Der Kiebitz wurde vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und dem Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) zum Vogel des Jahres 2024 gewählt. Früher ein Allerweltsvogel, sind seine Bestände durch massive Lebensraumverluste und -verschlechterungen im Offenland seit den 1980er-Jahren um über 90 Prozent eingebrochen. Der Wiesenbrüter ist stark gefährdet. Durch das großflächige Verschwinden von Feuchtwiesen und extensiv bewirtschaftetem Grünland, brütet der Kiebitz heute fast ausschließlich auf Maisäckern, da er als Bodenbrüter Flächen mit Rohbodenstruktur, kargem Bewuchs und Weitblick für die Brut benötigt. „Durch gezielte Maßnahmen ist es uns gelungen, den Abwärtstrend des Kiebitz zu stoppen und sogar umzukehren. Im Jahr 2024 mit einem schwabenweiten Rekordergebnis beim Bruterfolg“, berichtet der Ornithologe Alex Klose.
Ausgehend von 32 Brutpaaren im Jahr 2017 wurde 2024 ein Bestand von 186 Brutpaaren zwischen Germaringen im Ostallgäu und Schwabmünchen im Augsburger Land betreut. „Das Projektgebiet haben wir seit 2017 aus den traditionellen Wiesenbrütergebieten um Lamerdingen und Langerringen heraus sukzessive erweitert. Durch die hervorragende Mitarbeit der Landwirte, die mittlerweile selbst Gelege auf ihren Ackerflächen erkennen, konnten wir seit 2021 die gesamte Wertachtal-Kiebitz-Population betreuen“, so Klose.
Fast alle Gelege ließen sich schützen
Es sei damit gelungen, nahezu alle Kiebitz-Gelege vor einer Zerstörung durch die landwirtschaftliche Bearbeitung zu schützen. „Wir nehmen die Landwirte hier aber ausdrücklich in Schutz, denn durch die perfekte Tarnung der dunkelbraun gesprenkelten Eier ist es ohne geschultes Auge kaum möglich, einen Brutplatz bei der Feldarbeit zu erkennen.“ Deshalb werden die Gelegestandorte vor der Bewirtschaftung durch die Wiesenbrüterberater mit zwei Fähnchen zehn Meter vor und nach dem Brutplatz in der Fahrgasse auf dem Acker markiert, so dass der Kiebitz nicht gestört wird und der Landwirt bei der Bewirtschaftung problemlos das Gelege in einem drei Meter breiten Bewirtschaftungsfenster umfahren kann. Auf Konzentrationsflächen werden zusätzlich verspätete Bewirtschaftungstermine oder das Belassen von Feuchtstellen mit den Landwirten vereinbart. „Unser Ziel ist es, in allen Teilgebieten während der Brutzeit Kiebitzinseln mit beruhigten Flächen und Feuchtstellen als Attraktions- und Nahrungsflächen für eine möglichst hohe Lebensraumqualität zu schaffen“, so Klose. Das habe 2024 so hervorragend geklappt, dass der schwabenweit höchste Bruterfolg mit 1,21 flüggen Jungvögeln pro Brutpaar erreicht wurde – 225 flügge Jungvögel bei 186 Brutpaaren. Ab einem Bruterfolg von 0,8 gilt die Population als überlebensfähig.
Landwirte erhalten eine Entschädigung
Die Landwirte werden im Rahmen des Projekts für ihren Ertragsverlust finanziell durch den Freistaat aus Mitteln der Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinien entschädigt und für ihre Biodiversitätsleistung als „Wiesenbrüter freundlicher Betrieb“ ausgezeichnet. Jürgen Hummel aus Lamerdingen und Christian Matthesius aus Langerringen wurden sogar bayernweit für ihr Engagement im Kiebitzschutz durch den LBV geehrt. Neben den großen Anstrengungen auf den bewirtschafteten Flächen gilt als limitierender Faktor für den Bruterfolg allerdings die Witterung während der Brutzeit.
Die Jungvögel werden laut einer Mitteilung von Alex Klose nämlich nicht von den Altvögeln gefüttert, sondern gehen bereits nach dem Schlupf selbst auf Nahrungssuche. Für die Jungenaufzucht werde eine möglichst hohe Bodenfeuchte benötigt. In Trockenzeiten ziehen sich die Bodenorganismen in tiefere Erdschichten zurück und seien dann für die Jungvögel nicht mehr erreichbar. Deshalb werde auch gezielt die Anlage von Feuchtstellen verfolgt, um Trockenphasen zu überbrücken. Die feuchtwarme Witterung mit hohen Sommerniederschlägen sei den Kiebitzen 2024 deshalb deutlich entgegengekommen. Auch jeder Einzelne könne einen Beitrag leisten, die Vögel während der Brutzeit nicht zu stören. Mit Hinweistafeln markierte Gebiete sollten gemieden und Hunde angeleint werden.
Wertachtal ist in Schwaben wichtig
Das Wertachtal ist eines von sieben Gebieten in Schwaben mit einem überregional bedeutendem und überlebensfähigem Bestand. Seit 2017 wird deshalb mit Hilfe des Biodiversitätsprojekts „Wiesenbrüter Brutplatzmanagement“ der Regierung von Schwaben versucht, dem Abwärtstrend entgegenzusteuern. Träger des Projekts im nördlichen Wertachtal ist der Landschaftspflegeverband Landkreis Augsburg und im südlichen Teil der Landschaftspflegeverband Ostallgäu. Die ehrenamtlichen Ornithologen Alex Klose, Johnny Fritzsche, Peter Dietrich und Willi Behringer sind als Wiesenbrüterberater vor Ort unterwegs. Sie kartieren die Brutpaare, markieren Gelege und sind während der Brutzeit in ständigem Kontakt mit den Landwirten.
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