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Diedorf, Burgwalden: Nach dem Hochwasser: Familie kämpft ums Zuhause in Diedorf

Diedorf, Burgwalden

Nach dem Hochwasser: Familie kämpft ums Zuhause in Diedorf

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    63 Zentimeter hoch stand das Wasser bei Familie Braunmiller in Diedorf. Der Schaden am Haus ist enorm.
    63 Zentimeter hoch stand das Wasser bei Familie Braunmiller in Diedorf. Der Schaden am Haus ist enorm. Foto: Maximilian Czysz

    „Frühestens an Weihnachten können wir zurück“, sagt Tobias Braunmiller. „Vermutlich wird es aber noch länger dauern.“ Die Familie aus Diedorf durchlebt gerade das, was vielen anderen Hochwasser-Betroffenen im Augsburger Land widerfährt: ein Wechselbad der Gefühle, ein Zustand zwischen Verzweiflung, Hoffnung, Mut und Zuversicht.

    Der Estrich musste im Haus der Braunmillers wieder herausgebrochen werden.
    Der Estrich musste im Haus der Braunmillers wieder herausgebrochen werden. Foto: Maximilian Czysz

    Der Keller und das Erdgeschoss gleichen einem Rohbau. Der Estrich wurde in den vergangenen Tagen abgetragen. Die Balkenköpfe der Fertighaus-Konstruktion, die auf dem betonierten Keller sitzen, sind nass und schwarz vor Schimmel. „Vermutlich wird die Außenwand geöffnet“, erklärt Tobias Braunmiller und zeigt auf die Balken. Der Schaden beläuft sich vermutlich auf über eine Viertelmillion Euro. Die Braunmillers sind zwar versichert, allerdings nur für Gebäudeschäden. Den Hausrat, der von den Fluten beschädigt wurde, ersetzt niemand. „Über 80.000 Euro sind das“, schätzt der Diedorfer, der mit seiner Familie in den vergangenen Wochen ein Wechselbad der Gefühle durchlebt hat.

    Hochwasser in Diedorf: Ein Wechselbad der Gefühle

    Es ist ein Auf und Ab. Auf der einen Seite die riesigen Schäden und die Baustelle im Haus, das 1992 gebaut wurde. Auf der anderen Seite der große Zuspruch. Die Hilfe. Die aufmunternden Worte. Das Schulterklopfen. Tobias Braunmiller war gerührt, überwältigt und den Tränen nahe, als er beim Helferfest von Marktgemeinde und Feuerwehr vor einer Woche einen Spendenscheck überreicht bekam. 19.000 Euro wurden binnen kürzester Zeit für die Familie gesammelt. Viele Menschen hatten vom Schicksal der Familie erfahren.

    Während Tobias Braunmiller, der seit über 20 Jahren Jugendwart bei der Diedorfer Feuerwehr ist und der überall wenn nötig anpackt, Sandsäcke gegen die Fluten des Anhauser Bachs verlud, wurde seine Familie evakuiert. Und das steigende Wasser überschwemmte sein Haus. Es kam mit einer solchen Gewalt, dass die Tür am Kellerabgang einfach aufgesprengt wurde. Im Heizungskeller rissen die Fluten zwei große Warmwasserspeicher los. Die schwere Eisentür zur Heizung wurde wie ein Stück Papier zusammengefaltet. Christoph Kain versuchte noch, mit der Anhauser Feuerwehr das Haus zu retten. Dann musste er feststellen: „Es ist nichts mehr zu machen.“ Das berichtet er, als er Tobias Braunmiller auf der Baustelle besucht. So wie viele andere, die damit sagen wollen: „Wir sind bei Euch. Wir denken an Euch.“

    Viele Menschen bieten nach dem Hochwasser ihre Hilfe an

    Nach dem Hochwasser kamen viele Menschen, um ihre Hilfe anzubieten. „Einfach so“, erinnert sich Andreas Müller, der einen Steinwurf entfernt wohnt und ebenfalls große Schäden hat. „Der Zusammenhalt ist gigantisch. Das alles gibt einem ein gutes Gefühl, dass man nicht alleine ist“, meint Tobias Braunmiller, der mit seiner Familie im Nachbarhaus eine freie Wohnung beziehen konnte. „Das war echtes Glück“, sagt der Bauhof-Mitarbeiter und zeigt im Garten an die Stelle, als er am 1. Juni mit einem Stock die Stelle im Boden markierte, als der Anhauser Bach bereits zwei Meter über Normalniveau lag. Als Braunmiller kurze Zeit später zurückkehrte, stand der Stock mitten im Wasser. Und sein Haus auch.

    
Am 1. Juni brach der Damm des Tannetweihers nördlich von Burgwalden.
    Am 1. Juni brach der Damm des Tannetweihers nördlich von Burgwalden. Foto: Maximilian Czysz

    Doch wie konnte es zu den verheerenden Wassermengen kommen? Eine Gruppe von Betroffenen nahm die Wassermassen unter die Lupe und stellte eine grobe Oberflächenberechnung an. Datenbasis waren verschiedene festgestellte Regenmengen. Beispielsweise kamen im Mittel in Biburg und Schwabmünchen 180 Liter pro Quadratmeter vom Himmel. Auf die Gesamtfläche des lang gezogenen Anhauser Tals gerechnet ergab sich eine Sintflut. Die geschätzten Mengen wurden vorgestellt, als die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Katharina Schulze, sich in dieser Woche spontan ein Bild vor Ort machte und Unterstützung zusicherte. Insgesamt kamen laut der Rechnung 8,2 Milliarden Liter Wasser zusammen, was einer Menge von 55 Millionen Badewannenfüllungen entspricht. Das Wasser aus dem Tannetweiher nördlich von Burgwalden, dessen Damm an einer Stelle gebrochen war, nimmt sich in der Rechnung vergleichsweise klein aus: Ausgegangen wird von 0,15 Milliarden Liter, die am 1. Juni ausliefen.

    Der Leiter der Forstverwaltung Fürst Fugger Babenhausen, Peter Edeling, teilte jüngst mit: "Zum jetzigen Zeitpunkt besteht die Einschätzung, dass der Dammbruch des Tannetweihers sich nicht schadenserhöhend ausgewirkt hat. Vielmehr hat die Weiherkette Wasser abgepuffert und die Retentionsfläche, welche in unserem Besitz ist und von uns gepflegt wird, Wasser aufgenommen.“ Laut Wasserwirtschaftsamt wurde die Teichanlage zuletzt 2017 kontrolliert. Der Betreiber der Teichanlage sei damals über die Ergebnisse umgehend informiert worden, teilt das Landratsamt auf Nachfrage mit. Demnach war er verpflichtet, die Teiche auf Stand- und Hochwassersicherheit gemäß den einschlägigen technischen Regeln zu prüfen sowie der Gehölzbewuchs auf den Dämmen zu reduzieren. „Nach unserem Kenntnisstand ist der Teichbetreiber dieser Aufforderung auch nachgenommen und hat in fachlicher Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt und einem hinzugezogenen Teichbauberater die Maßnahmen zur Prüfung der Teiche veranlasst“, teilt das Landratsamt mit.

    Ein mögliches Rückhaltebecken im Anhauser Tal? Die bayerische Grünen-Chefin Katharina Schulze machte sich vor Ort ein Bild.
    Ein mögliches Rückhaltebecken im Anhauser Tal? Die bayerische Grünen-Chefin Katharina Schulze machte sich vor Ort ein Bild. Foto: Maximilian Czysz

    „In zwei Monaten werden wir wissen, was für das Hochwasser ursächlich war“, versprach Diedorfs Bürgermeister Peter Högg beim Besuch der Grünen-Chefin. Er widersprach dem Vorwurf, dass die Gemeinde beim Thema Hochwasserschutz in den vergangenen beiden Jahrzehnten untätig gewesen sei. „So ist es nicht“, sagte er beim Treffen auf dem Webers-Brünnele-Feldweg, der das Anhauser Tal quer durchschneidet. Er ist seit vielen Jahren im Gespräch. Immer wieder gab es Anläufe, den Weg als Damm zu nutzen. 2019 wollte die Marktgemeinde ihr bislang größtes Projekt zum Hochwasserschutz am Brünneles-Feldweg angehen: nämlich ein Rückhaltebecken mit einem Inhalt von 300.000 Kubikmetern Fassungsvermögen. Der Gemeinderat hatte sich entschieden, eine detaillierte Planung in Auftrag zu geben.

    Am Zaun hat sich das Treibgut der Flut verfangen: So lässt sich nachvollziehen, wie hoch das Wasser am 1. Juni am Anhauser Bach in Diedorf gestanden ist.
    Am Zaun hat sich das Treibgut der Flut verfangen: So lässt sich nachvollziehen, wie hoch das Wasser am 1. Juni am Anhauser Bach in Diedorf gestanden ist. Foto: Maximilian Czysz

    „Man kann sich das alles gar nicht vorstellen“, sagte die Grünen-Chefin beim Blick ins idyllische Anhauser Tal. „Aber wir brauchen jetzt mehr Hochwasserschutz in der Fläche. Und mehr Geld und mehr Personal in der Wasserwirtschaftsämtern.“ Diedorfs Bürgermeister wünscht sich schnellere Verfahren. Sonst könnte das passieren, was Schulze „Hochwasser-Amnesie“ nennt - ist die letzte Katastrophe aus den Augen, ist der Schutz wieder aus dem Sinn. Bei Tobias Braunmiller wird das nicht passieren. Er wird an jedem Tag auf der Baustelle wieder mit dem Hochwasser konfrontiert. Die Bilder vom 1. Juni haben sich in sein Gedächtnis eingebrannt.

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