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Landkreis Augsburg: Prozess zeigt: Ausländische Pflegekräfte werden oft angefeindet

Landkreis Augsburg

Prozess zeigt: Ausländische Pflegekräfte werden oft angefeindet

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    Ein Mann aus dem Landkreis Augsburg musste sich vor Gericht dafür verantworten, eine Pflegerin eingesperrt zu haben.
    Ein Mann aus dem Landkreis Augsburg musste sich vor Gericht dafür verantworten, eine Pflegerin eingesperrt zu haben. Foto: Mascha Brichta, dpa (Symbolbild)

    Einem 56-jährigen Klempner aus dem südlichen Landkreis Augsburg wurde unter anderem vorgeworfen, die rumänische Pflegekraft seiner Mutter für eine halbe Stunde eingesperrt zu haben. Die Pflegekraft wurde in ein Zimmer mit Balkon gesperrt. Weil nicht deutlich wurde, ob sie über diesen hätte fliehen können, wurde der Prozess schließlich gegen eine Geldauflage von 200 Euro eingestellt. Gezeigt hat die Verhandlung: Die Arbeitsbedingungen für ausländische Pflegekräfte können schwierig sein.

    Gewerkschaft Verdi kritisiert das Modell

    Roman Martynez, Gewerkschaftssekretär bei Verdi Augsburg, ist skeptisch: "Die meisten Pflegekräfte wohnen bei den Pflegebedürftigen. Freizeit oder Pause haben sie nur selten oder gar nicht." Zu Verstößen gegen das Arbeitsschutzgesetz komme es immer wieder, sagt er: "Oft sind diese Betreuungskräfte nur für eine kurze Zeit in Deutschland. An die kommen wir nicht heran." Deshalb wüssten die Arbeiter oftmals auch nicht, an wen sie sich wenden sollen, wenn es Probleme gibt, sagt Martynez. Er sieht die Politik in der Pflicht, bleibt aber auch pragmatisch: "Die Politiker müssen etwas an der Situation der Pflegekräfte ändern. Der Nachteil ist, dass sich dann wohl viele Familien eine Pflegekraft nicht mehr leisten können. Eine gute Lösung wäre aber eine Vollkasko-Rentenversicherung für den Pflegebedürftigen."

    Pflegekräfte: Die deutsche Gesundheitspolitik hinkt hinterher

    Auch Jan Roth, Prokurist bei der Pflegeagentur Vis-à-Vis 24 in Augsburg und Vorstandsmitglied beim Verband für häusliche Betreuung und Pflege, kritisiert die deutsche Gesundheitspolitik: "Was die Altenpflege angeht, sind wir beispielsweise Österreich weit hinterher." Dort gibt es seit 2007 das Hausbetreuungsgesetz. Dieses regelt genau die Betreuung von Pflegebedürftigen durch Betreuungskräfte, die von der Familie engagiert werden. Es schreibt beispielsweise vor, dass die Helfer Wohnraum und volle Verpflegung erhalten müssen. So soll die Situation der Pflegekräfte verbessert werden.

    Roth kennt die Vorteile, die ausländische Pflegekräfte mit nach Deutschland bringen: Die Leute seien sehr warmherzig, würden die Kunden wie die eigenen Eltern betreuen und würden in Deutschland mehr Geld verdienen als in der Heimat. Das Modell sei aber auch alternativlos, sagt er. Denn in Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Das gilt erst recht für die Pflegebranche. Das habe man während des Lockdowns im März gesehen, führt Roth an: "Die Pflege-Agenturen hatten einen Ansturm an neuen Anfragen, weil die illegalen Betreuungskräfte Schwierigkeiten an den Grenzen hatten."

    Die Situation der Pflegekräfte muss verbessert werden

    Der Prokurist sieht aber auch die Nachteile des Konzepts: "Der Markt ist weitgehend nicht reguliert. Es gibt kein Betreuungsgesetz wie in Österreich. Das ermöglicht Schwarzarbeit." Schwarzarbeit wiederum ermögliche Ausbeutung. Das Vorstandsmitglied beim Verband für häusliche Betreuung und Pflege sagt: "Dafür gibt es bei uns Agenturen. Wir schauen uns die Bedingungen bei den Kunden in Augsburg vor Ort an und entscheiden dann, ob eine Pflegekraft hier gut arbeiten kann." Wenn die häusliche Situation vermuten lässt, dass die Pflegekraft Probleme bekommt, greife die Agentur auch konsequent ein: "Eine 24-Stunden-Betreuung bieten wir als Agentur in Augsburg nicht an. Das ist weder menschlich noch rechtlich möglich."

    Martynez und Roth sind sich einig: Die Politik müsse reagieren und so die Situation der Pflegekräfte verbessern. Roth sagt: "Was die Politik bis jetzt gemacht hat, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein."

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