv nutzten. Danach folgte - auf vielfachen Wunsch der Besucher - eine offene Fragerunde.
Lokalpolitiker loben den Abend
Die Veranstaltung kam nicht nur bei den Bürgern gut an, auch die anwesenden Lokalpolitiker lobten das Format. Schwabmünchens zweiter Bürgermeister Josef Alletsee (Freie Wähler) fand es schade, dass kein Kandidat der Freien Wähler geladen war, sprach aber trotzdem von einer „tollen Veranstaltung, da man nun die Kandidaten kennenlernen konnte, da man bislang wenig mit diesen zu tun hatte.“ Schwabmünchens Bürgermeister Lorenz Müller (CSU) freute sich vor allem, dass die Gesundheitspolitik thematisiert wurde und lobte die Gesprächskultur aller. „Schön fand ich auch, dass das Thema Migration in Schwabmünchen nicht so hoch gehängt wird“, fand er. Auch die dritte Bürgermeisterin, Margit Stapf (Grüne), hielt den Abend „ für ganz wertvoll, vor allem weil die Kandidaten aus dem Allgäu hier noch wenig bekannt waren.“ Auch die ausgewählten Themen fand Stapf gut. Klosterlechfelds Bürgermeister Rudolf Schneider (SPD) sprach von einem „tollen Format“, zeigte sich aber durchaus überrascht, dass die Themen Migration und Sicherheitspolitik nicht vom Publikum ausgewählt wurden. Einig waren sich die Lokalpolitiker und viele Gäste bei der Beurteilung des Wahlkreiszuschnitts. Dieser fand nur wenig Freunde, die Umschreibung „unglücklich“ war noch eine der harmlosen, die an diesem Abend gefallen sind.
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