Stopp – Grün – Vorfahrt achten! Diese Verkehrszeichen kennen die meisten Jugendlichen, lange bevor sie den Führerschein machen. Das ist dem Verkehrstraining der Polizei Schwabmünchen zu verdanken, das sie auf dem Verkehrsübungsplatz hinter den Leonhard-Wagner-Schulen veranstaltet. Mitte Oktober fand zum ersten Mal ein inklusives Verkehrstraining statt.
Zusammen geht es leichter
Mit dabei sind nicht nur Viertklässler, die vor der Prüfung für den Fahrrad-Führerschein stehen, sondern auch sechs Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung. Gudrun Deffner arbeitet beim Sozialpädagogischen Fachdienst des Dominikus-Ringeisen-Werkes (DRW), zusammen mit zwei weiteren Pädagogen begleitet sie die sechs Teilnehmer aus der Schwabmünchner Wohngruppen des DRW. Sie hält es für wichtig, dass sie trotz ihrer Einschränkung am Alltag teilhaben können. „Daher sind unsere Bewohner auch Verkehrsteilnehmer, wie jeder andere Mensch. So kamen wir auf die Idee, ihnen ein Training anzubieten.“ Solche Ausflüge werden in der Gruppenbesprechung vorgeschlagen, und wer interessiert ist, meldet sich an. Es sind überwiegend ältere Menschen gekommen. Gudrun Deffner weiß, warum das so ist: „Viele unserer Bewohner gehen arbeiten. Sie haben keine Lust, am Freitagnachmittag noch zwei Stunden Fahrtraining zu machen – dafür kommen sie eher mit in die Disco.“
Wie die Teilnehmer sicher am Verkehr teilnehmen können, zeigen Roswita Götzfried und ihr Bruder Werner. Sie sitzen auf einem Fahrrad für zwei Personen mit zwei nebeneinander angebrachten Satteln. Die beiden machen öfter Ausflüge mit dem Fahrrad. Auf die Frage, ob sie sich auf das Training freut, antwortet Roswita Götzfried mit einem entschiedenen „Ja!“ Ob sie etwas nervös ist? „Nein!“
Zuerst prüft die Polizistin Kerstin Wörle die mitgebrachten Fahrräder auf ihre Verkehrstauglichkeit. Tatsächlich entdeckt sie fehlende Lampen und Reflektoren. Heute ist das nicht schlimm, es ist ja noch hell. Dann teilt sie die Teilnehmer in zwei Gruppen ein. Sie und ihr Kollege gehen mit den Gruppen den Übungsplatz ab, erklären die Verkehrsschilder und Vorfahrtsregeln. Dann dürfen alle losradeln. Die Polizisten stellen sich an gefährliche Stellen – vor allem an die große Ampelkreuzung in der Mitte des Übungsplatzes. „Da passieren öfter mal Unfälle“, sagt Kerstin Wörle. Wann immer einer der Radfahrer eine Regel missachtet oder das Handzeichen vergisst, ruft sie ihnen nach und weist freundlich auf das Versäumnis hin. Kerstin Wörle ist die Jugendverkehrserzieherin bei der Polizei Schwabmünchen. „Ich arbeite gerne mit Kindern“, erzählt sie. „Ursprünglich wollte ich Grundschullehrerin werden.“ Ob sie verunsichert ist, weil diesmal nicht nur Kinder dabei sind? „Nein, gar nicht. Ich dachte mir, ich komme einfach her und arbeite mit den Menschen, die hier sind.“
Einer der ältesten Teilnehmer ist Wolfgang Kuhlis. Für ihn ist das Verkehrstraining eine Auffrischung, denn er ist länger nicht Fahrrad gefahren. „Zuhause mit meinem Bruder fahre ich manchmal Fahrrad. Er wohnt in Mering St. Afra“, erzählt er. Weil er dort ein E-Bike hat, war das Strampeln für ihn heute besonders anstrengend. Im Alltag ist er meistens ein Fußgänger. „Mittwochs gehe ich zum ministrieren in die Kirche“, erzählt er. „Ich möchte aber wieder öfter Radfahren. Das ist mal etwas anderes“, sagt Wolfgang Kuhlis.
Auch Thomas Mack ist begeistert. „Gut!“, antwortet er, bevor die Frage, wie ihm das Training gefallen hat, überhaupt ausgesprochen ist. Besonders ein Hinweis der beiden Polizisten ist bei ihm hängengeblieben: „Gucken! Immer gucken!“, sagt er und zeigt auf das Vorfahrt-achten-Schild. „Das habe ich heute gelernt!“ Ob er bei seiner Familie häufig mit dem Fahrrad fährt? „Ja. Jeden Tag. Und du?“, fragt er. Dann schalten die Polizisten endlich die Ampel ein. Mit einem lauten „Juhuu“, saust Thomas Mack davon.
Ringeisenwerk sucht ehrenamtlche Helfer
„Das mag ich an meiner Arbeit“, sagt Gudrun Deffner. „Diese Menschen freuen sich laut und herzlich, das kennt man von Erwachsenen sonst nicht.“ Wer Interesse daran hat, Menschen mit geistiger Beeinträchtigung zu begleiten, kann sich an das DRW wenden. „Wir suchen noch Mitarbeiter und Ehrenamtliche. Die Arbeit für Ehrenamtler besteht hauptsächlich darin, unsere Bewohner auf Ausflügen zu begleiten“, erklärt Gudrun Deffner.
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