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Transplantation: „Großzügiges Geschenk“ von einer unbekannten Familie

Transplantation

„Großzügiges Geschenk“ von einer unbekannten Familie

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    „Ich hab mich damals gefühlt wie eine 90-Jährige.“Angela Hauber
    „Ich hab mich damals gefühlt wie eine 90-Jährige.“Angela Hauber

    Königsbrunn Unter den vielen Erlebnissen und Empfindungen, die Angela Hauber mit ihrer Organtransplantation verbindet, ist dies eher eine Fußnote, die sie erst gegen Ende des Gesprächs erwähnt. Monate nach dem erfolgreichen Eingriff lag in ihrem Briefkasten ein Umschlag von Eurotransplant, der Service-Organisation, die die Zuteilung von Spenderorganen in sieben europäischen Ländern regelt. Darin eine knappe Rechnung: „Ein Herz – 10 000 D-Mark“.

    Rückblickend findet das die 65-jährige Königsbrunnerin eher verwunderlich. Solch ein glatter Preis für ein Organ, für ihr Überleben! Dabei hat sie eine klare Empfindung, dass dieses Herz, das seit Februar 1995 in ihrer Brust schlägt, nicht käuflich war. Sie weiß: Es ist „ein großzügiges Geschenk“ von einer ihr unbekannten Familie. Es weckt in ihr noch immer ganz unterschiedliche Empfindungen.

    Ihre Transplantationsgeschichte, die sie zum heutigen Tag der Organspende auf Anfrage unserer Zeitung erzählt, beginnt im Sommer 1990. Nach dem Urlaub fühlte sich Angela Hauber schlapp und abgespannt. Einige Wochen diagnostizierte ihr Arzt eine verschleppte Herzmuskelentzündung. Ein Virus hatte das Organ angegriffen. Es war bereits so geschädigt, dass es sich trotz intensiver Behandlung nicht mehr erholen konnte.

    „Ich hab mich damals gefühlt wie eine 90-Jährige.“ Sie musste sich schonen, jede Anstrengung vermeiden, war dennoch häufig krank, konnte nur noch phasenweise als Hauswirtschafts- und Handarbeitslehrerin am Fritz-Felsenstein-Haus arbeiten. Sie spürte, wie ihr Herz sich immer mehr abmühte.

    1994 eröffneten ihr die Ärzte, dass Medikamente keine Besserung mehr bringen würden. Jetzt könne nur noch eine Herztransplantation helfen. Ohne diese habe sie noch etwa ein Jahr zu leben.

    „Ich hab sehr lange gebraucht, mich dafür zu entscheiden“, erzählt Angela Hauber, „ich wollte mein altes Herz nicht hergeben“. Erst als sich eine Erkältung zur Lungenentzündung steigert, hört sie auf den Rat von Arzt und Ehemann. „Die Entscheidung war, wie wenn man eine Kugel wo rein wirft – da ist der ganze Apparat angelaufen.“ Ein exakt vorgegebener Prozess beginnt.

    Angela Hauber muss viele medizinische Untersuchungen absolvieren, auch ein psychologisches Gutachten gehört dazu. Kurz vor Weihnachten 1994 dann die Nachricht: „Sie sind auf der Liste.“ Das bedeutet erst mal weiter Auflagen.

    Sie erhält einen Piepser, um immer erreichbar zu sein. Längere Abwesenheiten muss sie bei ihrer Transplantationsklinik, dem Klinikum Großhadern bei München, melden. Mehr als 120 Kilometer darf sie sich von Königsbrunn nicht entfernen. Sie musste sicherstellen, dass sie jederzeit innerhalb von 30 Minuten von einem Krankenwagen abgeholt werden kann.

    An einem Freitagabend im Februar 1995, sie ist allein zu Hause, klingelt das Telefon. „Hallo Frau Hauber, geht es Ihnen gut?“, will jemand wissen. „Wir haben wahrscheinlich ein Herz für Sie.“ Angela Hauber ist schon informiert, dass es Gewissheit darüber, ob das Spenderorgan für sie geeignet ist, erst in der Klinik geben kann.

    „Wenn es nicht passt, dann kriegt es ein anderer“, schildert sie. Diese Entscheidung muss schnell fallen, ein weiterer möglicher Empfänger muss ebenfalls bereit sein. „Ein Herz ist ja nur vier Stunden nach der Entnahme transplantationsfähig.“ Doch es läuft alles gut für Angela Hauber. Kurz nach Mitternacht informiert Chirurg Prof. Dr. Bruno Reichart Ehemann Josef Hauber: Die Transplantation hat geklappt.

    „Nach dem Aufwachen hatte ich ein leichtes Gefühl in der Brust – ich habe mein Herz nicht mehr gespürt“, erzählt Angela Hauber, „ich bin richtig erschrocken“. Der Chirurg war aber sehr zufrieden. „Von da an ging es bergauf.“ Da hat ihr Mann ganz andere Erinnerungen.

    Etwa eine Woche nach der Operation sei der „große Einbruch“ gekommen, erzählt er. Der Herzrhythmus gerät völlig außer Takt, rast hoch auf bis zu 170 Schläge pro Minute, war dann wieder unten bei einem Puls von 15. Zehn Tage lang steht ihr Leben auf der Kippe. Dann ist diese Krise überwunden. Angela Hauber erhält zur Stabilisierung einen Herzschrittmacher.

    Eine andere gesundheitliche Krise bleibt Angela Hauber bis an ihr Lebensende: Das Spenderherz ist ein Fremdkörper, ihr Körper möchte es abstoßen. Das ist bei jeder Herztransplantation so, bei ihr war das sehr ausgeprägt. In den ersten Monaten nach der Transplantation wird dem neuen Herzen jede Woche eine Gewerbeprobe entnommen.

    Die Abstoßreaktion muss mit Medikamenten unterdrückt werden. Die gehören inzwischen zum Alltag der 65-Jährigen. Wenn sie ihr, wie 1998 bei einer Kreuzfahrt in der Ostsee, durch eine Panne ausgehen, dann kann das höchst kritisch werden. Die Medikamente haben auch Nebenwirkungen, weiß sie. „Aber das ist das kleinere Übel, wenn man weiß, dass man dafür leben kann.“

    Angela Hauber und ihre Familie müssen auch mit den Statistiken leben, die Auskunft geben über die Sterberaten in den Jahren nach einer Herztransplantation. „Acht Jahre galten damals schon als Lichtblick.“ Bessere Medikamente haben aber die Chancen erheblich verbessert.

    Inzwischen gilt Angela Hauber in Großhadern als „Vorzeigepatientin“. Sie hat nach der Operation noch drei Jahre in Teilzeit unterrichtet, ging dann in Vorruhestand. Sie hat erlebt, wie ihre beiden Kinder jeweils wieder zwei Kinder bekamen, seit Dezember 2010 ist sie sogar Urgroßmutter.

    Die Operation hat nicht nur ihr Leben geprägt, sondern auch die Familie. „Wir sind sensibler geworden, leben bewusster“, findet Ehemann Josef Hauber. Man höre einander besser zu, ergänzt er. „Ich bin egoistischer geworden“, drückt es Angela Hauber aus, „ich setze meine Wünsche mehr durch“.

    Noch auf der Intensivstation will Angela Hauber mehr über den Spender wissen. Durch hartnäckiges Nachfragen erfährt sie schließlich, dass ihr neues Herz von einem 19-jährigen Mann kommt, der einen Motorradunfall nicht überlebt hat. „Das hat mich sehr betroffen gemacht, mein eigener Sohn war ja nur wenig älter.“

    Als sie zehn Jahre nach ihrer Operation aus Großhadern ein Glückwunschtelegramm erhält, da bittet sie, doch die unbekannte Familie des Spenders wissen zu lassen, dass es ihr gut gehe und dass sie dankbar sei „für das großzügige Geschenk“. Seit 1995 feiert Hauber zweimal im Jahr Geburtstag. Aber besonders an den Jahrestagen der Transplantation kommen gemischte Gefühle – und mit ihnen die Tränen. So wie jetzt, wenn sie davon erzählt. „Ich denke dann auch immer daran, dass diese Familie an diesem Tag ja ihren Sohn verloren hat.“ "Region Augsburg S. 31

    Im Internet

    informiert unter anderem die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.organspende-info.de

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