Wer durch das schmale Schmutter-Seitental von Siegertshofen nach Todtenschläule wandert, fühlt sich fast an einen Bergurlaub erinnert. Bekannt geworden ist der kleine Ortsteil am Talende durch seine Gastwirtschaft. Auch ein Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime kehrte dort ein und traf sich mit geheimen Unterstützern: Bebo Wager. Der Augsburger gehörte zu den „Revolutionären Sozialisten“, die im südlichen Bayern und in Österreich agierten. Bekannt sind 13 Gruppen, die auch mit der SPD-Führung im Exil in Prag in Verbindung standen. Die Geschichte hat der Ehrenvorsitzenden des Präsidiums der AWO Schwaben, Heinz Münzenrieder, recherchiert. Was genau in Todtenschläule gesprochen wurde, ist nicht bekannt.
Revolutionäre Sozialisten sammelten Informationen
Die Mitglieder der geheimen Gruppen sammelten Informationen über den Machtapparat der Nazis und versuchten die Bevölkerung über die Situation in Deutschland zu informieren. Tatsächlich gab es damals keine freie Presse, was bedeutete: An unabhängige Informationen zu kommen, war für den Großteil der Bevölkerung unmöglich. Die „Revolutionären Sozialisten“ bereiteten auch eine neue soziale und demokratische Ordnung für die Zeit nach dem Hitlerregime vor. Die Widerstandsorganisation wurde 1942 aufgedeckt. Es folgte eine Verhaftungswelle mit vielen Todesurteilen.
Auch der 1905 geborene Wager wurde festgenommen und ermordet – 1943 im Gefängnis Stadelheim durch das Fallbeil. Dasselbe Schicksal ereilte Clemens Högg. Er starb im März 1945 im KZ Bergen-Belsen. Högg unterstützte die Organisation unter anderem mit Geld. Er war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Sozialdemokraten in Schwaben. Nach den Recherchen von Heinz Münzenrieder hatte Högg in der Weimarer Zeit einen Bauernhof in Mickhausen erworben. Er wollte offenbar eine Waldschule errichten, in der benachteiligte Kinder während der Ferien betreut werden. Doch die Pläne lehnte das Landratsamt in Schwabmünchen ab - wohl wegen befürchteter sozialistischer Indoktrinierung.
Clemens Högg war einer der bedeutensten Sozialdemokraten in Schwaben
Högg kannte sich in den Stauden gut aus. Und wusste, dass Todtenschläule ein abgeschiedener Ort war, der sich für Geheimtreffen eignete. Seine Tochter erinnerte sich in einem Interview, dass er Blumen, besonders Kakteen, liebte. In Friedberg habe er ein Bienenhäuschen besessen, zu dem die Familie oft an Sonntagen radelte. Was niemand wusste: Im Krieg versteckte er dort offenbar Waffen. Seine drei Kinder hatten allerdings keine Ahnung, dass Treffen mit Genossen als Familienausflüge getarnt waren.
Der gelernte Schmied hatte eine politische Karriere eingeschlagen. Er war 1919/1920 Zweiter Bürgermeister von Neu-Ulm. Er wurde Bezirkssekretär der schwäbischen SPD in Augsburg und Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt in Augsburg. Als Landtagsabgeordneter stimmte er am 29. April 1933 als einer der 16 SPD-Abgeordneten gegen die von den Nationalsozialisten betriebene Selbstausschaltung des bayerischen Landtags. Bis zum 12. Mai 1933, als die SPD-Fraktion endgültig aus dem Augsburger Stadtrat ausgeschlossen wurde, gehörte Högg zu den verbliebenen neun sozialdemokratischen Stadtratsmitgliedern. Am Abend des 19. Juni 1933 schossen zwei uniformierte Männer auf Högg an seiner Wohnungstür. Er überlebte das Attentat.
Wenige Tage darauf wurde er festgenommen und am 10. August 1933 ins Konzentrationslager Dachau überstellt. Im Konzentrationslager war Clemens Högg den Schikanen und Misshandlungen des SS-Führers Hans Loritz aus Augsburg ausgesetzt. Das hatte wohl mit der Vorgeschichte von Loritz zu tun. Er hatte als Fahrer in der Druckerei der sozialdemokratischen Schwäbischen Volkszeitung gearbeitet und wurde dann auf Antrieb von Högg entlassen. Er soll gesagt haben: „Draußen prügelten wir uns mit der Gesellschaft herum und dann setzen wir sie an das Steuer unseres Wagens.“ So hat es Heinz Münzenrieder in einem Sonderdruck über Clemens Högg festgehalten.
Wenige Wochen vor Kriegsende starb Högg unter ungeklärten Umständen
Im Oktober 1934 wurde Högg aus Dachau entlassen. Er arbeitete in den folgenden Jahren - mit Unterbrechungen durch wiederholte Verhaftungen, Verhöre und Beschlagnahme des Privatvermögens - als Versicherungsagent, bei der Augsburger Windenfabrik Schober und schließlich als Verkäufer für Seife. Als Reisender konnte er, trotz der Überwachung durch die Gestapo, in beschränktem Umfang Verbindung mit Genossen halten und neue Kontakte knüpfen, so auch zu Mitgliedern der Widerstandsgruppe um Bebo Wager. 1939 wurde er ins KZ Oranienburg-Sachsenhausen verschleppt und begegnete dort wieder Hans Loritz, der die Leitung übernommen hatte. Wenige Wochen vor Kriegsende wurde Högg nach Bergen-Belsen evakuiert, wo er unter ungeklärten Umstände starb.
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