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Zusmarshausen: Neubeginn in Friedensdorf: 22 in vier Wohnungen

Zusmarshausen

Neubeginn in Friedensdorf: 22 in vier Wohnungen

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    Bilder von den Schwestern von Manfred Pietsch sowie von der Heuernte aus dem Jahr 1953.
    Bilder von den Schwestern von Manfred Pietsch sowie von der Heuernte aus dem Jahr 1953. Foto: Marcus Merk

    Wohin mit den vielen Flüchtlingen und Vertriebenen? Wohnungsnot war eines der großen Schlagworte im Nachkriegsdeutschland. Allein in Schwaben waren im Jahr 1946 insgesamt 286000 Vertriebene angekommen. Sie mussten alle untergebracht werden. Jedes Hinterstübchen, jede Waschkammer und sogar Anbauten, die zuvor als Stall genutzt worden waren, waren mit Menschen belegt. Da in der Stadt Augsburg der Wohnraum zu etwa einem Viertel zerstört war, wurden viele Vertriebene aufs Land geschickt: In den damaligen Landkreisen

    Doch woher kamen die vielen Flüchtlinge und Vertriebenen? Sie erreichten Bayern in mehreren Wellen. Die ersten von ihnen waren sogenannte Volksdeutsche, die in den letzten Kriegsmonaten

    Ersten Siedler mussten beim Bau von Wasserleitungen mithelfen

    In einigen Orten des Augsburger Landes wurde auf die Wohnungsnot mit ganz neuen Siedlungen reagiert. So entstand die Adalbert-Stifter-Siedlung in Gersthofen. Die Idee dazu hatte Hans Peterlik, der Vertreter der heimatvertriebenen Bauern im Bayerischen Bauernverband. Die ersten Siedler mussten sich verpflichten, das Eigenkapital von 2300 D-Mark einzubringen sowie beim Bau von Wasserleitungen und Straßen mitzuhelfen. Wer in welchem der Häuser schließlich wohnen würde, die ab 1951 entstanden, das wurde ausgelost.

    Ein weiteres Projekt des Siedlungsbaus ist das „Friedensdorf“ in Zusmarshausen. Auch dort gab es 1946 mehr Einwohner als noch 1939. Den Anstoß für die Anlage der Siedlung etwas außerhalb des Dorfes gab der Geistliche Rat Leopold Schwarz, der schon bei der friedlichen Übergabe Zusmarshausens an die anrückenden amerikanischen Soldaten im April 1945 eine Rolle gespielt hatte. So stiftete sein Bruder, Brauereibesitzer Konrad

    Ausstellung im Heimatmuseum

    Noch 1948 konnte mit dem Bau der ersten Häuser begonnen werden. Das erste Haus wurde von der Familie Schwarz gebaut und dann der Gemeinde übergeben, die selbst auch zwei Doppelhäuser finanzierte. Die Häuser verfügten jeweils über zwei Räume im Erdgeschoss, dazu Küche, Waschraum oder Bad und Toilette und im Dachgeschoss zwei Kammern. Zu jedem Haus gehörte ein ausgedehnter Garten, schließlich sollten die Siedler sich zu einem Teil auch selbst versorgen.

    Einer, der sich heute intensiv mit der Geschichte von Friedensdorf befasst, ist Hans-Peter Englbrecht aus Zusmarshausen. Der ehemalige Lehrer ist Hobbyhistoriker und hatte vor vielen Jahren bereits den Anstoß für die Forschung rund um das geheime Waldwerk Kuno II gegeben. Im vergangenen Jahr gab es darüber eine Ausstellung im Zusmarshauser Heimatmuseum. Dort will Englbrecht auch seine Forschungsergebnisse rund um Friedensdorf zeigen. Er ist dabei, Haus für Haus die Hintergründe über die ursprünglichen Hausbewohner zusammenzutragen. „Ganz viele kamen aus dem Sudetenland und Schlesien“, weiß Englbrecht.

    „Das war ein anderes Leben damals“

    Einer von denen, die fast ihr gesamtes Leben in Friedensdorf verbracht haben, ist Manfred Pietsch. Geboren wurde er 1941 in Gundersdorf im heutigen Tschechien. Seine Familie kam 1946 zunächst nach Vallried. Vier Jahre hatte sie dort im abgeteilten Tanzboden eines Gasthofs gewohnt – einmal, während einer besonders großen Hochzeit sogar auf dem Getreideboden. 1950 zog die Familie in eines der damals zwölf Doppelhäuser in Gemeindebesitz ein. „In dem Haus waren vier Wohnungen untergebracht, zuerst wohnten dort 22 Personen“, erinnert sich Manfred Pietsch. Das eigene Haus, das baute er mit seinen Eltern 1959 und übernahm es schließlich.

    Relativ unter sich waren die Einwohner aus Friedensdorf lange Zeit, hat Hans-Peter Englbrecht recherchiert. In der Gaststätte Beim Denk soll es damals übrigens an den Wochenenden hoch hergegangen sein: stilgerecht bei Egerländer Blasmusik. „Das war ein anderes Leben damals“, sagt auch Manfred Pietsch. Drei Personen aus der Anfangszeit wohnen heute noch in Friedensdorf. „Wir waren damals 126 Kinder und 95 Erwachsene. Heute leben hier wieder 95 Erwachsene – aber nur sechs Kinder.“

    Quelle: „Vertreibung und neue Heimat“ von Doris Pfister und Bernhard Hagel, Augsburg, 1995.

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