Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schwabmünchen
Icon Pfeil nach unten

Landkreis Augsburg: Schockanrufe im Augsburger Land häufen sich: So arbeiten die Betrüger

Landkreis Augsburg

Schockanrufe im Augsburger Land häufen sich: So arbeiten die Betrüger

    • |
    Menschen um ihr Erspartes bringen: Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen Betrüger oft Schockanrufe oder den Enkeltrick.
    Menschen um ihr Erspartes bringen: Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen Betrüger oft Schockanrufe oder den Enkeltrick. Foto: Martina Diemand (Symbolbild)

    "Hallo, ich bin's", sagt die tränenerstickte Stimme am anderen Ende der Leitung. Das Schluchzen und Weinen geht durch Mark und Bein. So beginnen häufig die Schockanrufe von Telefonbetrügern. Sie zielen nur auf eines ab: Kriminelle wollen über die Hilfsbereitschaft ihrer Opfer an Geld und Wertsachen gelangen. 

    In den vergangenen Wochen hatten sich die Anrufe in der ganzen Region gehäuft. Trotz der Warnungen und Hinweise der Polizei sind viele Menschen auf die Masche hereingefallen. Wie sie genau funktioniert, erklärt Barbara Macheiner von der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle am Polizeipräsidium Schwaben Nord. 

    Ein Unfall ist der Anfang: Diese Geschichten erzählen Telefonbetrüger

    Nach der namenlosen Begrüßung erklärt die aufgelöste Stimme am anderen Ende der Leitung, dass es zu einem Unfall gekommen ist. Oft ist von Toten die Rede, gar einer Schwangeren, die ums Leben gekommen sei. Die frei erfundenen Geschichten kennen keine Grenzen. Der vermeintliche Angehörige sei beteiligt oder sogar schuld gewesen und sitze jetzt bei der Polizei. Um nicht ins Gefängnis zu kommen, müsse eine Kaution gezahlt werden. Der emotionale Druck wächst. "Man möchte ja helfen. Mancher verfällt regelrecht in Panik", weiß Barbara Macheiner. Das Gehirn schalte auf Schock und Alarm. Wenn es um Angehörige in einer Notsituation geht, dann gehe der Puls automatisch hoch.

    Im nächsten Schritt wird das Gespräch oftmals an einen angeblichen Polizisten übergeben. Er erkläre die Formalitäten, während im Hintergrund noch das Schluchzen zu hören sei. In diesem Teil des Betrugsversuchs fällt eine entscheidende Frage: "Gibt es für die Kaution Geld oder andere Wertgegenstände im Haus?" Expertin Barbara Macheiner weiß, dass um die Höhe der angeblichen Kaution regelrecht geschachert werde. Steht ein Betrag fest, dann werde vereinbart: Ein Bote soll kommen und das Geld abholen. Vereinbart werde auch, dass die Angehörigen Stillschweigen bewahren müssen. Das heißt: Sollten sie Geld auf der Bank abholen, dann dürften sie mit niemandem darüber reden. Im Zweifel sollte auch Druck auf die Bank ausgeübt werden, damit das Geld auch tatsächlich ausgezahlt wird. Denn klar ist: Bankmitarbeiter, denen Auszahlungen und Überweisungen spanisch vorkommen, haken nach. So wie vor wenigen Tagen in Horgau.

    Dort wurde ein Betrugsversuch noch rechtzeitig erkannt. Eine 74-Jährige sollte fast 5000 Euro für ihren angeblichen Sohn überweisen. Doch ein aufmerksamer Bankmitarbeiter am Schalter schritt ein. Ansonsten wäre das Geld vermutlich weg gewesen. So wie bei einer älteren Frau aus Bobingen, die 2700 Euro nach einer falschen SMS per Sofortüberweisung verschickte. Eine Frau aus Schwabmünchen verlor vor wenigen Wochen über 100.000 Euro an Geld und Wertsachen. Ihr Pech: Sie hatte das Vermögen in einem Bankschließfach deponiert. Deshalb wurde sie auch nicht angesprochen. Oder gewarnt. 

    Anrufe können sehr lange dauern – Expertin rät zu entlarvenden Gegenfragen

    "Man befindet sich in einer absoluten Ausnahmesituation und kommt meistens auch gar nicht zum Überlegen", erklärt Barbra Macheiner. Die Schockanrufe könnten oft mehrere Stunden dauern - so lange würden die Kriminellen, die oft im Ausland sitzen und dann Boten vor Ort koordinierten, ihre Opfer bearbeiten. Sie verfügten auch über technische Tricks. Beispielsweise könnten sie falsche Telefonnummern im Display des Angerufenen erscheinen lassen. Wer das Gespräch beendet und auf die Rückruftaste geht, sieht vielleicht die 110 angezeigt, landet dann aber wieder bei den Betrügern. Das passiere auch, wenn nicht richtig aufgelegt wird. Die Betrüger könnten nämlich mit entsprechenden Tönen ein beendetes Gespräch vortäuschen.

    Expertin Barbara Macheiner hat verschiedene Tipps, um nicht in die Fänge der Telefonbetrüger zu geraten. Weil Betrüger oft Telefonbücher nach alten deutschen Vornamen durchsuchen, sollten diese aus den öffentlichen Einträgen gestrichen oder zumindest abgekürzt werden. Was Barbara Macheiner Interessierten bei Vorträgen immer wieder mitgibt: Gerade ältere Menschen sollten sich einen Vornamen einbläuen, den es nicht in der Verwandtschaft gibt. Dann könne ganz automatisch zu Beginn eines jeden Schockanrufs eine Gegenfrage gestellt werden. Etwa: "Holger, bist Du's?" Die Betrüger würden sofort darauf eingehen. Damit sei klar: Holger gibt es nicht in der Familie. Also sind Betrüger am Werk, jetzt muss das Gespräch beendet werden.

    Betrugsversuch am Telefon: Darum sollte man immer Anzeige erstatten

    Spätestens bei einer Geldforderung sollte immer aufgelegt werden. Denn grundsätzlich gelte: Polizisten verlangten niemals am Telefon eine Kaution. Diese dürften sie auch nicht festsetzen, so Macheiner. Polizisten würden sich in der Regel nie am Telefon melden - das gelte auch für Staatsanwälte oder Richter. Wenn Polizisten etwas wissen wollen, dann würden sie eine Vorladung zur Zeugenvernehmung per Post verschicken. 

    Wer einen Betrugsversuch erkannt und beendet hat, sollte durchschnaufen und dann die Polizei anrufen. "Auch wenn nichts passiert ist", sagt Macheiner. Denn nur die Hinweise könnte die Polizei andere Menschen warnen und gezielt informieren. Auch Opfer müssen sich melden. "Niemand braucht sich zu schämen. Man hat ja nichts Falsches gemacht, sondern wollte nur helfen." Die Kripo-Expertin bittet alle, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten. "Nur so können zum Beispiel Abholer oder Hintermänner ermittelt werden. Es gibt durchaus auch Erfolge." Was Macheiner oft feststellt: Opfer würden oft nicht nur Geld verlieren, sondern auch ein Stück ihres Selbstwertgefühls. Dazu tragen dann auch Vorwürfe aus der Familie bei. Dabei gilt: "Jeder kann Opfer werden", sagt Macheiner. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden