Fünfmal prangt die neun auf dem Fahrrad-Tacho von Dieter Becker. Wäre er damit nur einen Kilometer weitergefahren, stünde dort jetzt keine Rekordzahl, denn der Tacho, der nur fünf Stellen anzeigt, wäre auf Null gesprungen. Stattdessen hat er in dem Radgeschäft Radwelt Reim in Bobingen nun einen Ehrenplatz genauso wie das Fahrrad, mit dem Becker innerhalb von fünfeinhalb Jahren 100.000 Kilometer geradelt ist. Denn dort hatte alles angefangen.
Dieter Becker war schon viele Jahre Kunde in dem Radgeschäft und kam als Vielfahrer oft zur Wartung, wegen Reparaturen oder zum Austauschen von Fahrradketten und Bremsbelägen dorthin. Schließlich hat ihn der Geschäftsführer Jürgen Reim auf die rasant steigende Zahl auf seinem Tacho angesprochen. „Das war bei 50.000 Kilometern. Seitdem haben wir uns immer wieder ausgetauscht“, erinnerte sich Becker. Bis er vor Kurzem mit den vielen Neunern auf dem Tacho wiederkam. Dieses besondere Ereignis feierten und dokumentierten die Mitarbeiter zusammen mit dem begeisterten Radler.
Früher war Dieter Becker kein leidenschaftlicher Radler
Der 81-Jährige stammt aus Dresden und kam kurz nach der Wende in den Westen. Früher war er sehr sportlich, hat Tennis gespielt, war in einem Boxverein und ist auch gelegentlich geradelt. Dass er aber einmal so intensiv Fahrradfahren würde, hätte er selbst nicht geglaubt. „Ich bin im Laufe der Zeit immer fauler geworden und hatte einen Bürojob, bei dem ich immer einen Anzug tragen musste. Deshalb konnte ich auch nicht mit dem Rad zur Arbeit fahren.“ Nach dem Eintritt in die Rente hatte er keine Verpflichtungen mehr und wäre in ein Loch gefallen. „Ich lese gerne und löse Kreuzworträtsel, habe aber gesehen, dass mich das nicht ausfüllt. Ich dachte: Du musst etwas machen, Du musst raus an die frische Luft.“ Auch dieses Vorhaben war ihm nicht genug. „Ich brauche immer Ziele, auch früher beim Boxen schon.“ So entstand das große Ziel, mit dem Fahrrad 100.000 Kilometer zu fahren. Pro Tag hat er sich 50 Kilometer vorgenommen und pro Jahr als Mindestziel 18.000 Kilometer.
Eine gute Ausrüstung für jedes Wetter ist wichtig
Er radelte die nähere Umgebung ab, fuhr nach Augsburg, Landsberg, Kaufering, Bobingen und nach Königsbrunn an die Seen. Eine Karte oder ein Navigationsgerät brauchte er von Anfang an nicht. „Es gibt hier wunderschöne Radwege, ich bin einfach losgefahren und habe darauf vertraut, dass ich wieder zurückfinde.“ Später hat er durchschnittlich auf 70 Kilometer pro Tag erhöht und mehr als 20.000 Kilometer pro Jahr geschafft, alles mit dem E-Bike. Die täglichen Strecken fuhr er immer allein, denn andere hatten ihm gesagt, dass er ihnen zu schnell fahre. „Dabei fahre ich mit dem E-Bike auch nicht schneller als mit dem normalen Fahrrad.“
Wichtig an seiner Ausrüstung war eine gute Radlerhose und gute Turnschuhe, im Winter trug er gefütterte Stiefel, der Helm war ohnehin Pflicht. Ansonsten ist für ihn auch heute noch Konzentration alles beim Radfahren, gerade wenn Autos in der Nähe sind, vor denen er großen Respekt hat. Einige Stürze, die er ohne größere Blessuren überstanden hat, erinnerten ihn immer wieder daran, vorsichtig zu fahren. Der Rekord von Dieter Becker wäre ohne die Unterstützung seiner Frau nicht möglich gewesen. „Sie hat mir die ganze Zeit den Rücken freigehalten, ist oft für mich eingesprungen und hat alles gemanagt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.“ Vor einigen Tagen war es dann so weit. Dieter Becker erreichte die magische Grenze von 100.000 Kilometern. „Ich habe mein Ziel erreicht und bin sehr zufrieden.“ Es ist aber nicht nur die Zahl, die ihm ein gutes Gefühl gibt. „Ich fühle mich nicht wie 81, ich fühle mich sehr wohl und bin fast schon süchtig nach Radfahren.“
Becker radelt weiterhin täglich 75 Kilometer pro Tag und über 20.000 Kilometer pro Jahr. Vor drei Wochen hat er sich ein neues Rad gekauft, der Tacho zählt also schon wieder weiter. Eine Neuerung gibt es aber inzwischen. Jeden Morgen geht er eineinhalb Stunden spazieren – bei jedem Wetter und auch im Dunkeln. Nach einer kurzen Pause geht es danach aufs Rad. Wenn er mittags zurückkommt, steht das Essen auf dem Tisch. Danach unternehmen er und seine Frau etwas gemeinsam. „Der Nachmittag gehört uns beiden.“
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