Während es draußen schneit, geht es drinnen um Regen. Und mitunter hitzig zu. Dass das Grundwasser in Königsbrunn die Gemüter bewegt, wird schon vor der Informationsveranstaltung zum Thema in der Willi-Oppenländer-Halle deutlich. Einige Minuten vor Beginn ist der Parkplatz voll. Dutzende Interessierte mussten ihr Auto nebenan am Hans-Wenninger-Stadion abstellen. 500 Bürgerinnen und Bürger hören sich an, was Bürgermeister Franz Feigl sowie zwei Experten vom Wasserwirtschaftsamt und Ingenieure zu sagen haben. Viele der Anwesenden hatten im Frühjahr Grundwasser oder Abwasser im Keller stehen. Sie wollen nicht nur zuhören, sondern auch Fragen stellen und Kritik loswerden.
Feigl erklärt, dass Gutachten gezeigt hätten, dass die Lechstaustufe zwar eine Auswirkung auf Dauer und Häufigkeit von Grundwasser-Hochständen haben, nicht aber auf die Höhe des Grundwasserstandes. Für ihn ist deshalb klar, dass es trotz eines Grundwassersees unter Königsbrunn kein generelles Grundwasser-Problem gibt, sondern ein Niederschlag-Problem. Eine Grafik, die er auf die Leinwand projizieren lässt, zeigt die Ausmaße des Niederschlags im Frühjahr. Mehr als fünfmal so viel hat es im Juni geregnet als im gleichen Monat 2023. Dazu sei gekommen, dass der gesättigte Boden, noch nass von der Schneeschmelze und vorherigem Regen, kaum mehr Wasser aufnehmen konnte.
Früher hatten 200 Grundstücke ein Grundwasser-Problem - jetzt fast 600
Vor allem die Anzahl der Betroffenen ist laut Feigl ein Grund, über eine Reaktivierung längst verworfener Pläne nachzudenken, um dem Problem zu begegnen. Denn eine Abfrage von 80 Mitarbeitern des Rathauses hat ergeben, dass 560 Grundstücke betroffen sind. In den vergangenen Jahrzehnten seien es meist rund 200 gewesen, erklärt der Bürgermeister. „Das ist eine Zahl, die ist neu. Und die ist erheblich. Das ist keine Bagatelle mehr, das ist der Wahnsinn.“ Neu getroffen hat es heuer vor allem Grundstücke im Nordwesten der Stadt.
Wie enorm die Wassermassen Anfang Juni waren, verdeutlicht Julian Herold vom Wasserwirtschaftsamt in Donauwörth. „In etwa ein Fünftel des Jahresniederschlags ist in fünf Tagen heruntergekommen.“ Von Herolds Kollegen Oliver Chmiel, Landkreisbeauftragter des Wasserwirtschaftsamtes, wollte ein Anwohner wissen, wieso man nicht den Ilsesee absenke. Das wäre laut Chmiel nicht effektiv, denn der Grundwasserpegel sei nicht wegen „einzelner, kleiner, lokaler Gegebenheiten“ so hoch. Ein Neu-Königsbrunner wollte wissen, ob man den Grundwasserspiegel nicht rechtzeitig absenken könne, wenn er stark steige. Bevor Keller volllaufen. Chmiel: „Grundwasser ist der Schatz, die Ressource, um unser Leben aufrechtzuerhalten.“ Es habe einen hohen Schutz-Status. Generell sei es die Verantwortung eines jeden Bauherren, sich über den Baugrund zu informieren, erklärte Chmiel einem Anwohner aus dem Süden Königsbrunns.
Brunnen könnten Grundwasser-Problem in Königsbrunn lindern
Als es nach zwei Stunden dann um konkrete Pläne geht, die zwischen den 1990er-Jahren und 2014 entstanden sind, aber nie umgesetzt wurden, haben die Reihen sich bereits gelichtet. Etwa die Hälfte der zu Beginn Anwesenden sind noch da. Ingenieur Bernhard Keim und sein Kollege Florian Steffinger zeigen mit Skizzen, Grafiken und Modellen, dass eine Kombination aus zwei Brunnen, zwei Wasserentnahmestellen und einer Ableitung des Grundwassers in den Lochbach das Problem deutlich lindern könnte. Beim Pfingsthochwasser 1999 hätte der Grundwasserpegel in Königsbrunn laut den Experten mit Entnahme und Infiltration um 20 bis 40 Zentimeter gesenkt werden können. Auch 2024 wären so weniger Keller betroffen gewesen, aber nicht alle verschont geblieben, erklärt Steffinger. Das System laufe idealerweise nicht im Dauerbetrieb, sondern werde ab einem bestimmten Grundwasserstand aktiv. Laut Feigl wurde das Projekt damals verworfen, weil es für die Bürger sehr teuer gewesen wäre. Nun, mit deutlich mehr Betroffenen, sehe die Situation anders aus.
Wie schnell könnten sie umgesetzt werden, wenn die Pläne reaktiviert werden? Die Planungs- und Genehmigungszeit schätzt Keim auf mindestens fünf, die Bauzeit auf mindestens zwei Jahre. „Das ist eine sehr optimistische Schätzung“, fügt er an. Die Kosten verortet er zwischen 14 und 21 Millionen Euro. Der Betrieb koste rund eine Million Euro im Jahr. Zur möglichen Umsetzung sagt ein Anwohner: „Ob ich das noch erlebe? Ich glaube nicht.“
Eine andere Königsbrunnerin befürchtet mit Blick auf den aktuellen Pegelstand in der Grafik des Gewässerkundlichen Dienstes an der „Messstelle: Koenigsbrunn 581a“ Schlimmes. Das Grundwasser sei nun schon höher als vor einem Jahr. Dazu komme der Schnee. „Es fließt gar nichts mehr ab. Ein neuer Starkregen könnte schnell einen neuen Rekordstand nach sich ziehen. „Es kann ja nicht unendlich so weitergehen.“
Dass Grundwasser heutzutage grundsätzlich nicht mehr versicherbar sei, wie von vielen angenommen und von unserer Redaktion wiedergegeben, stimme nicht, stellte Versicherungsmakler Michael Beutelrock bei der Veranstaltung klar. Auf Nachfrage schickt er unserer Redaktion Leistungsvergleiche, die zeigen, dass einige Versicherungsunternehmen den Anstieg von Grundwasser an die Oberfläche versichern.
Einer Anwohnerin ist das Besprochene in der Willi-Oppenländer-Halle nicht konkret genug. „Wir haben viel Vergangenheitsbewältigung gemacht“, sagt sie. Sie wolle einen Zeitplan. Wann starte eine konkrete Planung? Wann werden welche Meilensteine erreicht? Diese Fragen können Bürgermeister Franz Feigl und Werkleiter Rudolf Willer ihr an diesem Abend nicht beantworten.
Auch Andreas Lenart, Initiator der Unterschriftensammlung „Geschädigte Königsbrunner Bürger fordern Stadt KöBr auf Lösungen gegen Grundwasserproblem zu finden!“ will wissen: „Wann können wir mit Konkretem rechnen?“ Bei einer Warn-App, die eigens für Königsbrunn programmiert werde, gehe es aktuell schon um Details, antwortet der Bürgermeister. Wann sie fertig werde, könne er aber nicht sagen. Ein komplettes Paket mit verschiedenen Wegen zur Bekämpfung des Grundwasser-Problems wird laut Feigl hunderte Millionen Euro kosten. Um das finanzieren zu können, müsse auf jeden Fall Geld vom Freistaat kommen. Und um das zu kriegen, sei es wichtig, ein System zu entwickeln, hinter dem alle stehen - und konkrete Zahlen zu den Betroffenen zu haben, was jetzt der Fall sei.
Auch Lenart erwartet Unterstützung vom Freistaat. Die Lösung des Grundwasser-Problems dürfe finanziell nicht zu Lasten der Bürger gehen, sagt er nach der Veranstaltung. Mit der Stadt will er zusammenarbeiten. Über den Info-Abend sagt der Initiator der Petition: „Die Darstellung war zu detailliert und teilweise nicht verständlich.“
Praxistipps für den Schadensfall
von Bausachverständigem Michael Tsu
- Strom im Keller ausschalten
- Zustand dokumentieren, am besten mit Handyfotos und -videos
- Gegenstände umlagern, um den Schaden zu minimieren
- Versicherung informieren
- Begehung mit Statiker für Schadenanalyse
- Wasser abpumpen (ganz wichtig: nur wenn die Statik des Hauses es zulässt)
- Oberflächen reinigen, am besten, bevor Schlamm sich verdichtet
- Schimmelspray (Sprühnebel nicht einatmen, am besten FFP2- oder FFP3-Maske tragen)
- Keller mit Trocknungsgerät trocknen oder gut lüften (nicht beides gleichzeitig)
- Schäden dokumentieren
- Sanierung
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