Die Natur hat immer wieder Überraschungen parat. Wer momentan genau hinsieht, wird feststellen, dass plötzlich wieder Apfelbäume, genauso wie andere Obstbäume oder Kastanien, zu blühen beginnen. Das liegt aber nicht am für die Jahreszeit ungewöhnlich warmen Wetter, wie man vermuten könnte. Ursache ist das Hagelunwetter, das den Landkreis Ende August heimgesucht hat.
Bernhard Frey, Kreisgartenfachberater im Landratsamt Augsburg, erklärt: "Grund ist das Hagelereignis. Ich bin mit meinem Garten in Bobingen selbst betroffen." Das Hagelunwetter habe für die Pflanzen einen unglaublichen Stress bedeutet, sagt Frey. Manche Bäume würden dastehen wie sonst Ende November. Zum Teil wurden Bäume vollkommen entlaubt. Das aber sei ein Problem: Denn ein Baum brauche seine Blätter zur Fotosynthese. Damit werden wichtige Nährstoffe erzeugt, die auch in dieser Jahreszeit nötig sind.
Nach dem Unwetter bilden Bäume im Kreis Augsburg noch einmal Triebe und Blätter
Laut Frey versuchen die Bäume jetzt, den letzten Rest an Energie aufzuwenden, um noch einmal neue Triebe und Blätter zu bilden. Dadurch könnten sich auch noch Blüten ausbilden. Ob die Bäume diesen Stress letztlich überleben, zeige sich erst im Frühjahr. Denn bereits vorher seien viele Pflanzen durch die anhaltende Trockenheit und Hitze geschwächt worden. Natürlich machen Blüten jetzt keinen Sinn: Denn durch die einsetzende Kälte können im Winter keine reifen Früchte mehr entstehen. Das sei einfach Teil der Verwirrung, die die Pflanzen nach dem Unwetter – vergleichbar einer Psychose beim Menschen – erlitten hätten. Man solle die Bäume jetzt einfach in Ruhe lassen, sagt Bernhard Frey. Er hat einen wichtigen Ratschlag: "Auf keinen Fall schneiden. Das verursacht noch mehr Stress. Erst im Frühjahr sollte man die abgestorbenen Zweige entfernen."
Theresia Fugger von Glött vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Augsburg rät gleichfalls, die Pflanzen möglichst in Ruhe zu lassen. "Man sollte weder mit Dünger arbeiten noch versuchen, dem Baum durch übermäßiges Gießen zu helfen." Das würde letztlich nur für noch mehr Verwirrung sorgen. Ob sich der Baum erholen wird, auch ohne Zutun des Menschen, zeige sich sowieso erst im Frühjahr. "Manchmal muss man die Natur einfach nur beobachten und Geduld haben. Sie hilft sich meist selbst", erklärt die Expertin.
Nach dem Hagel haben viele Bäume Schäden an der Rinde
Das Phänomen erklärt Theresia Fugger von Glött ähnlich wie Bernhard Frey. "Man beobachtet immer wieder die unglaublichsten Reaktionen von Bäumen und Pflanzen auf Ausnahmesituationen." Die Bäume seien durch den Hagelschlag massiv geschädigt worden und würden jetzt versuchen, noch einmal Biomasse aufzubauen. Das sei Teil der Überlebensstrategie. Man habe auch schon beobachtet, dass Bäume, die durch eine Krankheit geschwächt waren, kurz vor dem Absterben noch einmal sämtliche Energie in Blüte und Fruchtaustrieb gesteckt hätten. Dadurch könne es kurz vor dem Tod der Pflanze noch einmal zu einer großen Ernte kommen. Auch das sei eine Form der Überlebensvorsorge der Art.
Peter Mannes, Bobinger Bauhofleiter und Gärtnermeister, bezeichnet die ungewöhnliche Blüte als "Notblüte". Die Blüten für das nächste Jahr seien als Knospen bereits angelegt. Durch die Beschädigungen beim Hagel und die jetzt sehr milden Temperaturen könne es dazu kommen, dass diese nun frühzeitig austreiben würden. Das sei nicht unnormal. "Die Apfelernte im nächsten Jahr wird aber wohl eher schwach ausfallen", sagt Mannes. Denn die Knospen, die jetzt ausgetrieben hätten, genauso wie die durch den Hagel geschädigten, würden natürlich im Frühjahr nicht mehr blühen. Schlimmer seien laut dem Bauhofleiter allerdings mögliche Schäden an den Baumrinden. Allerdings seien Bäume durchaus in der Lage, kleinere Wunden selbsttätig zu verschließen. Daher sollte jetzt erst einmal abgewartet werden. Rückschnitte sollten am besten erst im Frühjahr erfolgen.