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Mickhausen: Im Mickhauser Staudenschloss schweben die Glocken ein

Mickhausen

Im Mickhauser Staudenschloss schweben die Glocken ein

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    Spezialist Rudolf Perner aus Passau hatte die historischen Glocken gereinigt und eine neue Aufhängung konstruiert.
    Spezialist Rudolf Perner aus Passau hatte die historischen Glocken gereinigt und eine neue Aufhängung konstruiert. Foto: Marcus Merk

    Kriege und Frieden, Trauer und Freude: Viel haben die beiden 330 Jahre alten Glocken miterlebt, die jetzt wieder im Staudenschloss Mickhausen hängen. Sie wurden gereinigt und ihre Aufhängung erneuert. Bei besonderen Anlässen sollen sie in Zukunft wieder läuten. Und die Menschen in der Gegend beschützen – so jedenfalls ist es im Volksglauben übertragen.

    Zog ein Unwetter auf, dann wurden früher die Glocken geläutet. Angeblich konnten geweihte Glocken die schwarzen Wolken vertreiben und gleichzeitig gefürchteten Blitzeinschlag verhindern. Der Aberglaube besagte, dass ein Unwetter so weit gebannt war, wie der Schall der Glocke reichte. Noch vor einigen Jahrzehnten war die Wetterglocke in der Dorfgemeinschaft verankert. Bei den Ministranten des "Unterdorfes" von Mickhausen, die in der Schlosskapelle den Altardienst leisteten, war das Läuten der Wetterglocke bei drohenden Gewittern eine begehrte Tätigkeit: Denn damit verdienten sich die Messdiener ein kleines Trinkgeld oder eine süße Belohnung aus der Schlossküche. "Das Wetterläuten war vor allem im Alpenraum weit verbreitet", erklärt Rudolf Perner. In seiner Passauer Glockengießerei wurden die beiden Mickhauser Glocken wieder auf Vordermann gebracht. 

    Alte Schriftzüge kommen zum Vorschein

    Vor allem die Aufhängung musste überholt werden. Sie bestand bislang aus Holz, das unter dem kleinen Türmchen auf der Westseite der Schlossanlage Wind und Wetter ausgesetzt war. Statt für Holz entschieden sich die Experten für ein Joch aus feuerverzinktem Stahl. Um die Belastung für die Aufhängung zu minimieren, hat der Klöppel außerdem ein Doppelgelenk erhalten. Zusätzlich wurde eine Seilsicherung eingebaut.

    Mit einem Kran wurden die 330 Jahre alten Glocken ins Türmchen des Mickhauser Schloisses gehievt.
    Mit einem Kran wurden die 330 Jahre alten Glocken ins Türmchen des Mickhauser Schloisses gehievt. Foto: Marcus Merk
    Schloss Mickhausen Schloss Mickhausen / Glocken werden mit Kran eingesetzt / Staudenschloss
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    Zwei Glocken aus dem 17. Jahrhundert hängen wieder: Das Glockentürmchen des Mickhauser Schlosses ist wieder komplett.

    Die Glocken selbst befinden sich in einem guten Zustand. Rudolf Perner und seine Mitarbeiter mussten die Oberfläche nur leicht reinigen. Zum Vorschein kamen die Schriftzüge und das Fugger-Wappen. Graf Paul Fugger hatte die 80 und 180 Kilogramm schweren Glocken 1693 in Augsburg bei Franziskus Kern gießen lassen. Entsprechend heißt es am oberen Rand der großen Glocke: "

    Mickhauser Glocken wären beinahe zu Waffen geworden

    Das Schicksal meinte es gut mit den Glocken. Denn beinahe wären aus ihnen Waffen geworden. Denn die Nazis wollten das Metall Tausender Glocken im Zweiten Weltkrieg der Kriegsindustrie zuführen. Zwischen 1939 und 1945 wurden viele berühmte Glocken und auch Bronzedenkmäler eingeschmolzen und gingen damit für immer verloren. Die Mickhauser Glocken überstanden die Zeit schadlos und wurden später zurückgebracht. Jetzt gehören sie zu den Schmuckstücken der Anlage, die vor sieben Jahren aus dem Dornröschenschlaf erwachte. 

    Damals kaufte die neu gegründete Hermann-Messerschmidt-Kulturerbe-Stiftung das Schloss. Sie ist das Vermächtnis eines Mäzens, der jahrhundertealte Kulturwerte erhalten und damit Kulturbewusstsein bei folgenden Generationen schaffen wollte. Hermann Messerschmidt war zeitlebens ein Weltreisender. Das hatte zunächst berufliche Gründe. Nach seiner Ausbildung als Maschinenbauer bei der MAN arbeitete er in Südamerika. Er interessierte sich auch für die Menschen vor Ort. Er schaute ihnen über die Schulter. Er beobachtete sie bei der Arbeit. Und er erkannte, dass sich die eine oder andere Maschine, die die Einheimischen benutzten, optimieren lässt. Also konstruierte er neue Maschinen. 

    Der Mäzen des Staudenschlosses war ein Weltreisender

    Sein Geschäftsmodell funktionierte. Mit 40 Jahren hatte er ein beträchtliches Vermögen angehäuft. Jetzt wollte er die Welt kennenlernen. Deshalb brach der Selfmade-Millionär in Jeans und mit Rucksack auf. 125 Länder bereiste der technische Exportkaufmann. Die Leidenschaft für die Ferne und fremde Kulturen verband ihn mit einer Familie aus dem Augsburger Land.

    Stehen hinter den Plänen für das Schloss Mickhausen: (von links) Edith Knabe, Uwe Fischer, Stefan Buß, Wolfgang Knabe, Klaus Hille und Stefan Hilscher.
    Stehen hinter den Plänen für das Schloss Mickhausen: (von links) Edith Knabe, Uwe Fischer, Stefan Buß, Wolfgang Knabe, Klaus Hille und Stefan Hilscher. Foto: Sammlung Knabe

    Ethnologe Wolfgang Knabe und seine Frau Edith aus Königsbrunn freundeten sich mit Hermann Messerschmidt an. Sie teilten die Liebe für Kunst und Kultur. Der Unternehmer Messerschmidt war ein ausgezeichneter Musiker. Außerdem malte er. Auf seinen Reisen entstanden Tausende Fotografien – wie bei Knabe, der mit dem Geländewagen die transasiatischen Handelswege bis nach Indien befuhr und mit seinem Forschungsschiff Mercator Handelsrouten süddeutscher Kaufleute auf den Weltmeeren erforschte. Nach 60 Jahren in Kolumbien und Venezuela kehrte Hermann Messerschmidt in seine schwäbische Heimat zurück. Heute erinnert eine Stele im neu angelegten Renaissancegarten an ihn. Ohne Messerschmidt wäre das Millionenprojekt nicht möglich. 

    Das Staudenschloss

    Ursprünglich wurde das Schloss Mickhausen als Wasserschloss angelegt. 1842 erhielt es die heutige Form.

    Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Schloss als Krankenhaus, später bis 1971 als Altenwohnheim genutzt. 2006 wurde es von der Hermann-Messerschmidt-Kulturerbe-Stiftung übernommen. Ende 2019 begann die Sanierung.

    Der jetzt zu errichtende Gebäudekomplex besteht aus einer Orangerie in Horizontalbau und einem Heizhaus in vertikaler Bauform.

    Seit drei Jahren wird saniert. Rund 15 Millionen Euro hat die Kulturerbe-Stiftung veranschlagt, damit neues Leben ins alte Gemäuer einkehrt. Die Geschichte des Schlosses von Mickhausen reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Die Herren von Freyberg hatten es als Wasserschloss erbaut. Im Jahr 1498 erwarb es Kaiser Maximilian I. und baute es zu einem Jagdschloss um. 1528 kam es in den Besitz von Raymund Fugger, dem Ziehsohn Jakob Fuggers. In den darauffolgenden Jahren ließ Raymund das Schloss komplett neu aufbauen. Drei Jahrhunderte blieb es im Besitz der Fugger.

    Künftig können im Schloss Feiern, Feste, Konzerte, Lesungen oder auch andere Veranstaltungen stattfinden. Dazu kommt eine Bibliothek mit rund 23.000 Bänden und ein Museum für den maritimen Handel der Augsburger Kaufleute, die im 16. Jahrhundert schon auf den Entdeckerflotten unterwegs waren. 

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