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Landkreis: Sprache soll ein Bewusstsein für Gemeinsamkeiten und gelebte Kultur schaffen

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Sprache soll ein Bewusstsein für Gemeinsamkeiten und gelebte Kultur schaffen

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    Der Bayerisch-Schwäbische Sprachatlas hat Sprachforscher Werner König sein halbes Leben lang beschäftigt.
    Der Bayerisch-Schwäbische Sprachatlas hat Sprachforscher Werner König sein halbes Leben lang beschäftigt. Foto: Elmar Knöchel

    Herr König, zuerst eine persönliche Frage: Wie werden Sie Ihren Geburtstag feiern?
    WERNER KÖNIG: Da bin ich ganz Schwabe. Eine große Feier wird es nicht geben. Wenn mir jemand zum Geburtstag gratulieren will, freue ich mich. Gefeiert wird aber nur im Familienkreis.

    Was macht denn ein Sprachforscher im Ruhestand? 
    KÖNIG: Ich habe noch zehn Jahre weitergearbeitet. Mittlerweile lässt aber meine Konzentrationsfähigkeit nach. Zuletzt habe ich noch ein Projekt ins Leben gerufen, angesiedelt bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Ein digitales, dialektisches Informationssystem für Bayerisch-Schwaben. Das ist ein digitales Wörterbuch, in dem auch Filme, Tonbeispiele und Bilder integriert sind. 

    Gerade in unserer Heimat wird oft von Ort zu Ort ein spürbar unterschiedlicher Dialekt gesprochen. Zum Beispiel in Graben und Untermeitingen. Woran liegt das?
    KÖNIG: Das hat historische Gründe. Zunächst lebten hier Kelten und Römer. Während die Römer aus der Gegend verschwanden, wurden die Kelten von den Germanen assimiliert, glichen sich also an. Die Siedler kamen aus unterschiedlichen Gegenden und die Sprache hat sich erst vermischt. Doch als die Menschen sesshaft blieben, haben sich Unterschiede herausgebildet, weil sich Sprache immer wandelt. Das ist zum Teil bewusst geschehen. Während sich die Gräbinger und die Kleinaitinger mochten, waren sich die Gräbinger mit den Untermeitingern weniger grün. Somit diente die Sprache auch dazu, sich abzugrenzen und seine Identität zu zeigen. Darum kann innerhalb weniger Kilometer der Dialekt anders sein. Diese Entwicklung hat sich flächenübergreifend vollzogen. So kam es, dass sich die Menschen trotzdem weiterhin verstanden, auch wenn die Dialekte unterschiedlich waren und sind.

    Sie sagten, dass Graben von Menkingen, also von Schwabmünchen aus, besiedelt wurde. Woher kommt denn dieser alte Begriff "Menkingen?"
    KÖNIG: Die älteste Bezeichnung ist "Mantahinga". Das geht zurück auf einen Mann namens Manticho. Mantahinga heißt nichts anderes als "bei den Leuten des Manticho". Im Laufe der Zeit haben sich dann die Laute verschoben und aus Mantahinga wurde Menkingen. 

    Es gibt Vereinigungen, die sich für den unveränderten Erhalt der deutschen Sprache einsetzen. Aber die Sprache ist ja einem ständigen Wandel unterworfen. Kann man das verhindern?
    KÖNIG: Natürlich nicht. Jeder Versuch der absichtlichen Sprachlenkung ist bisher ins Leere gelaufen. Die jungen Leute halten sich sowieso nicht an vorgegebene Regelungen. Die meisten Veränderungen kommen aus der Jugendsprache. Wenn dort etwas als "cool" empfunden wird, dann taucht das irgendwann in der allgemeinen Sprache auf.

    Wenn Sie jemandem zum ersten Mal begegnen, sprechen Sie dann einfach mit demjenigen oder fangen Sie automatisch an, den Dialekt und die Herkunft einzuordnen?
    KÖNIG: Man hört ja schnell, ob jemand eher aus dem Norden oder dem Süden kommt. Dann passe ich mich natürlich an. Gerade auf wissenschaftlicher Ebene kann man sich schwer im Dialekt ausdrücken. Das haben wir Deutschen leider nicht gelernt. Die Schweizer können das. Die unterhalten sich auch im wissenschaftlichen Kontext im Dialekt.

    Manche Dialekte werden als "sexy" empfunden. Andere eher nicht. Gehen Sie als Sprachforscher neutral an die verschiedenen Sprachfärbungen heran?
    KÖNIG: Ich weiß, dass ich neutral heranzugehen habe. Aber auch ich habe verschiedene Präferenzen. Zurzeit ist der sächsische Dialekt der, der am meisten "gebasht" wird. Sie sehen, jetzt verwende sogar ich so einen Amerikanismus, weil mir - ehrlich gesagt - gerade kein besseres deutsches Wort einfällt. Was könnte man denn im Deutschen sagen? Verunglimpfen? Das passt nicht richtig, denn das "bashen" drückt mehr das "draufhauen" aus. So ein Wort kann also durchaus eine Bereicherung sein. Jede Sprache ist letztlich wertfrei. Ich habe verschiedene Aufsätze gegen die Diskriminierung des Süddeutschen geschrieben. Denn in Norddeutschland herrscht die Meinung vor, wir könnten kein Hochdeutsch. Das stimmt natürlich nicht. Schlimm ist, dass wir das mittlerweile selbst glauben. Man denke nur an den Slogan aus Baden-Württemberg: "Wir können alles, außer Hochdeutsch." Ich habe in einem Buch die süddeutsche, gesprochene Sprache mit der norddeutschen Sprache verglichen. Dabei habe ich nachgewiesen, dass beide kein wirkliches Schriftdeutsch sprechen. Man denke nur an "Tach" statt Tag. Drei Buchstaben, zwei davon sind falsch. Das war eigentlich der Kampf meines Lebens. Aber die Wirkung war gering, die Norddeutschen haben es trotzdem nicht geglaubt.

    Warum tut man sich gerade in Bayerisch-Schwaben so schwer, eine gemeinsame Sprache und Identität zu finden?
    KÖNIG: Das liegt daran, dass es einfach kein gemeinsames Kulturzentrum gab. Es gibt ja noch nicht einmal eine wirkliche Bezeichnung für das geografische Gebiet zwischen dem Ries und dem Allgäu. Dafür wurde einmal die Bezeichnung "Mittelschwaben" eingeführt. Aber bis heute bezeichnet sich niemand als Mittelschwabe. Das war auch ein Grund, warum ich mein halbes Leben am "Bayerisch-Schwäbischen Sprachatlas" gearbeitet habe. Um ein Bewusstsein zu schaffen, für Gemeinsamkeiten und die gelebte Kultur. 

    Zur Person

    Werner König wurde 1943 in Schwabmünchen geboren. Zunächst wollte er Lehrer werden, entdeckte aber dann seine Liebe zur Sprachforschung und Phonologie. In zahlreichen Publikationen hat er sich mit der deutschen Sprache und ihren Dialekten, bevorzugt aus der Region Bayerisch-Schwaben, beschäftigt. Sein "Sprachatlas für Bayerisch-Schwaben" erfuhr große Aufmerksamkeit. Darin hat er sich ausgiebig mit den Unterschieden der Dialekte, die sich teilweise schon zwischen zwei Nachbarorten unterscheiden, auseinandergesetzt. 

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