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Untermeitingen: Wie bekommen wir mehr dringend benötigte Organspenden?

Untermeitingen

Wie bekommen wir mehr dringend benötigte Organspenden?

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    Die Podiumsdiskussion zum Thema Organspende war gut besucht, und das Publikum hatte viele Fragen an die Experten. Von links: Bundestagsmitglied Hansjörg Durz, der Leiter des Transplantationszentrums der Uniklinik Augsburg, Matthias Anthuber, und Weihbischof Anton Losinger, Mitglied des Deutschen Ethikrats.
    Die Podiumsdiskussion zum Thema Organspende war gut besucht, und das Publikum hatte viele Fragen an die Experten. Von links: Bundestagsmitglied Hansjörg Durz, der Leiter des Transplantationszentrums der Uniklinik Augsburg, Matthias Anthuber, und Weihbischof Anton Losinger, Mitglied des Deutschen Ethikrats. Foto: Daniel Weber

    In Spanien muss ein Patient weniger als ein Jahr auf eine Spenderleber warten, in Deutschland mehr als acht Jahre. So brachte Matthias Anthuber, Leiter des Transplantationszentrums der Uniklinik Augsburg, die geringe Bereitschaft zur Organspende im Land auf den Punkt.

    Matthias Anthuber, Hansjörg Durz und Anton Losinger beantworteten die Fragen des Publikums

    Das Thema Organspende bestimmte den Mittwochabend in der Untermeitinger Imhofhalle bei der Veranstaltung „Paradigmenwechsel in der Organspende – was ist die richtige Lösung“. Als Referenten und Experten kamen neben Anthuber, der die medizinische Perspektive vertrat, auch Bundestagsmitglied Hansjörg Durz (CSU) und Weihbischof Anton Losinger, Mitglied des Deutschen Ethikrats. Alle drei stellten sich nach ihren Vorträgen den vielen Fragen der rund 120 Gäste.

    Entscheidungslösung und Widerspruchslösung

    Bald wird sich der Bundestag zwischen der Entscheidungslösung und der Widerspruchslösung entscheiden müssen. Bisher gilt nur als Organspender, wer sich ausdrücklich dazu bereit erklärt hat.

    Die Entscheidungslösung sieht vor, die Bürger intensiv mit dem Thema Organspende zu konfrontieren. Unter anderem soll beim Beantragen des Personalausweises die Frage nach der Spendenbereitschaft gestellt werden. Wer keine Erklärung abgibt, dem werden wie bisher keine Organe entnommen.

    Der andere Vorschlag ist die Widerspruchslösung. Laut ihr gilt jeder Mensch als Spender, der nicht zum Beispiel durch Eintrag in einem bundesweiten Register widerspricht und dessen Angehörige keine Einwände gegen die Organentnahme haben. Kinder, Menschen mit Behinderung und Demenzkranke sind ausgenommen. In den meisten europäischen Ländern gilt die Widerspruchslösung.

    Im Kern ging es um die beiden Gesetzesvorschläge zur Organspende, zwischen denen sich in Kürze der Bundestag entscheiden wird. Viele Publikumsfragen drehten sich aber auch um die besonders schwierige Situation, wenn Eltern entscheiden müssen, ob ihren eben verstorbenen Kindern Organe entnommen werden dürfen. Dazu gab Diana Dietrich einige Denkanstöße: Die Mutter des bald zweijährigen Daniel, der seit einem Jahr auf ein Spenderherz wartet, hielt zum ersten Mal eine Rede auf einer solchen Veranstaltung. „Die Medizin ist so weit, die Forschung ist so weit. Es darf nicht sein, dass es so lange dauert, bis ein Spenderorgan bereitsteht“, kritisierte sie.

    In anderen Ländern hätte Daniel schon nach wenigen Wochen ein neues Herz bekommen. Dietrich sprach sich klar für die Widerspruchslösung aus.

    Sind Unentschlossene Organspender oder nicht?

    Manche der Anwesenden waren nicht ihrer Meinung: Viele Fragen drehten sich darum, ob der Staat die Bürger dazu zwingen dürfe, sich mit der Organspende auseinanderzusetzen und ob es rechtens sei, Unentschlossene automatisch als Spender zu behandeln. Anthuber vertrat ebenfalls klar die Position der Widerspruchslösung: „Der Staat greift schon jetzt täglich in unsere Freiheiten ein. Wer sich zum Beispiel beim Autofahren nicht angurtet, bekommt eine Strafe.“ Dabei sei die Widerspruchslösung ja keine Verpflichtung zum Spenden, sondern nur eine Verpflichtung zur Entscheidung: „Wer nicht spenden möchte, kann einfach widersprechen.“

    Losinger hingegen sah in der Widerspruchslösung einen Zwang zur Spende. Zwar wünsche sich auch die Kirche mehr Spender und befürworte die Organspende, sagte er. Aber ein Geschenk sei nur dann ein Geschenk, wenn es freiwillig gegeben werde. Er plädierte für die Entscheidungslösung, während sich Durz zwischen beiden Positionen verortete: „Ich habe für mich selbst eine Entscheidung getroffen und auf meinem Spenderausweis festgehalten. Aber ich weiß noch nicht, wie ich als Politiker für andere Menschen entscheiden soll.“

    Durz sagt, Diskussionen gehören zur Demokratie

    Zum Thema Politik gab es mehrere Wortmeldungen: „Warum muss es immer so kompliziert sein für ein so einfaches Thema?“, fragte ein Mann, der nach eigenen Angaben selbst auf ein Organ wartet. „Bei einem Unfall wird jeder Passant zur Hilfeleistung verpflichtet. Hier aber wird diskutiert, bis die Leute gestorben sind.“ Durz erwiderte: „Eine gesetzliche Regelung ohne Bevölkerung ist nicht richtig.“ Es brauche Zeit, um den Bürgern das Thema zu vermitteln. Dass viel und öffentlich diskutiert werde, sei gerade eine Stärke der Demokratie und verhindere Zustände wie etwa in China.

    Einige Fragen zielten auch auf die Abläufe beim Spenden ab. Gibt es zum Beispiel ein Höchstalter für Spender? Anthuber verneinte. Es komme individuell auf den Zustand des jeweiligen Organs an, in Amerika habe man schon die Leber eines 98-Jährigen verpflanzt. Außerdem erklärte er, dass nur wenige Menschen überhaupt als Spender infrage kämen. Sie müssten dafür bereits im Krankenhaus an Geräte angeschlossen sein, wenn der Hirntod festgestellt werde.

    Und dann gebe es noch eine Hürde: „Es ist ein gewaltiger Gedankensprung für die Ärzte, den verstorbenen Patienten, den sie gerade noch zu retten versuchten, nun als Spender zu betrachten.“ Das Personal der Intensivstationen müsse zudem dringend besser informiert werden, damit Hirntote auch als solche erkannt würden.

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